Interview mit Flughafenchef Schnalke „Der Umfang des Streiks hat uns überrascht“

Düsseldorf · 350 Flüge muss der Flughafen Düsseldorf am Donnerstag streichen - kein Wunder, dass Airport-Leiter Thomas Schnalke auf eine friedliche Einigung hofft. Er rechnet dieses Jahr mit 25 Millionen Passagieren – so viele wie nie. Und er denkt über ein Parkhaus für autonom fahrende Autos nach.

 Flughafen-Chef Thomas Schnalke. (Archiv)

Flughafen-Chef Thomas Schnalke. (Archiv)

Foto: Anne Orthen (ort)/Orthen, Anne (ort)

Herr Schnalke, am Flughafen gibt es einen Warnstreik des Sicherheitspersonals. Was meinen Sie?

Schnalke Streiks sind ein legitimes Mittel im Arbeitskampf. Der Umfang der angekündigten Maßnahmen hat uns in der Branche überrascht. Im Sinne aller Reisenden appelliere ich deshalb an eine schnelle Einigung am Verhandlungstisch und Augenmaß beim Umfang der Streikmaßnahmen.

Was ist der wichtigste Rat?

Schnalke Der Flughafen hat sich gemeinsam mit Airlines und Behörden bestmöglich auf den Streik vorbereitet. Dennoch müssen Passagiere mit längeren Wartezeiten und Flugausfällen rechnen. Alle Passagiere, die im Streikzeitraum einen Flug ab Düsseldorf geplant haben, werden gebeten, sich vor Anreise zum Flughafen unbedingt bei ihrer Airline oder dem Reiseveranstalter über den aktuellen Stand ihres Fluges zu informieren. Wir bitten zudem alle Passagiere, frühzeitig zum Flughafen zu kommen und ihr Handgepäck auf ein Minimum zu reduzieren, um die Kontrollen zu beschleunigen. Im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten wird Handgepäck durch die Airlines eingecheckt.

Sehen Sie sich darin bestärkt, dass die Flughäfen die Sicherheitsdienste für die Passagierkontrollen selber managen wollen?

Schnalke Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun. Tarifauseinandersetzungen sind Teil unserer Lebenswirklichkeit – mit allen Konsequenzen, die das für Unbeteiligte mit sich bringt. Die deutschen Flughäfen setzen uns hingegen grundsätzlich für mehr Einfluss bei der Organisation und Steuerung der Sicherheitskontrollen im Auftrag der Bundespolizei ein, weil wir sicher sind, dass wir das im Sinne unserer Kunden besser können.

Was überwiegt beim Rückblick auf 2018? Die Freude über den weitgehenden Ersatz der Ende 2017 weggefallenen Kapazitäten von Air Berlin oder Ärger, weil es so viele Verspätungen, Nachtlandungen und Flugausfälle wie nie gab?

Schnalke Wir haben am Flughafen gemeinsam Großes geleistet. Alle 20.000 Mitarbeiter am Campus haben zu diesem Erfolg beigetragen. Den Wegfall eines Drittels des Verkehrs binnen eines Jahres zu kompensieren, die alles andere als selbstverständlich war. Mit 24,3 Millionen Passagieren war 2017 das zweiterfolgreichste Jahr unserer Geschichte. Wir haben also allen Grund zufrieden zu sein.

Und die Probleme?

Schnalke Die Sicherheitskontrollen liefen 2018 praktisch reibungslos. Hier haben wir gemeinsam mit  Bundespolizei und der Firma Kötter einen großen Schritt gemacht. Generell haben wir die Qualität der Abfertigung deutlich verbessert. Allerdings hatte der deutsche Luftverkehr spürbare Probleme mit der Pünktlichkeit. Die Wiedereingliederung der Air-Berlin-Kapazitäten bei anderen Airlines war komplexer als erwartet, in Frankreich und Italien haben die Fluglotsen gestreikt, die deutsche Flugsicherung kämpfte mit personellen Engpässen. Ich sehe aber eine deutliche Tendenz nach oben: Im November/Dezember hatten wir ein Viertel mehr Flüge, aber 66 Prozent weniger Nachtlandungen als im Vorjahreszeitraum.

Also wird 2019 alles wieder gut?

Schnalke Der Luftverkehr in ganz Deutschland soll wieder verlässlicher werden, als er es 2018 vielfach war. Zu diesem Zweck haben Politik und Unternehmen im Oktober in Hamburg ein umfassendes Maßnahmenpaket vereinbart, das nun abgearbeitet wird. Viele Maßnahmen lassen sich schnell umsetzen, andere – wie zum Beispiel die Ausbildung weiterer Fluglotsen – brauchen Zeit. Aber die  Richtung stimmt. Deshalb glaube ich, dass 2019 vieles besser wird.

Wie viele Passagiere erwartet Düsseldorf für 2019?

Schnalke Wir rechnen mit über 25 Millionen Passagieren, mehr als je zuvor. Viele Airlines erhöhen ihre Frequenzen zu bestehenden Zielen oder nehmen neue ins Programm auf. Eurowings als Marktführer leistet hier im Europaverkehr und auf der Langstrecke einen wichtigen Beitrag ebenso wie Condor, Tuifly, Laudamotion und viele andere Airlines.

Stört es Sie, dass Eurowings im Gegensatz zu Air Berlin die US-Westküste nicht anfliegt?

Schnalke Mit rund 100 wöchentlichen Langstreckenabflügen sind wir schon sehr zufrieden, darunter elf Ziele in den USA und der Karibik. Mit Eurowings und anderen Partnern sprechen wir bereits über neue Ziele und denken auch an die US-Westküste. Der Aufbau einer neuen Langstrecke braucht aber deutlich mehr Zeit und Vorplanung als im Europaverkehr. Von daher geht es hier etwas langsamer voran. Doch die Nachfrage auf Passagierseite ist definitiv vorhanden.

Auch mehr Direktflüge nach Asien und insbesondere China würden viele Kunden schätzen.

Schnalke Asien ist ohne Zweifel ein sehr wichtiger Markt. Ab Düsseldorf gibt es Direktflüge nach Tokio, Peking, Bangkok und Singapur sowie drei tägliche Flüge in die Golfstaaten mit guten Umsteigeverbindungen. Aber Sie haben recht: Mehr Nonstop-Flüge insbesondere nach China wären eine tolle Sache.

Woran hakt es?

Schnalke In erster Linie an den Verkehrsrechten zwischen China und der Deutschland. Darin wird bilateral festgelegt, wie viele Verbindungen zwischen Ländern stattfinden dürfen.

Weitere Verkehrsrechte nach Asien verhindert Lufthansa, um ihre schon zugelassenen Routen ab Frankfurt und München auszulasten?

Schnalke Für diese Frage bin ich der falsche Ansprechpartner.

Um mehr Flüge abzufertigen, brauchen Sie mehr Flugrechte pro  Stunde. Wann rechnen Sie mit einer Genehmigung Ihres Antrages auf deutlich höhere Kapazitäten?

Schnalke Der Antrag wird im NRW-Verkehrsministerium nach Recht und Gesetz bearbeitet. Wir sind im engen Dialog zu nachgefragten Details. Natürlich hoffen wir auf eine zeitnahe und positive Entscheidung. Wann das sein wird, müssen wir alle miteinander abwarten.

Kleinere Airports wie Dortmund oder Weeze sind skeptisch gegenüber mehr Flügen ab Düsseldorf, weil das ihren Verkehr absaugen könnte.

Schnalke Passagiere entscheiden selbstständig, wo sie abfliegen wollen. Aufgabe aller NRW-Flughäfen ist es, so attraktiv wie möglich zu sein. Die aktuelle Betriebsgenehmigung von 2005 hat unseren Marktanteil in NRW nicht nennenswert erhöht. Statt über Passagierströme zu reden, würde es mich freuen, wenn alle NRW-Airports häufiger gegenüber Politik und Öffentlichkeit ihre gemeinsamen Interessen vertreten würden. Gemeinsam könnten wir darüber hinaus Herausforderungen in Zukunftsbereichen wie Mobilität oder Digitalisierung noch besser angehen.

Es gibt Gerüchte, das Verkehrsministerium wolle Ihnen tagsüber höhere Kapazitäten zugestehen, doch zum Ausgleich eine härtere Nachtflugregelung durchsetzen.

Schnalke Geredet wird naturgemäß viel. An Spekulationen beteiligen wir uns nicht.

Eurowings hat angekündigt, dass jedes Flugzeug laut Flugplan bis 22.15 Uhr landen soll, damit bei Verspätungen wenigstens kein Jet nach 23 Uhr als Ende der regulären Flugzeit herunterkommt. Begrüßen Sie dies oder sehen Sie das als Vorbote einer härteren Nachtflugregelung?

Schnalke Es freut mich, dass Eurowings diese Maßnahme umsetzt. Die deutschen Airlines haben sich in Hamburg verpflichtet, ihre Flugpläne zu entzerren und falls notwendig Ersatzmaschinen vorzuhalten. Das ist ein richtiger Schritt. Unser gemeinsames Ziel ist es ja, die Zahl der Landungen nach 23 Uhr spürbar zu reduzieren. Die Möglichkeit, bei Verspätungen bis Mitternacht landen zu können, brauchen die Airlines dennoch für ihre hier stationierten Flugzeuge.

Eurowings als Marktführer in Düsseldorf erklärt, der Flughafen solle erst die Qualität erhöhen, bevor höhere Kapazitäten genehmigt werden.

Schnalke Wir sind in intensiven Gesprächen mit allen Airlines, wie wir gemeinsam die Prozesse verbessern können. Im Interesse unserer Kunden drängen wir beim Gepäck durch die von den Airlines ausgesuchten Dienstleister auf bessere Leistungen. Wir haben extra eine Eingreiftruppe aufgebaut, die die Airlines unterstützt, wenn deren Dienstleister nicht leisten können. Für das Gepäckhandling ist und bleibt die Fluggesellschaft verantwortlich. Während wir gemeinsam die Qualitätsfragen kurzfristig lösen müssen, sprechen wir bei den Kapazitäten allerdings von einem weiteren Zeithorizont.

Die Anreise zum Flughafen ist häufig mit Staus verbunden. Was muss sich tun?

Schnalke Wir begrüßen alle Schritte, die die Verkehrssituation verbessern. Es ist gut, dass der RRX den Flughafen noch besser anbinden wird. Wir finden es auch positiv, wenn die Stadt Düsseldorf die U81 bis zum Airport führt. All das entlastet die Straße. Darüber hinaus stellen wir uns auf ganz neue Mobilitätskonzepte ein. In nicht allzu ferner Zeit werden weniger Kunden mit ihrem eigenen Auto zum Airport fahren, um es dann hier zwei Wochen stehen zu lassen.

Was ist geplant?

Schnalke Wir wollen die Flächen für E-Autos und Carsharing-Angebote erhöhen. Wir denken über ein Parkhaus nach, in dem Autos selbstständig parken. Wir prüfen, autonom fahrende Busse  einzusetzen. Auch können wir uns vorstellen, dass ein Partner Kunden mit einer eigenen Fahrzeugflotte zu Hause abholt. Wir denken hier sehr frei.

Am digitalen Wesen soll die Welt genesen?

Schnalke Unser Geschäft ist Mobilität für den Kunden von zu Hause bis nach Hause. Also müssen wir im Interesse unserer Kunden die Verkehrsträger miteinander vernetzen. Die Digitalisierung hilft uns dabei enorm.

Aber die neue Parkregelung direkt vor den Terminals irritiert manche Kunden.

Schnalke Die Einführung der neuen Kiss&fly-Zone war ein großer Erfolg. Vorher war der Verkehr vor dem Terminal fast täglich untragbar. Heute ist die Situation vor dem Terminal absolut entspannt, der Verkehr läuft reibungslos und mehr als 95 Prozent der Fahrern reichen die zehn kostenlosen Minuten, um ihre Liebsten entspannt zu verabschieden.

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