100 Jahre Bauhaus 100 Jahre Bauhaus – Spurensuche in Viersen

VIERSEN · Die künstlerischen Ideen des „Neuen Bauens“ hatten ihren Ausgangspunkt in Weimar, aber sie fanden ihren Weg bis an den Niederrhein. An der Burgstraße und der Heinz-Luthen-Straße stehen Häuser im schlichten, klaren Bauhaus-Stil.

 Die Rückseite des Hauses an der Burgstraße 4 ist durch eine bis zum Boden gezogene Fensterfront zum Garten hin offen. Durch sie verschmelzen Innen und Außen miteinander.

Die Rückseite des Hauses an der Burgstraße 4 ist durch eine bis zum Boden gezogene Fensterfront zum Garten hin offen. Durch sie verschmelzen Innen und Außen miteinander.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Nein, Viersen war nie die Hochburg des Bauhauses, einer gesamtkünstlerischen Bewegung die gerade einmal knapp 14 Jahre gedauert hat. In diesem Jahr feiert die Stilrichtung, die in Weimar ihren Ausgangspunkt fand, in Dessau Station machte und in Berlin endete, ihren 100. Geburtstag.

Das Bauhaus sollte eine neue Generation umfassend kompetenter und engagierter Künstler und Gestalter ausbilden. Kunst und Handwerk wurden zusammengeführt – das war einmalig. Der Begriff „Gesamtkunstwerk“ charakterisiert die Idee am besten: Alle Sparten arbeiteten zusammen, um den perfekten künstlerischen Bau zu schaffen. Denn: „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau“, verkündete das Gründungsmanifest 1919. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete diese moderne Bewegung abrupt, die trotz ihrer kurzen Existenz weitreichenden Einfluss auf der ganzen Welt hatte und das Bild der Moderne prägte.

Nein, Viersen war nie die Hochburg des Bauhauses, aber es ist erstaunlich, dass die architektonischen und künstlerischen Einflüsse des Bauhauses und der daraus aufbauenden Idee des „Neues Bauen“ von Weimar, Dessau und Berlin aus ihren Weg an den Niederrhein fanden.

Was es braucht, damit moderne Tendenzen ihren Niederschlag in Kunst und Architektur finden, sind aufgeschlossene Menschen mit Geld. Ohne diese hätte es in Krefeld nicht die Juwelen der Bauhausarchitektur von Ludwig Mies van der Rohe in Gestalt der Villen Lange und Esters geben können.

Und in Viersen? Da war es – natürlich, möchte man fast sagen – der Kaffeegroßhändler Walter Kaiser. Er beauftragte 1931 den Düsseldorfer Architekten Bernhard Pfau (1902–1989) mit dem Bau eines repräsentativen Einfamilienhauses auf der Burgstraße 4. Der Bau ist charakterisiert durch eine klare Gliederung, hohe Funktionalität, Verzicht auf überflüssige dekorative Elemente sowie die Öffnung der gesamten Rückseite in den Garten durch eine bis zum Boden gezogene Fensterfront. Durch sie verschmelzen Innen und Außen miteinander. Seit 1995 steht das Haus unter Denkmalschutz. Gleich nebenan mit der Adresse Burgstraße 6, steht ein weiterer Bau des Architekten Pfau. Auch wenn die Planungen auf das Jahr 1951 zurückgehen, beruht die Gestaltung konsequent auf den Ideen des neuen, modernen Bauens. Heute kennt man die Burgstraße 4 unter dem Namen Villa V. Gerda-Marie Voß betreibt dort einen Kunstraum mit Ausstellungen und Kulturabenden.

Der vom Neuen Bauen beeinflusste Bernhard Pfau studierte an der Kunstgewerbeschule Mainz. Das Haus Kaiser war eines der ersten Projekte, die Pfau selbstständig plante. Viele weitere seiner Bauten stehen in Düsseldorf.

Ein weiteres Beispiel für das „Neue Bauen“ ist das frühere Wohnhaus von Artur und Friederike Baums auf der Heinz-Luhnen-Straße 17 in Dülken aus dem Jahr 1935. Artur Baums war Prokurist bei der Dülkener Zwirnerei Hoogen & Co. und Cousin des Architekten Wilhelm Baums, geboren 1896 in Goch.

Das freistehende zweigeschossige Wohnhaus wurde auf einem quadratischen Grundriss errichtet. Es enthält sowohl Elemente des Neuen Bauens wie des Backsteinexpressionismus. Das Besondere an ihm ist, dass die Innenausstattung vollständig erhalten ist.

Die Lehrer am Bauhaus sind Legende: Zu ihnen gehörten Josef Albers, Lyonel Feininger, Johannes Itten, Gerhard Marcks, Paul Klee, Lazlo Maholy-Nagy. Und genau von diesen Künstlern besitzt die Stadt Viersen Arbeiten in ihrer Grafischen Sammlung. Ebenso wie von Ida Kerkovius, die Schülerin am Bauhaus war.

Der Holzschnitt von László Moholy-Nagy aus dem Jahr 1922 heißt „Konstruktivistische Komposition“. Der in Ungarn geborene Künstler setzt hier in der Reduzierung auf Schwarz und Weiß geometrische Figuren gegeneinander.

Der Holzschnitt von Lyonel Feininger ist 1918 datiert. Thematisch greift er in „Daasdorf“ eine Dorfkirche aus Daasdorf nahe Weimar auf. Doch löst er das Motiv in kubische Elemente auf.

Und dann ist da noch die Künstlerin Lis Beyer-Volger. Viele kennen ihr Porträtfoto, aber nicht ihren Namen. Sie wurde 1906 in Hamburg geboren und studierte zunächst in Weimar, dann in Dessau. Sie wurde von Johannes Itten, Paul Klee und Wassily Kandinsky unterrichtet und lernte bei Muche und Gunta Stölzl die Weberei. Ab 1928 beteiligte sie sich an der Produktion von Musterstoffen und entwarf ein für die Zeit gewagtes Bauhaus-Kleid. Das geometrisch geschnittene Kleid endete knapp über dem Knie. Für das Jahr 1928 ein Skandal. Lis Beyer-Volger und ihr Mann lebten in Krefeld. Nach dem Tod ihres Mannes erkrankte Lis Beyer-Volger, zog zu ihrer Tochter nach Süchteln und starb dort 1973. Aber das ist eine neue Geschichte ...

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