Gesundheitsminister contra Landrat Corona-Tests: Spreen in der Defensive

Kreis Kleve · Landrat Wolfgang Spreen zögert bei Kontrollen in Leiharbeiter-Unterkünften, obwohl er es könnte und alle anderen Landräte auch tun. Das Ministerium kann das nicht verstehen. In Emmerich geht derweil die Sorge um Ansteckung um.

 Diese Leiharbeiter-Unterkunft steht unter Quarantäne. Die Dorfbewohner in Praest sind in Sorgen und fordern den Landrat zum Handeln auf.

Diese Leiharbeiter-Unterkunft steht unter Quarantäne. Die Dorfbewohner in Praest sind in Sorgen und fordern den Landrat zum Handeln auf.

Foto: Christian Hagemann

In den Städten geht die Angst um vor Corona-Hotspots in den Leiharbeiter-Unterkünften. Und tatsächlich gibt es in Emmerich-Praest eine Unterkunft, die unter Quarantäne gestellt worden ist. Zwei Leiharbeiter sind an Covid-19 erkrankt. Von Praest aus werden die Rumänen jeden Tag zum Schlachthof nach Holland gefahren. Jetzt nicht mehr.

Ein Beispiel dafür, dass auch in anderen Sammelunterkünften in Emmerich, Kleve, Goch oder Kranenburg solche Erkrankungen vorliegen können.

NRW-Gesundheitsminister Laumann hat vor mehr als einer Woche per Erlass die Gesundheitsämter der Kreise ermächtigt, in die Unterkünfte zu gehen und zu testen. Gemeinsam mit den Ordnungsämtern und dem Arbeitsschutz der Städte. Doch im Kreis Kleve geschieht das nicht.

Der Grund: Landrat Spreen sieht ein juristisches Problem, so lange nicht klar ist, dass wirklich alle Menschen in einer Sammelunterkunft tatsächlich auch auf einem Schlachthof in den Niederlanden arbeiten. Sonst würden nicht die Ausnahmeregelungen des Infektionsschutzgesetzes greifen, argumentiert er.

Die Kreisverwaltung schreibt an die Rheinische Post: „(...) In diesem Zusammenhang ist der Erlass des MAGS (Gesundheitsministerium NRW, Anm. d. Red.) vom 13. Mai 2020 zu sehen, der darum bittet, sicherzustellen, dass in geeigneter Weise Unterkünfte von Personen überprüft werden, die zwar in der niederländischen Fleischindustrie tätig sind, aber in Nordrhein-Westfalen wohnen. (...) Entscheidende Voraussetzung für ein Tätigwerden nach dem Erlass ist u.a., dass feststeht, dass die Unterkunft von einer Person bewohnt wird, die in der niederländischen Fleischindustrie arbeitet.“

Dass im Gesundheitsministerium eine andere Rechtsauffassung herrscht und der Minister-Erlass auch anders zu verstehen ist, macht eine Antwort deutlich, die ein Sprecher auf eine entsprechende Anfrage der Rheinische Post gab. Er schreibt eindeutig: „Es gibt keine rechtlichen Einschränkungen auf bestimmte Personenkreise mit bestimmten Tätigkeitsprofilen oder Arbeitgebern.“ Und er fügt den Paragrafen 16 des Infektionsschutzgesetzes an. In Absatz eins heißt es dort: „Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren (...)“

Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung werde im Infektionsschutzgesetz in so einem Fall  eingeschränkt.

Derweil geht in Praest die Angst um vor Ansteckung. Der Ortsvorsteher Markus Meyer hat einen Brief an Landrat Spreen geschrieben. Aus der Zeitung habe er erfahren, dass das Haus der Leiharbeiter unter Quarantäne gestellt worden sei. Die Bevölkerung sei nicht vom Kreis informiert worden. Die Quarantäne reiche nicht aus. Alle Bewohner des Hauses müssten getestet werden.  Dabei sei es unerheblich, ob es Mitarbeiter eines Fleischbetriebes oder eines anderen Betriebes seien. „Es leben ja schließlich alle in der Unterkunft.“

Meyer fordert den Landrat unmissverständlich zum Handeln auf: „Als Landrat tragen sie die Verantwortung für die Einwohner des Kreises Kleve. Herr Laumann hat Sie gerade in solch einem Fall dazu ermächtigt, diese Schritte auszuführen. Wir können Ihre Haltung nicht nachvollziehen.“

Und Meyer schildert die Gefühlslage in einem Dorf mit einem möglichen Corona-Hotspot: „Ich möchte mir gar nicht vorstellen, dass sich in unserem Dorf bei der Bäckerei noch mehr infiziert haben.“

Meyers Sorgen gehen noch weiter:  „Wer kümmert sich jetzt um die Bewohner, wer kauft für sie ein und organisiert den Alltag der Menschen vor Ort? Von wem wird die Quarantäne überwacht und wer entscheidet über das weitere Vorgehen mit den Bewohnern?“

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