Faszinierendes Konzert im Seidenweberhaus Sinfoniker spielen Opus über Klimakatastrophe

Krefeld · Der Schlagzeugvirtuose Alexej Gerassimez ließ das Publikum staunen über einen packenden Tanz der Menschheit am Abgrund. Er machte Rhythmus mit Ölkanistern und Bremsscheiben.

Zauberer der Percussion: Alexej Gerassimez.

Zauberer der Percussion: Alexej Gerassimez.

Foto: Nikolaj Lund

 Fast verdeckt von einer riesigen Schlagzeugbatterie, dazu von Ölkanistern, Plastikflaschen, Bremsscheiben und weiteren Müll-Utensilien, widmeten sich die von GMD Mihkel Kütson einfühlsam geleiteten Niederrheinischen Sinfoniker zu Beginn des 3. Sinfoniekonzertes in intuitivem Zusammenspiel den überwiegend sanften Klängen der Konzertouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“, in der Felix Mendelssohn Bartholdy fantasiereich Goethes Gedichte in Musik übersetzt. Abrupt war der Übergang zum Hauptwerk des Abends – dem „Concerto for Percussion and Orchestra“, das der neuseeländische Komponist John Psathas (geb.1966) in Anlehnung an den antiken Chaosdrachen  „Leviathan“ genannt hat.

Alexej Gerassimez, der jugendlich wirkende 35-jährige, international gefragte Schlagzeuger, der außerdem als Professor für seine Instrumente an der Münchner Musikhochschule wirkt, kam, gefolgt von Mihkel Kütson, in praktischer Freizeitkleidung fast auf die Bühne gestürmt und konnte es kaum erwarten, seine staunenswerte Kunst zu zeigen – aber auch eine Botschaft damit zu verbinden. Gemeinsam mit dem mit ihm befreundeten Komponisten ist „Leviathan“ entstanden. Ohne belehrend erscheinen zu wollen, thematisieren die beiden Künstler die immer bedrohlicher werdende Klimakatastrophe und hoffen, die Menschen zum Umdenken bewegen zu können.

Im ersten, stark rhythmisierten, energetisch aufgeladenen Satz, den der flink zwischen Schlaginstrumenten und dem von ihm  gesammelten Müll hin und herwuselnde Solist in perfekter Abstimmung mit Dirigent und Orchester meisterte, wird der Tanz der Menschheit am Rande des Abgrunds dargestellt. 

An zweiter Stelle steht ein friedlicher Satz: Gerassimez spielte auf einem Xylophon, und es erklang - in Abwandlungen - aus Beethovens Sinfonie „Pastorale“ die „Szene am Bach“. Schließlich wechselte er zum Wasserpercussion, wodurch die Problematik bezüglich dieses lebenswichtigen Elementes zum Thema wird.

Im dritten Satz improvisierte der Solist mittels einer halbgefüllten Wasserflasche - das steht für die Berge von Plastikmüll. Im abschließenden vierten, wiederum energiegeladenen Satz, in dem der Solist zu Beginn auf Steinen spielte, wird die Hoffnung auf Veränderung ausgedrückt – nur zu erreichen mit Stärke, Intelligenz und dem unbedingten Willen zum sofortigen Handeln. Das alles wussten der mit hoher Interpretationskunst und mit staunenswerter Virtuosität glänzende Alexej Gerassimez ebenso packend zu vermitteln wie das in den Sog des Solisten gezogene Orchester samt Dirigent. Die Zuhörer verstanden die Botschaft und jubelten ausdauernd. Der Schlagzeuger dankte mit atemraubenden Kunststücken auf der kleinen Trommel.

Nach der Pause brachten die melodischen Schönheiten der Sinfonie Nr.3 Es-Dur, der „Rheinischen“, von Robert Schumann in liebevoll ausgearbeiteter Wiedergabe doch noch ein wenig Adventsstimmung ins Seidenweberhaus.

Das Konzert ist noch einmal zu hören am Freitag, 16. Dezember, 20 Uhr, im Seidenweberhaus; Einführung 19.15 Uhr

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