Schlemmen ohne Reue Stevia - Wie gesund ist der Zucker-Ersatz?

Kalorienarm, extrem süß und pflanzlich: Stevia scheint die Alternative für diejenigen, die gesund naschen wollen, zu sein. Und tatsächlich findet sich das Süßungsmittel in vielen Produkten. Wir verraten, welche Vor- und Nachteile das Mittel hat.

Stevia: 10 Tipps zu Anwendung, Nebenwirkungen und Herkunft
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Gesund oder schädlich - 10 Infos zu Stevia

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Foto: Shutterstock.com / Dionisvera

Dass Zucker ungesund ist, ist kein großes Geheimnis. Er ist voll mit leeren Kalorien, macht dick, ist schlecht für die Zähne, enthält keine Vitamine oder sonstige guten Zutaten. Außerdem kann zu viel Zuckerkonsum zu Diabetes führen. Zucker ist schlecht - das wissen sogar Naschkatzen. Trotzdem wollen die wenigsten deshalb komplett auf Süßes verzichten. Wenn es da nur eine gesunde Alternative gäbe...

Einige glauben, diese gefunden zu haben. Stevia heißt das Zaubermittel, das aus einer Pflanze gewonnen wird und auch von Diabetikern verzehrt werden kann, ohne den Blutzuckerspiegel negativ zu beeinflussen. Aber stimmt das? Ist Stevia ein geeigneter Zuckerersatz? Wir verraten hier die wichtigsten Fakten zum Süßstoff aus der Pflanze.

Was ist Stevia?

Stevia, eigentlich Steviolglycosid, ist ein Süßungsmittel, das aus der Pflanze Stevia rebaudiana gewonnen wird. Die Stevia rebaudiana kommt aus Südamerika, wo die Einheimischen schon lange um ihre starke Süße wissen. In Brasilien und Paraguay wird sie bereits seit Jahrhunderten für die Zubereitung von Getränken und Lebensmitteln genutzt oder als Heilpflanze eingesetzt.

Während in Südamerika bereits in den 1920er Jahren große Plantagen entstanden, auf denen Stevia rebaudiana angebaut wurde, dauerte es länger, bis sie in Europa bekannt wurde. In den 1930ern gelang es zwar bereits französischen Chemikern, die Glycosiden aus der Pflanze zu extrahieren, bis das Süßungsmittel genutzt wurde, vergingen aber noch Jahrzehnte. In Japan wird Stevia seit den 1970ern als Zuckerersatz in Getränken - auch in Coca Cola – eingesetzt. In den 80ern begann Monsanto, die Pflanze und ihre Eigenschaften in den USA zu testen. Allerdings wurde Stevia rebaudiana erst 2008 von der amerikanischen Lebensmittelüberwachungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen.

Europaweit sind Steviolglycoside unter der Kennung E 960 seit Dezember 2011 zugelassen. Das gilt allerdings nur für den aus der Pflanze gewonnenen Süßstoff. Die Pflanze selbst und ihre Blätter sind allerdings nicht als Lebensmittel zugelassen.

Stevia - die gesunde Süße
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Wie wird Stevia verwendet?

Stevia ist ein Süßungsmittel und wird wie anderer Süßstoff als Zuckerersatz verwendet. Das Pulver aus der Stevia-Pflanze ist heute in vielen Lebensmitteln zu finden. Bekannt ist zum Beispiel Coca Cola Life mit Stevia. Die Cola-Flasche hat ein grünes Etikett und ein Teil des Zuckers wurde durch Stevia ersetzt. Damit ist aber noch längst nicht Schluss: Es gibt Hersteller, die Stevia in Eistee, Joghurts, Bonbons, Marmelade, Ketchup und sogar in Gewürzgurken verwenden. Außerdem gibt es Schokolade, Gummibärchen und viele andere Süßigkeiten mit Stevia.

Die Süße aus der Stevia-Pflanze kann auch direkt erworben werden, egal, ob als Pulver, als flüssige Süße oder aus Süßstoff-Tablette. Wer selbst etwas mit Steviolglykosiden, umgangssprachlich Stevia, als Zuckerersatz kochen oder backen will, sollte aber vorher nach dem richtigen Rezept suchen, empfiehlt die Oecotrophologin Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). "Man kann Zucker nicht 1:1 durch Stevia ersetzen", erklärt sie. Denn chemisch und physikalisch verhält sich der Extrakt aus der Stevia-Pflanze nun mal anders als Zucker. "Zucker bräunt zum Beispiel beim Backen, Stevia nicht, deshalb muss das Rezept angepasst werden. Auch bei Marmeladen und Konfitüren muss man aufpassen. Denn Zucker hat eine natürliche konservierende Wirkung. Nutzt man stattdessen Stevia oder Gelierzucker mit Stevia zur Zubereitung, kann sich der Geschmack verändern und die Haltbarkeit ist häufig begrenzter", erklärt sie.

Ohnehin sollte Zucker nicht 1:1 durch Stevia ersetzt werden – denn das Ergebnis würde um einiges zu süß ausfallen.

Wie viel süßer ist Stevia als Zucker?

Der Süßstoff aus der Pflanze ist etwa dreihundertmal süßer als normaler Haushaltszucker. Deshalb gilt es, bei der Verwendung vorsichtig zu sein. Wer einfach Zucker durch Stevia 1:1 ersetzt, wird das Ergebnis wahrscheinlich alles andere als lecker finden.

Was unterscheidet Stevia von anderen Süßstoffen?

Anders als die Süßstoffe Saccharin und Aspartam, die synthetisch hergestellt werden, ist Stevia ein Naturprodukt, das aus einer Pflanze gewonnen wird. Während die meisten Süßstoffe synthetisch hergestellt werden, ist Stevia eine der natürlichen Alternativen. Allerdings nicht die einzige. So wird beispielsweise auch Neohesperidin-Dihydrochalkon, ein ebenfalls in der EU zugelassener Süßstoff, aus Flavonoiden – Naturstoffen – in Zitrusfrüchten hergestellt. Und auch der ebenfalls in der EU zugelassene Süßstoff Thaumatin hat einen natürlichen Ursprung: Er besteht aus Proteinen aus der Westafrikanischen Pflanze Katamfe. So ungewöhnlich ist der Zucker-Ersatz aus der Stevia-Pflanze also auch wieder nicht. Allerdings hat Stevia als pflanzlicher Süßstoff die längste Geschichte, da die Süße aus der Pflanze schon vor Hunderten von Jahren in Südamerika genutzt wurde.

Welche Nachteile hat Stevia?

Stevia ist nicht Zucker – und unterscheidet sich in seinen Eigenschaften auch von ihm. Das fängt schon beim Geschmack an. Zum einen gilt der Süßstoff aus der Pflanze als weniger aromatisch, zum anderen wird Stevia auch ein leicht bitterer Nachgeschmack nachgesagt. Zusätzlich kann das aus der Stevia rebaudiana gewonnene Produkt ein stumpfes Gefühl auf der Zunge hinterlassen.

Bei der Verarbeitung wird auch klar, dass hier nicht alles so einfach ist wie mit Zucker. Dass der Süßstoff nicht die gleichen Eigenschaften hat, kann als Nachteil gesehen werden. Um Stevia richtig zu verarbeiten, braucht es spezielle Rezepte und eventuell Zusätze, um zum selben Ergebnis zu kommen wie bei Zucker. Wer allerdings ein bisschen Zeit in die Suche guter Rezepte investiert, kann auch mit Stevia kochen und backen - und den Zucker so ersetzen.

Wie gesund ist Stevia?

Steviolglycosid, also der Extrakt der Pflanze mit definierter Zusammensetzung, ist als Süßungsmittel bzw. Zusatzstoff E 960 durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen. Bis zu 4 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht gelten bei täglichem Verzehr als unbedenklich. "Bis zu diesen Mengen könnte Steviolglykosid aufgenommen werden, ohne dass ein gesundheitliches Risiko erwartet wird", sagt Astrid Donalies. Bei ihrer Arbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) wird die Oecotrophologin immer wieder mit dem Vorurteil konfrontiert, dass Süßungsmittel krebserregend seien. „Das ist nicht bestätigt,“ sagt sie. "Alle in der EU zugelassenen Süßungsmittel sind auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft", bekräftigt sie.

Aber ist Stevia auch tatsächlich gesund? Einige Eigenschaften hat die Zucker-Alternative, die von Vorteil sind. Anders als herkömmlicher Zucker führt die pflanzliche Alternative nicht zu Karies. Außerdem können auch Diabetiker mit Stevia gesüßte Lebensmittel zu sich nehmen, ohne sich um ihren Blutzuckerspiegel und ihre Gesundheit sorgen zu müssen. Und dadurch, dass Stevia kaum Kalorien hat, besteht eigentlich auch nicht die Gefahr, davon dick zu werden. Oder doch?

Keine nachgewiesene Zunahme durch Süßungsmittel

Astrid Donalies von der DGE hört auch häufiger, dass Süßungsmittel dazu führen können, dass das Gewicht steigt. "Auch dies ist eine Hypothese, die bislang für den Menschen wissenschaftlich nicht nachweisbar ist. „Süßstoffe können im Rahmen von Gewichtsreduktionsprogrammen unterstützen. Aber auch hier gilt nach wie vor die Empfehlung, mit allen Süßstoffen bewusst umzugehen und sie in moderaten Mengen zu verwenden.“

Wer auf gesundheitsförderliche Ernährung setzen will, sollte sein Verhältnis zu Süßem – egal, ob Zucker oder Süßstoff – grundsätzlich überdenken, rät die Oecotrophologin. Denn wer stets zu Süßem und gerade bei Getränken zu Limonade und ähnlichen greift, gewöhnt sich daran. Und das unabhängig davon, ob die Limo Zucker oder eine Alternative enthält. Gerade bei Kindern und Jugendlichen rät Astrid Donalies deshalb dazu, auf ungesüßte Getränke zu setzen. Wasser sollte das Standard-Getränk sein. Wer in der Kindheit viel zuckergesüßte Getränke zu sich nimmt, ist einem größeren Risiko ausgesetzt, übergewichtig zu werden. Bei Kindern können mit Stevia gesüßte Getränke zusätzlich kritisch gesehen werden, da es bei ihnen auch passieren kann, dass die Höchstmenge von 4 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht leichter überschritten werden kann.

Allerdings muss auch bei gesunder Ernährung nicht komplett auf Süße verzichtet werden. "Es spricht nichts dagegen, wenn man auch mal etwas Süßes ist. Allerdings ist es dann eher sinnvoll wenig von „normalen“ Süßigkeiten mit Zucker zu essen als von den vielfach teureren Ersatzprodukten", sagt die Expertin.

Wo kann man Stevia kaufen?

Stevia-Pulver kann vielerorts gekauft werden. Unter anderem wird es in verschiedenen Supermärkten und Drogeriemärkten angeboten. Auch in vielen Reformhäusern gibt es Stevia als Pulver, flüssigen Extrakt oder Tabletten. Und auch im Internet kann Stevia-Extrakt gekauft werden. Dort findet man übrigens nicht nur das Pulver, sondern auch Stevia-Pflanzen und getrocknete Blätter. Doch gerade dort ist Vorsicht geboten. Denn anders als beim Steviolglycosid, dem Extrakt aus der Stevia rebaudiana, sind die Blätter der Stevia-Pflanze – egal ob frisch oder getrocknet - in Europa nicht als Lebensmittel zugelassen.

"Das getrocknete Kraut wird als kosmetisches Mittel oder Badezusatz angeboten. Dann darf es nicht als Lebensmittel vertrieben werden und unterliegt damit auch nicht der Lebensmittelüberwachung", sagt Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die von einem Verzehr der Stevia-Blätter eher abrät. "Denn das Steviakraut kann ganz unterschiedliche Mengen an Inhaltsstoffen enthalten", erklärt die Oecotrophologin. Da es keine EU-Zulassung als Lebensmittel hat, ist hier, anders als bei dem aus der Pflanze gewonnenen Süßstoff, nicht auf die Unbedenklichkeit zum Verzehr geprüft worden.

Wird Stevia den Zucker ersetzen?

Dass Stevia Zucker komplett ersetzen wird, hält Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für sehr unwahrscheinlich. Das liegt zum einen daran, dass Stevia sich im Geschmack und bei der Verarbeitung von Zucker unterscheidet und zum anderen, dass es auch keine konservierende Wirkung zum Beispiel bei der Konfitürenzubereitung hat. „Und vermutlich ist es nun auch zum Verbraucher durchgedrungen, dass Stevia nicht das naturbelassene Süßungsmittel ist, als das es zum Teil dargestellt wurde“, sagt sie.

Alles rund um das Thema Stevia.

Donalies sieht den Trend derzeit auch in eine andere Richtung gehen. "Dem Zeitgeist entspricht eher „Natürlichkeit“, was immer der Verbraucher damit auch verbindet –Produkte mit Stevia offensichtlich nicht mehr so sehr.“

Dieser Artikel stammt vom 31. März 2020 und wurde aktualisiert.

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