Einsatz in Tokio Hockey-Schiri aus Leverkusen lebt olympischen Traum

Leverkusen/Tokio · RTHC-Schiedsrichterobmann Ben Göntgen hat am Samstag seinen ersten Einsatz in Tokio. Neben dem Platz herrschen strenge Regeln. So wird der Leverkusener von der Olympiastadt wenig sehen.

 Schiedsrichter Ben Göntgen während eines Turniereinsatzes. Er ist ab Samstag in Tokio auf dem Platz im Einsatz.

Schiedsrichter Ben Göntgen während eines Turniereinsatzes. Er ist ab Samstag in Tokio auf dem Platz im Einsatz.

Foto: Sport Pics / Frank Uijlenbroek

Viele Jahre hatte Ben Göntgen auf seinen großen Traum hingearbeitet und dem vieles untergeordnet. Nun wird er endlich wahr: Der 37-jährige Schiedsrichter wurde vom Hockey-Weltverband „Fédération Internationale de Hockey“ (FIH) für die Teilnahme an den Olympischen Spielen nominiert. Als einziger deutscher Referee reiste der Schiedsrichterobmann des Ruder-Tennis-Hockeyclubs (RTHC) Bayer Leverkusen nach Tokio.

„Schon als 14-Jähriger habe ich zu meinen Eltern gesagt, ich würde zu den Olympischen Spielen 2020 fahren. Damals haben sie mich belächelt“, schilderte der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität in Aachen, der sich seit 2017 als Hockey-Koordinator für den RTHC engagiert. „Nun sind sämtliche Wecker gestellt, damit mich meine Frau und meine Eltern zumindest im Fernsehen beobachten können.“ Denn ursprünglich war geplant, dass die Eltern den Sohn begleiten sollten. Das ist wegen Corona – wie so vieles andere – aber nicht möglich. „Die japanische Regierung ist sehr streng“, sagte der gebürtige Mülheimer kurz vor seiner Abreise.

Jeder müsse einen gültigen PCR-Test vorweisen. Er selbst werde vom Flughafen direkt ins Hotel gefahren und bis zum Rückflug allenfalls den Hockeyplatz zu Gesicht bekommen. Er habe keine Gelegenheit, die historischen Tempel, den prunkvollen Meiji-Schrein oder den Kaiserpalast in der japanischen Hauptstadt zu besichtigen. „Sightseeing ist strengstens verboten“, bedauerte Göntgen. Und obwohl er sich darüber im Klaren sei, dass er bei diesem – ohnehin schon um ein Jahr verschobenen – sportlichen Großereignis auf jegliches olympische Flair verzichten müsse, überwiege die Freude, dabei zu sein. Göntgen: „Olympia ist das höchste aller Gefühle. Besonders in einer Randsportart wie Hockey.“

Schon als Jugendlicher wusste Ben Göntgen, der Hockey-Narr, dass er als Schiedsrichter mehr erreichen könnte als ein Spieler. Vorausgesetzt, er würde konstant gute Leistungen zeigen. Dieser Prämisse ordnete er vieles unter. Und war erfolgreich. Bereits mit 18 Jahren richtete er erstmals in der Bundesliga. Später folgten Begegnungen bei unzähligen internationalen Entscheidungsspielen wie Europa- und Weltmeisterschaften. Zuletzt im Juni konnte er sich bei den Eurohockey-Championships 2021 in Amsterdam auf Tokio vorbereiten. Und er stieg damit zum alleinigen Rekordhalter unter den deutschen Schiedsrichtern auf, die jemals für Europameisterschaften nominiert worden waren.

Sein erster Einsatz in Tokio ist am Samstag, 24. Juli. Ben Göntgen hofft, nach weiteren Spielen auch die Finalbegegnung der Herren am 6. August oder der Damen am 7. August pfeifen zu dürfen. Wann und bei welchem Spiel er dabei sein dürfe, würden er und die übrigen Schiedsrichter  – insgesamt je 14 Damen und Herren  – jeweils am Vortag erfahren. „Je weiter Deutschland kommt, desto mehr sinken meine Chancen die Entscheidungsspiele pfeifen zu dürfen“, erläutert der junge Mann und hebt hervor, dass er keinesfalls mit dem Gedanken ins Turnier gehe, dass Deutschland ausscheiden sollte. „Ich würde Deutschland lieber im Finale sehen als selbst zu pfeifen“, sagt der erfahrene Schiedsrichter und bedauert, dass Hockey ohnehin nur bei Olympia in der Öffentlichkeit stehe.

„Neben Fußball und Tennis ist alles andere nur noch Randsport“, sagt Göntgen, das finde er aber nicht schlimm. Denn es gebe ein großes Plus bei seinem Lieblingssport: „Alle Spieler sind wie eine große Familie. Sogar bei internationalen Turnieren kennt man sich persönlich.“

Schiedsrichter Göntgen hat auch nach Tokio noch viele Pläne. Denn er möchte mindestens weitere zehn Jahre auf Top-Niveau entscheiden. „Die Altersgrenze für einen Schiedsrichter liegt bei 47 Jahren“,  sagt Göntgen. „Ich kann mein Hobby also noch eine Weile ausüben und könnte sogar bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles dabei sein.“ Sein Nachsatz: „Ohne Corona wäre das ein perfekter Abschluss.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort