Gemeinschaft Krefelder Künstler 28 Positionen zum Bauhaus

Krefeld · 16 Krefelder Künstlerinnen und zwölf Künstler haben sich mit der Lehre des Bauhauses auseinandergesetzt. Ihre Arbeiten sind ab 14. Juni im Kunst-Spektrum zu sehen.

 Ohne Titel ist die große Papierarbeit in Rottönen von Rita Wilmesmeier, die wie ein Textilgewebe wirkt. Davor eine Skyline aus Blaustein, Glas und Aluminium mit dem Titel „Haus Bau Haus“ von Gert Kamepndonk.

Ohne Titel ist die große Papierarbeit in Rottönen von Rita Wilmesmeier, die wie ein Textilgewebe wirkt. Davor eine Skyline aus Blaustein, Glas und Aluminium mit dem Titel „Haus Bau Haus“ von Gert Kamepndonk.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Franz Schuberts „Heideröslein“ beginnt in einem satten Magenta. Das erleben auch die nicht Synästesie-fähigen Menschen, die, deren Hirn nicht Wahrnehmungen verknüpft und die sonst keine Farben sehen, wenn sie Töne hören. Möglich macht das John Waszek mit Aquarellfarbe auf Büttenpapier: Er hat jeder Taste eines Klaviers einen Farbton zugeordnet und Schuberts bekanntes Lied farblich umgesetzt. Die Dauer eines Tones ist in der Breite des Farbfeldes hinterlegt. Synästhetische Untersuchungen beschäftigen den Krefelder schon länger. Jetzt hat er den Bogen zu Johannes Itten geschlagen: Der Bauhaus-Lehrer ist mit seinem Farbkreis berühmt geworden – Waszek hat Ittens Lehre auf den Quintenzirkel übertragen. Das hohe C ist das klare Gelb.

Waszek ist eines von 28 Mitgliedern der Gemeinschaft Krefelder Künstler (GKK), die das Thema „Bauhaus“ für eine Ausstellung neu interpretiert haben, die am 14. Juni, 20 Uhr, im Kunst-Spektrum an der St.-Anton-Straße 90 eröffnet wird. Unter dem Titel „konstruktiv  konkret. Inspiration Bauhaus“ haben sich 16 Frauen und zwölf Männer mit der Lehre der Bauhäusler befasst. In sechs Räumen sind ganz unterschiedliche Positionen zu sehen. Viele haben eigens für die Aufgabe ihren Stil gewechselt, von der Gegenständlichkeit zur reduzierten Form. Andere haben in ihrer Formensprache neue Akzente gesetzt. Die Ausstellung lädt den Besucher ein zur Spurensuche und zum Weiterdenken einer Kunstauffassung, die vor 100 Jahren Avantgarde war.

 John Waszek hat Ittens Farbkreis auf die Musik übertragen.

John Waszek hat Ittens Farbkreis auf die Musik übertragen.

Foto: Petra Diederichs

Das ist mal farblich spektakulär wie bei Rita Wilmesmeier:  In markanten Rot- und Pinktönen leuchtet ihre Reminiszenz an die Textilwerkstatt des Bauhauses. Die Künstlerin hat bemalte Papierstreifen unterschiedlicher Breite verwebt, sodass sie wie ein 1,34 mal 1,32 Meter großes Stofftuch wirken, leicht und filigran und doch stabil. Auf der Rückseite hat sie Nenfarbe aufgetragen, die auf die weiße Wand reflektiert und bei jeder Lichtveränderung Bewegung vortäuscht.

Manchmal ist die Optik auf den ersten Blick ganz zart wie bei vier Aquarellen von Marianne Reiner-Maaz. Ihre „Kompositionen mit Streifen“ wirken wie Dessin-Vorlagen aus der Bauhaus-Ära. Feine Bleistiftlinien geben die Form vor, in der frei mit dem Pinsel gezogene Pastelllagen den Eindruck von übereinandergelegtem zartem Gewebe erwecken. Oder wie bei den Ätzradierungen auf Holz von Brigitte Gmachreich-Jünemann, die klare rechteckige Formen und Strukturen der Architektur in „Weiß mit vielen Nuancen“ durchspielt.

 Drei Folien übereinander: eine Arbeit von Edith E. Stefelmanns.

Drei Folien übereinander: eine Arbeit von Edith E. Stefelmanns.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Barbara Freundlieb hat den Grundriss des Erdgeschosses von Haus Esters auf Holz gemalt und mit rechteckigen Farbflächen gefüllt. Die Farbe reicht oft über die Begrenzungslinien hinaus und öffnet den Raum optisch. Rechtecke aus Beton bringt Christiane Behr zum Leuchten. Sie gibt eine dicke Schicht aus Epoxidharz, das mit Farbpigmenten versehen ist, darauf. So erreicht sie die Wirkung von erstarrtem Wasser. Wer sich darüber beugt entdeckt in der wächsernen Schicht ein vages Innenleben. Abfälle und Überbleibsel früherer Arbeiten verarbeitet sie darin.

Zur Entdeckungsreise lädt auch Edith E. Stefelmanns ein, die einen neunteiligen Zyklus den Bauhaus-Frauen widmet. Jedes Bild besteht aus drei Folien mit Print und Schellack, die übereinander liegen. Das Auge braucht einen Moment, um aufzuschlüsseln, was auf welcher Ebene zu sehen ist. Herzstück ist jeweils ein Porträt einer Bauhaus-Künstlerin wie Gunta Stölzl oder Anni Albers auf der hinteren Lage. Davor ist ein Ausschnitt einer Arbeit der Künstlerin zu sehen, und zuvorderst  ist Stefelmanns IIllustration als Interpretation. „Die Köpfe, die dahinter stecken“ heißt die Reihe. Ein Titel, der auf die gesamte Schau passt. Denn hier haben sich viele Köpfe mit den Gedanken anderer Köpfe auseinandergesetzt.

Die originellste Interpretation der Bauhaus-Architektur gibt Ivica Matijevic  mit einem 63 Zentimeter hohen Objekt aus verschiedenen Hölzern. Klare Eichenbalken werden unterbrochen durch intarsienartige Flächen, in denen kleine Hölzer, Blei- und Buntstifte in einer scheinbar zufälligen Ordnung zusammenkommen. Alles ist so oft verschliffen, dass es zu einer Einheit wird, die wie ein Architekturaufriss eines Geländes wirkt. Die Schau ist keine rückwärts gerichtete Hommage: Von der Linie bis zum Stahlobjekt reicht die Vielfalt, mit der sich Bauhaus im Jahr 2019 aktuell denken lässt.

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