Braunkohle-Ausstieg Pinkwart streitet mit NRW-Wirtschaft
düsseldorf · Drei IHK-Präsidenten fordern einen neuen Braunkohle-Beauftragten. Minister Pinkwart spricht von einem „Affront“.
Zwischen der Landesregierung und der rheinischen Wirtschaft ist ein offener Streit um den Braunkohleausstieg ausgebrochen. Die Industrie- und Handelskammern Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein fordern einen neuen Landesbeauftragten für die Begleitung des Braunkohleausstieges. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) fühlt sich offenbar angegriffen und spricht von einem „Affront gegenüber dem Land“.
Denn faktisch liegt diese Aufgabe derzeit bei ihm: In Berlin berät eine hochkarätig besetzte „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ im Auftrag der Bundesregierung über ein vorzeitiges Ende des Braunkohleabbaus in Deutschland und über Fördergelder, mit denen der Strukturwandel in den betroffenen Regionen unterstützt werden kann.
Wichtigster Ansprechpartner der Kommission in der NRW ist Wirtschafts- und Energieminister Andreas Pinkwart. Der Liberale muss dafür sorgen, dass die in NRW besonders energieintensive Industrie durch einen vorgezogenen Braunkohleausstieg möglichst geringen Schaden nimmt. Außerdem will er mit aussichtsreichen Projekten dafür erreichen, dass NRW ein möglichst großes Stück vom Berliner Strukturwandel-Fördergeld-Kuchen abbekommt.
Nun haben die IHK-Präsidenten Elmar te Neues (Mittlerer Niederrhein), Werner Görg (IHK Köln) und Wolfgang Mainz (Aachen) einen Brandbrief an die Kommission, die Bundes- und die Landesregierung geschrieben. Das Papier liegt unserer Redaktion vor und kann hier heruntergeladen werden. Die Unterzeichner repräsentieren 300.000 Unternehmen mit rund 1,8 Millionen Beschäftigten in der Region. Sie äußern in dem Papier die Sorge, dass die Interessen der Wirtschaft beim Braunkohle-Ausstieg zu kurz kommen. „Es muss sichergestellt werden, dass die Industrie weiterhin mit Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen versorgt wird“, heißt es in dem Brief.
NRW habe mit einer Leitentscheidung 2016 Planungssicherheit für das Rheinische Revier und den Braunkohleabbau bis Mitte der 2040-er Jahre geschaffen. „Dies wird nun in Frage gestellt“, heißt es in dem Brief. Die IHK-Präsidenten fordern daher „eine Vision für das Rheinische Revier, die landesweit verankert und geschätzt ist. Daher wird die Landesregierung aufgefordert, in Ergänzung zu den bestehenden Strukturen einen Landesbeauftragten für das Rheinische Revier zu ernennen“, so die Präsidenten.
Der energiepolitische Sprecher der SPD im Landtag, Frank Sundermann, verweist auf die Brisanz dieser Forderung: „Bemerkenswert ist, dass die Wirtschaft den Entwurf einer solchen Vision dem NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart offenbar nicht zutraut“, sagt Sundermann. Entsprechend empflindlich reagierte Pinkwart selbst. In einer schriftlichen Stellungnahme erklärt der Minister auf Anfrage unserer Redaktion: „Wenn die IHKn jetzt in der Schlussphase der vom Land mit der Kommission und dem Bund zu führenden Gespräche plötzlich einen Revierbeauftragten fordern, kann dies nur als Affront gegenüber dem Land und damit als Schwächung der Verhandlungsposition in Berlin verstanden werden.“
Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, ist überrascht von der ministerialen Reaktion. Er versucht die Wogen zu glätten: „Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um eine Kritik an der Landesregierung NRW oder gar des Landeswirtschaftsministers handelt.“ Im Gegenteil schätze man „die engagierte und zielorientierte Arbeit unseres Ministers“.
Kritik an der Wirtschaftspolitik des Landes kam unlängst allerdings auch von NRW-Unternehmerpräsident Arndt G. Kirchhoff, der gegenüber der WAZ auf Tempo bei der Ruhrkonferenz drängte. Die Konferenz begleitet unter Regie des Landes den Strukturwandel im Ruhrgebiet. „Bisher sind nur Arbeitsgruppen eingerichtet, getagt hat noch keine“, zitiert die Zeitung den Wirtschaftsfunktionär.
Der Brandbrief der IHK-Präsidenten enthält weitere Forderungen, die in ähnlicher Form allerdings schon bekannt sind: unter anderem eine permanente Anpassung der Ausstiegspläne an aktuelle Gegebenheiten. Pinkwart erklärte, bei den übrigen Punkten bestehe zwischen den IHKn und der Landesregierung Konsens.