Corona-Krise Desinfizieren statt Events – Unternehmen erfindet sich neu

Leverkusen · Die Krise macht es möglich: Ein Leverkusener Unternehmen bekommt keine Aufträge mehr und schaltet um.

 Hendrik Stradtmann und seine Mitarbeiter haben in der Krise umgedacht – mit Erfolg.

Hendrik Stradtmann und seine Mitarbeiter haben in der Krise umgedacht – mit Erfolg.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

„Wir sollten uns nicht nur auf das beschränken, was wir können, sondern neue Wege suchen“, sagt Hendrik Stradtmann, Geschäftsführer der Firma Ohratorium Miet & Event Services. Bis vor einigen Wochen waren die Auftragsbücher der Eventfirma, die sich auf das Bereitstellen temporärer Wasser- und Stromversorgung für Großveranstaltungen spezialisiert hat, gut gefüllt. Bis in den Oktober hinein konnte geplant werden, die Vorbereitungen für den Düsseldorfer Japan-Tag liefen schon auf Hochtouren. Dann kam Corona.

„Wie die gesamte Event-Branche, traf auch uns die Stornowelle“, sagt Stradtmann. Alle Veranstaltungen wurden aufgrund der Pandemie abgesagt, die Existenz des Unternehmens und der 13 Mitarbeiter geriet in Gefahr. Zwar hat der Staat Hilfspakete für Unternehmen in Krisenbranchen geschnürt, auf diese verlassen wollte sich die Firma jedoch nicht. „Nach Hilfspaketen schreien ist nicht“, betont Geschäftsführer Stradtmann, auch weil er nicht davon ausgeht, dass sich die Situation in den nächsten Monaten entspannt. Kurzarbeit wolle er unbedingt vermeiden, einige seiner Mitarbeiter hätten erst kürzlich Häuser gebaut, für sie habe auch eine mit Kurzarbeit verbundene geringe Lohnkürzung dramatische Folgen. Es mussten also Lösungen her – und zwar gemeinsame. „Die Idee kam nachts bei Whatsapp“, sagt Stradtmann weiter. Man habe im Mitarbeiter-Chat Gedanken ausgetauscht, fortlaufend kamen neue Anmerkungen hinzu, und dann ging alles ganz schnell.

Bisher benutzte das Unternehmen ultraviolettes Licht (UV-Licht), um das Wasser, das bei Großveranstaltungen verwendet wird, trinkgerecht aufzubereiten. Der Vorteil: Durch die Bestrahlung mit den UV-Lampen werden 99,99 Prozent aller Keime, Viren und Schimmelsporen abgetötet; das Wasser wird so, ohne den Einsatz von Chemikalien, keimfrei aufbereitet. Die Idee, die der Belegschaft in besagter Nacht kam, war die, sich nicht nur auf Wasser zu beschränken, sondern die Bestrahlung auch dazu zu nutzen, Raumluft und Oberflächen zu reinigen. In Zeiten, in denen Desinfektionsmittel und Reinigungsutensilien überall vergriffen sind, ein genialer Einfall. Gesagt, getan, innerhalb kürzester Zeit stellte das Unternehmen seine Produktion um, und die neuen Artikel, die wie Klimaanlagen funktionieren, indem sie die alte Luft ansaugen und gereinigt wieder abgeben, würden ihm praktisch aus den Händen gerissen, berichtet Stradtmann. Auch in der Folge sprühte das Hitdorfer Unternehmen vor Erfindergeist. Die transparenten Kunststoffplatten, die es normalerweise zur Verkleidung von Veranstaltungsbühnen nutzt, werden nun als Spuckschutz an Ämter, Sparkassen und Zahnarztpraxen geliefert.

Der Unternehmer ist zuversichtlich, mit den neuen Maßnahmen durch die Krise zu kommen, und möchte anderen Firmen Mut machen. „Wir Deutschen neigen oft dazu, zu jammern und zu trauern, wir sollten eher unsere Zeit und unser Potenzial nutzen, um Lösungen zu kreieren“, sagt Stradtmann. Dafür müssten Unternehmer aber auch über ihren Schatten springen und sich für innovative Lösungsansätze öffnen. Und diese kämen nicht zuletzt aus den Reihen der eigenen Mitarbeiter. Bisherige Konzepte zu hinterfragen, Mitarbeiter mit einzubeziehen und umzudenken seien wichtige Ansatzpunkte, sagt der Geschäftsführer. Er sei froh, dies getan zu haben, und ist stolz auf seine „Wahnsinnsmannschaft“. Keiner sei sich für irgendetwas zu schade und alle würden sich dafür einsetzen, dass es mit der Firma weitergeht.

In solch schweren Zeiten gehe es eben um Innovationsgeist und Zusammenhalt, nicht nur in den Unternehmen, auch in der Gesellschaft. Hendrik Stradtmann ist froh, sich auf seine Mitarbeiter verlassen zu können. „Denn nur in der Krise weiß man, was man hat“, sagt er.

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