Erfolg der Kunstbewegung Wie Krefeld um das Bauhaus warb

Krefeld · Auch die Seidenweberstadt hat viel zum Ruhm der Kunstbewegung beigetragen. Beinahe hätte das Bauhaus nach seiner Vertreibung aus Weimar sogar in Krefeld Fuß gefasst.

Freizeittipp für NRW: Krefelds spannende Architektur
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Architektur entdecken in Krefeld

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Foto: Bauch, Jana (jaba)

Wer sich in Dessau einer Führung durch das Bauhaus anschließt, erfährt viel über Weimar, Dessau und Berlin, aber nichts über Krefeld. Dabei hat auch Krefeld viel zum Ruhm dieser weltweit ausstrahlenden Gestaltungsschule beigetragen.

Beinahe hätte das Bauhaus nach seiner Vertreibung aus Weimar sogar in Krefeld Fuß gefasst, und das kam so: In der Zeit der Weimarer Republik galten Lehrer, Schüler und Bewunderer des Bauhauses als links und internationalistisch. Politisch rechte Parteien lehnten das Bauhaus wegen dessen Neuerungsbestrebungen in Fragen der Gestaltung ab. Als sich die Machtverhältnisse nach der Landtagswahl in Thüringen 1924 geändert hatten, kürzte die Regierung den Etat um die Hälfte. Daraufhin boten sich andere Städte als Standorte an, vor allem Dessau, Köln und Krefeld.

In Köln zerschlug sich der Plan, weil Oberbürgermeister Konrad Adenauer sich stattdessen zur Gründung der Kölner Werkschulen entschloss. Dessau und Krefeld aber standen in harter Konkurrenz miteinander. In beiden Fällen warben Stadtspitze und örtliche Industrie um die Bauhäusler.

In Krefeld war besonders die Textilindustrie daran interessiert, vom Bauhaus neue Impulse zur Gestaltung ihrer Produkte zu bekommen. Sie hätte sich das auch etwas kosten lassen.

 Die Halle in Haus Lange, entworfen von Ludwig Mies van der Rohe — zwischen 1928-1930.

Die Halle in Haus Lange, entworfen von Ludwig Mies van der Rohe — zwischen 1928-1930.

Foto: Privat/Berliner Bildbericht

Dessau kam schließlich zum Zuge, weil dort der Flugzeugbauer Hugo Junkers eine großzügige Förderung in Aussicht stellte und in der Stadt eine stabile sozialdemokratisch und liberal orientierte Mehrheit herrschte, so dass dem Bauhaus dort zumindest einstweilen ein gutes politisches Klima für seine Ziele garantiert schien. Als aber 1931 die NSDAP die Gemeindewahl gewann, setzte sie die Schließung des Bauhauses durch.

Als private Einrichtung zog es für zwei Jahre nach Berlin, dann zwangen die Nationalsozialisten es zur Selbstauflösung. Nur im Ausland lebte das Bauhaus fort, in Tel Aviv und Chicago — und erstaunlicherweise im nationalsozialistischen Krefeld.

 Hermann Lange und Josef Esters um 1925.

Hermann Lange und Josef Esters um 1925.

Foto: Privat/Stadt krefeld
Das sind berühmte Möbel im Bauhaus-Stil
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Die Krefelder Kunsthistorikerin und Bauhaus-Spezialistin Christiane Lange leitet ein Projekt, mit dem das Land Nordrhein-Westfalen einen Beitrag zum Bauhaus-Jubiläum liefert. Dabei geht es vor allem um Forschungen, in deren Mittelpunkt die Verbindungen des Bauhauses zu Krefeld stehen und welche die Gerda-Henkel-Stiftung in Düsseldorf finanziert.

Christiane Lange kennt bereits einen Teil der Ergebnisse und kann auch aus diesem Wissen viele Fragen zum Thema „Bauhaus in Krefeld“ beantworten, zum Beispiel: Wie ist es den Bauhäuslern in Krefeld gelungen, trotz ihres politisch unerwünschten Neuerungsimpulses die NS-Zeit unbeschadet zu überstehen? Immerhin waren 25 Bauhäusler von Dessau herübergekommen, und da einige von ihnen an der Schule für Textildesign lehrten, muss man ihre Schüler hinzurechnen.

Ihre Anstellung bei einer städtischen oder privaten Institution schützte sie vor Verfolgung. Denn sie galten nicht als freie Künstler, sondern als Architekten in städtischen Diensten, Lehrer oder Gestalter industrieller Produkte. Der Maler und Grafiker Georg Muche etwa leitete von 1939 bis 1958 die Krefelder Meisterklasse für Textilkunst, die zwar selbstständig, formal aber der Höheren Fachschule für Textilindustrie angegliedert war.

Architektonisch ist Krefeld in die Geschichte des Bauhauses eingegangen, weil es den einzigen Industriebau Ludwig Mies van der Rohes beherbergt, eine Färberei mit angeschlossenem Verwaltungsbau für die Vereinigten Seidenwebereien AG, der bis heute bestehenden Verseidag. Mies entwarf sie noch vor seiner Emigration in die USA nach Vorgaben der Auftraggeber: ein zunächst zweigeschossiges, dann nach Mies‘ Plänen auf vier Etagen erhöhtes, lichtdurchflutetes Gebäude mit Sheddächern, dessen ästhetischer Wert maßgeblich auf seinen Proportionen beruht.

Mies van der Rohe entwarf in Krefeld auch das Haus Lange, eine Bauhaus-Architektur, die dem Verseidag-Gründer und Kunstsammler Hermann Lange als Wohnhaus diente und heute eine Ausstellungs-Dependance des Kaiser-Wilhelm-Museums ist.

Christiane Lange, Urenkelin von Hermann Lange, hat dieses Haus zwar nicht mehr als Wohnhaus kennen gelernt, doch sie ist im Bauhaus-Ambiente aufgewachsen und räumt aus eigener Erfahrung mit einem Vorurteil auf: Bauhaus-Häuser waren nicht ungemütlich. Mit 24 Jahren saß sie bei einer Großtante in der Schweiz erstmals auf einem Freischwinger von Mies und an einem Tisch von dessen Lebensgefährtin Lilly Reich. Und sie lernte, dass auch Textilien zum Repertoire des Bauhauses zählten und Bilder an den Wänden zur Ausstattung gehörten, wie auch bei ihrer Großtante in Krefeld.

Christiane Lange kennt die einstige Innengestaltung von Haus Lange zumindest von Fotografien: Perserteppiche, starkfarbige Kunst an den Wänden, Vorhänge, Polstermöbel, Bücherregale, sogar eine Orgel. „Wir haben heute eine etwas einseitige Wahrnehmung der Moderne“, bedauert sie.

Ihr Vater lebte als Kind noch in Haus Lange. „Das Haus war sehr geordnet“, so gab er ihr seine Erinnerung weiter: „Ein Haushalt mit Angestellten.“ Und er hatte einen Heidenspaß, über die versenkbaren Fenster auf die Terrasse zu klettern. So hat das Bauhaus auch seine heiteren Seiten.

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