Fakten & Hintergrund - Im Märzen der Bauer . . . So läuft die Ausbildung zum Landwirt

Kempen · Vielfalt, wechselnde Lehrbetriebe, enorme Wissensvermittlung und viel Arbeit unter freiem Himmel – dafür steht die Ausbildung in der Landwirtschaft. Jakob Mevißen (20) lernt beim Kempener Landwirt Heinz-Wilhelm Tölkes.

 Johanna und Heinz-Wilhelm Tölkes mit Azubi Jakob Mevissen und Mitarbeiter Andrej Prespolewskib (er wohnt im Haushalt) pflanzen Setzlinge ein.

Johanna und Heinz-Wilhelm Tölkes mit Azubi Jakob Mevissen und Mitarbeiter Andrej Prespolewskib (er wohnt im Haushalt) pflanzen Setzlinge ein.

Foto: Wolfgang Kaiser

6.30 Uhr: gemeinsames Frühstück, 7 Uhr: Start mit der Düngestreuung von 45 Hektar Kartoffeln, gemeinsames Mittagessen mit Pause, Fahrt zum Schlachthof mit einem Anhänger voller Schweine, gemeinsames Kaffeetrinken, der Aufbau einer Regenmaschine, die Versorgung der Tiere auf dem Hof und die Vorbereitung der Kohlpflanzen für den nächsten Tag zur Auspflanzung, gemeinsames Abendessen um 18.30 Uhr – würde Jakob Mevißen ein Tagebuch führen, so hätte dieser Tag diese Eintragungen erhalten. Der 20-Jährige ist in der dreijährigen Ausbildung zum Landwirt beim Kempener Landwirt Heinz-Wilhelm Tölkes.

Der nächste Tag würde zwar auch mit einem gemeinsamen Frühstück um 6.30 Uhr starten, aber die Arbeiten an sich sähen wieder anders aus. „Wer sich für eine Ausbildung in der Landwirtschaft entscheidet, der entscheidet sich für einen abwechslungsreichen Beruf. Jeden Tag das Gleiche tun, gibt es nicht“, sagt Tölkes. Die ausgebildeten Gesellen sind stark gefragt. Für die heutige hochtechnisierte Landwirtschaft werden Fachkräfte gesucht, die eigenständig arbeiten und ganze Betriebsabläufe betreuen können.

Drei Jahre Lehrzeit

Die Ausbildung an sich läuft über drei Jahre und kann mit Abitur um ein Jahr verkürzt werden. Generell gibt es keinen vorgeschriebenen Abschluss. „Ich hatte einen Mitschüler in der Klasse, der gar keinen Abschluss hatte. Er hat die Ausbildung hervorragend gemeistert und mit dem Bestehen der Gesellenprüfung gleichzeitig seinen Hauptschulabschluss erhalten“, berichtet Carolin Schleupen, die zu ihrer Zeit mit bestandenem Abitur die Ausbildung direkt mit dem zweiten Lehrjahr beginnen konnte. Sie ist heute auf dem elterlichen Hof im Einsatz.

 Heinz-Wilhelm Tölkes (links) erklärt den Aufbau einer Kartoffelpflanze, mit dabei Lukas und Johanna Tölkes und Jakob Mevissen (rechts).

Heinz-Wilhelm Tölkes (links) erklärt den Aufbau einer Kartoffelpflanze, mit dabei Lukas und Johanna Tölkes und Jakob Mevissen (rechts).

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

Dass man unbedingt aus der Landwirtschaft kommen muss, um Bauer werden zu können, ist aber keine Voraussetzung. „Wir hatten schon Lehrlinge, die aus der Stadt kamen und mit der Landwirtschaft nichts zu tun hatten, aber gerne den Beruf erlernen wollten. Wichtig ist, dass man einen Blick für die Natur sowie Freude an der Ausbildung hat und der Willen da ist, diese Lehre zu machen“, sagt Landwirt Heinz-Wilhelm Tölkes.

Mindestens in zwei Betrieben

Die Ausbildung zum Landwirt unterscheidet sich in einem Punkt grundsätzlich von anderen Ausbildungen. Sie findet nicht nur in einem Betrieb statt. Mindestens zwei Betriebe sind involviert, da die Lehrlinge sowohl in einem landwirtschaftlichen Betrieb arbeiten müssen, der sich mit der Nachzucht beschäftigt. Zudem muss der Part Ackerbau abgedeckt werden. Es gibt zwar Betriebe, die beides anbieten, aber nichtsdestotrotz heißt es im Rahmen der Lehrzeit, mindestens für ein Jahr den Ausbildungsbetrieb zu wechseln.

Für den jungen Menschen, der eine Lehrstelle sucht, bedeutet dies: Er muss selber zwei Betriebe finden, in denen er lernt. „Hier unterstützt die Landwirtschaftskammer, die in ihrem Internetauftritt alle Betriebe mit Adresse, Kontakt und Betriebsart nennt, und das für ganz Deutschland. Außerdem wird angezeigt, wann noch Stellen frei sind. Dazu gibt es einen Ausbildungsberater, der Interessenten weiterhelfen kann“, sagt Heinz-Wilhelm Tölkes. Zwei Jahre in Kempen mit einem weiteren Jahr in Bayern sind so auch möglich.

 Auch Treckerfahren will gelernt sein. Auszubildender Jakob Mevissen lernt mit unterschiedlichen landwirtschaftlichen Fahrzeugen klarzukommen.

Auch Treckerfahren will gelernt sein. Auszubildender Jakob Mevissen lernt mit unterschiedlichen landwirtschaftlichen Fahrzeugen klarzukommen.

Foto: Wolfgang Kaiser


Auch überbetrieblicher Unterricht

Die Berufsschule wird entsprechend gewechselt, wobei in Nordrhein-Westfalen wöchentlicher Unterricht die Regel ist. Die Berufsschulen befinden sich unter anderem in Willich und Kleve. Dazu kommt überbetrieblicher Unterricht bei den Lehr- und Versuchsanstalten Rheinland und Westfalen, der im Block stattfindet. Es gibt zudem Berufswettbewerbe, die auf Bundesebene organisiert werden. Auszubildende können dort Stipendien erlangen. Das Besondere an der Ausbildung zum Landwirt ist aber: Sie gibt es mit Familienanschluss. „Der Azubi gehört wirklich mit zur Familie. Oft ist es so, dass er oder sie auch mit auf dem Hof wohnt“, sagt Claudia Tölkes.

Die Auszubildenden werden aktuell mit dem Problem des Wassermangels, der daraus resultierenden Beregnung der Ackerflächen und dem entsprechenden Wachstum auf den verschiedenen Bodenqualitäten genauso konfrontiert wie mit dem Problem „Wildfraß“ durch Tauben und Gänse.

Studium kann sich anschließen

Mit einer erfolgreich abgelegten Gesellenprüfung stehen einem Landwirt etliche Weiterbildungsmöglichkeiten offen. Er kann unter anderem Agrarwissenschaft studieren, den staatlich geprüften Agrarbetriebswirt in zwei Jahren Vollzeit oder den Meister machen. Die späteren Einsatzmöglichkeiten gehen weit über landwirtschaftliche Betriebe hinaus.

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