Generationenkonflikt in der NRW-CDU Schlappe für Elmar Brok trifft auch Armin Laschet

Düsseldorf/Brüssel · Elmar Brok ist eine Institution in der Europapolitik. Und ein prominenter CDU-Politiker aus Ostwestfalen-Lippe. Doch die NRW-CDU ließ ihn bei der Listenaufstellung zur Europawahl trotzdem durchfallen - obwohl Landeschef Armin Laschet sich für ihn einsetzte.

 Elmar Brok im Jahr 2017.

Elmar Brok im Jahr 2017.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Europawahl im Mai schien für den Christdemokraten Elmar Brok eine ausgemachte Sache. Der Mann ist ein europäisches Urgestein. Seit 1980 sitzt er im Europaparlament und ist damit dienstältester Abgeordneter. Mit seinen 72 Jahren gilt er als einer der einflussreichsten und am besten vernetzten Politiker in Brüssel.

Und es schien alles perfekt eingestielt: Der innere Zirkel des NRW-CDU-Landesvorstandes hatte den vierten Platz auf der Liste des Landesverbands für Brok vorgesehen – die ersten sieben Listenplätze gelten als sichere Bank. Aber es kam ganz anders.

Der geschäftsführende Vorstand der NRW-CDU konnte sich am späten Montagabend mit seinem Plan für die Aufstellung der 17-köpfigen Europa-Wahlliste nicht im Gesamtvorstand durchsetzen. Brok, der zunächst auf Platz vier der Liste gesetzt war, hatte Teilnehmern zufolge angeboten, sich zugunsten jüngerer Kollegen freiwillig auf Platz sechs zurückstufen zu lassen. Aber dann forderte der mächtige Bezirksvorsitzende Günter Krings (Niederrhein) statt des ursprünglich vorgesehenen Listenplatzes acht für den Niederrheiner Stefan Berger ebenfalls Platz sechs und erhielt offenbar Rückendeckung von Ruhrgebiets-CDU-Chef Oliver Wittke. Bei der Kampfabstimmung unterlag Brok dann mit 17 zu 20 Stimmen gegen Berger, so dass Brok auf dem Listenvorschlag des CDU-Landesvorstands nun gar nicht auftaucht.

Mehrere Mitglieder des CDU-Landesvorstands, die nicht genannt werden möchten, wollen Brok im Vorfeld signalisiert haben, er sei für eine erneute Kandidatur zu alt. „Ich habe ihm klar gesagt, dass er auch mal Platz für Jüngere machen muss“, berichtete einer.

Nun rätseln viele Unionsfürsten, warum Brok seinen ihm zugedachten Listenplatz vier überhaupt zur Disposition gestellt hat. Ganz klar ist der Hergang nicht. Brok schweigt sich aus. Im Umfeld des Landesvorstandes hieß es gestern, Auslöser für die komplizierte Rochade sei in Wahrheit das Hochrücken der Bottroperin Antoinette Bunse gewesen, die der geschäftsführende Vorstand um der Frauenquote willen habe besser platzieren wollen. Erst danach sei Brok nervös geworden und habe eine Kandidatur auf den schlechteren Listenplatz sechs angeboten.

In Brüssel sorgte die Nachricht am Dienstag weit über Broks EVP-Fraktion hinaus für Wirbel. „Es ist eine schlechte Nachricht für Europa, dass die NRW-CDU Elmar Brok nicht wieder aufgestellt hat“, sagte der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold. „Trotz aller politischen Differenzen: Sein Ausscheiden wäre ein großer Verlust für das Europaparlament. Brok ist der europapolitische Erfahrungsschatz der CDU.“

Einige erfahrene EU-Politiker zeigten sich hinter vorgehaltener Hand davon überzeugt, dass NRW-Innenminister Herbert Reul, der zwischen 2004 und 2017 ebenfalls im Europaparlament saß, mit am Stuhl Broks gesägt habe. Reul und Brok, die jede Rivalität immer wortreich von sich gewiesen hatten, waren als Spitzenduo der NRW-CDU in die Europawahl 2014 gezogen. Schon damals hatte es einen zähen Streit gegeben, wer als Nummer eins plakatiert werden sollte.

Brok, der zunächst abtauchte, behielt sich vor, am 26. Januar noch einmal seinen Hut in den Ring zu werfen. Dann verabschiedet die Landesvertreterversammlung der NRW-CDU die Europaliste offiziell. Allerdings müsste Brok dann gegen den Vorschlag des Landesvorstands antreten, der ihn ja nicht mehr vorsieht.

Broks Niederlage bei der Vorstandssitzung ist auch eine Niederlage für CDU-Landeschef Armin Laschet. Er soll auf der Sitzung verärgert gewesen sein. Mehrfach hatte er für Brok das Wort ergriffen – ohne Erfolg. Damit geht eine lange Liste von Personalthemen weiter, bei denen Laschet sich nicht durchgesetzt hat – sei es als NRW-Ministerpräsident, als CDU-Landeschef oder als Vizechef der Bundes-CDU.

So musste seine Umweltministerin Christina Schulze Föcking 2018 schon nach wenigen Monaten im Amt zurücktreten. Zuvor musste Laschets Europa- und Medienminister Stephan Holthoff-Pförtner die Zuständigkeit für den Bereich Medien abgeben. Auch bei der Wahl des Chefs der CDU-Bundestagsfraktion stand Laschet im vergangenen Jahr auf der falschen Seite. Er hatte sich für den damaligen Amtsinhaber Volker Kauder aus Baden-Württemberg ausgesprochen – durchgesetzt hatte sich dann aber Ralph Brinkhaus. Der Mann kommt übrigens aus Gütersloh, also Laschets eigenem Landesverband.

Als die Bundes-CDU im Dezember ihre neue Spitze wählte, kandidierten gleich zwei prominente CDU-Politiker aus Laschets Landesverband. Gegen die Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer konnten sich aber weder Friedrich Merz noch Jens Spahn durchsetzen. Laschet hatte eine öffentliche Positionierung zugunsten von Merz oder Spahn zwar stets vermieden. Trotzdem hätte die Wahl eines dieser beiden Kandidaten auch seine Rolle in der Bundes-CDU gestärkt.

Auch dem Niederrheiner Hermann Gröhe half es wenig, dass Laschet zu seinen engsten Vertrauten zählt. 2014 unterlag Gröhe im Kampf um den mächtigen CDU-Niederrhein-Vorsitz gegen Günter Krings, obwohl wenig später unterlag Gröhe dann auch noch beim Ringen um einen Platz im CDU-Präsidium gegen Jens Spahn. Obwohl Laschet eigens einen Beschluss des Landesvorstands herbeigeführt hatte, der Gröhe als Kandidaten nominierte.

„Personal ist nicht die Stärke von Armin Laschet“, heißt es im Umfeld des Landesvorstandes. Laschet selbst soll hingegen bei einer Sitzung der Fraktion im Landtag gesagt haben, die Causa Brok sei schon deshalb nicht seine Niederlage, weil Brok selbst sich in der Liste habe herabstufen wollen und den Schlamassel damit ausgelöst habe.

Bei der endgültigen Verabschiedung der CDU-Europaliste auf der Landesvertreterversammlung droht Laschet jetzt eine gefährliche Zwickmühle. Am Dienstag brach er zwar noch einmal eine Lanze für Brok. Dieser gehöre „zu den profiliertesten deutschen Europapolitikern“, pries Laschet. „In den absehbar schwierigen Abstimmungsprozessen rund um den Brexit und nach den Europawahlen kommt es auf Köpfe wie ihn an.“ Aber wenn Brok am 26. Januar tatsächlich versucht, doch noch auf die Liste zu kommen, muss Laschet sich entscheiden. Er muss sich dann entweder hinter seinen alten Weggefährten oder hinter seinen Landesvorstand stellen.

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