Abwehr von Fake-News Start-up aus Wuppertal: Im Trainingslager für digitale Bedrohungen

Wuppertal · Fake-News, Shitstorms, manipulierte Botschaften: Unternehmen und Behörden fürchten sich vor Attacken im Internet. Ein Wuppertaler Unternehmen hilft sogar der Nato dabei, Abwehrstrategien zu trainieren. Und wandelt sich von der Kommunikationsagentur zum Software-Start-up.

 Firmengründer Lars Niggemann

Firmengründer Lars Niggemann

Foto: Prevency

Während Moskaus Panzer rollen, werden im russischen Staatsfernsehen falsche Botschaften versendet. Als eine Reaktion verbot die EU Anfang März die Ausstrahlung des russischen Auslandssenders „Russia Today“. Doch im Internet stoßen Nutzer immer wieder Videoclips mit Botschaften und Bildern, die nachweislich nicht der Realität entsprechen. „Jetzt ist auch dem letzten klar, dass wir uns auch in einem Informationskrieg mit vielen Akteuren, allen voran Russland, befinden“, sagt Lars Niggemann, Gründer des Wuppertaler Start-ups Prevency.

Genau bei diesem Problem setzt das 2019 gegründete Unternehmen mit mittlerweile acht Mitarbeitern an. Prevency hilft Unternehmen, Behörden und Institutionen, sich auf den Umgang mit manipulierten Botschaften oder orchestrierten Wellen an Falschnachrichten vorzubereiten. Diese virtuellen Attacken können von unliebsamen Konkurrenten kommen. Oder von staatlichen Akteuren, die das Vertrauen der Bevölkerung erschüttern wollen. Zur Kundenliste des Start-ups gehören beispielsweise Konzerne wie Arag, Thyssen-Krupp oder Vodafone. Ebenso nutzen aber auch die deutsche Bundeswehr, die kanadischen Streitkräfte und sogar die Nato die Dienste von Prevency. Für das Nato „Strategic Communication Centre of Excellence“ stellte Prevency erst vor wenigen Wochen eine eigene Mediensimulationsplattform fertig.

Mit seinen Angeboten zielt das Wuppertaler Unternehmen auf einen Teilbereich des stetig wachsenden Marktes für Cybersicherheit. Allein im vergangenen Jahr gaben nur Unternehmen in Deutschland mehr als sechs Milliarden Euro aus, um sich vor IT-Attacken technisch und organisatorisch zu stützen, wie Zahlen des Digitalwirtschaftsverbandes Bitkom zeigen. Bis 2025 soll diese Summe auf knapp neun Milliarden Euro steigen. Ausgaben von staatlichen Stellen kommen noch dazu.

Schnelle Reaktionen erfordern viel Vorbereitung

Prevency steckt dabei gerade mitten in einem Transformationsprozess: Gestartet ist Gründer Niggemann mit einer Agentur für Krisenkommunikation. Die hilft Unternehmen, angemessen zu reagieren, wenn sie – gerechtfertigt oder nicht – in der digitalen Öffentlichkeit kritisiert werden. Doch der eigene Firmenname gibt einen Hinweis darauf, dass vor allem die Prävention im Fokus steht. Das Kalkül: Nur wer sich seiner eigenen Haltung bewusst ist, wer die richtigen Abläufe geprobt hat, wer alle relevanten Mitarbeiter eingebunden hat, kann im Ernstfall punkten.

Das beobachtet Niggemann auch in diesen Tagen, in denen beispielsweise manche Unternehmen kurzfristig entscheiden müssen, was sie mit ihrem Russland-Geschäft machen – und für jedwede Entscheidung scharfe Kritik bei Facebook & Co. kassieren. „In Krisen muss man schnell reagieren, es müssen schnell Entscheidungen getroffen werden. Da zahlt es sich aus, wenn man vorbereitet ist.“

Software wird zum neuen Herzstück

Immer wichtiger für diese Vorbereitung: Software. Prevency hat in den vergangenen zwei Jahren intensiv daran gearbeitet, eine eigene digitale Plattform aufzubauen – die von außen betrachtet wie ein Computerspiel wirken kann. In dem Programm werden bekannte Kommunikationskanäle wie Youtube, Facebook oder Instagram simuliert. Video- und Textbotschaften verbreiten falsche Botschaften, etwa von Angriffen auf Energieversorger. So mobilisieren sie eine wachsende Zahl an – künstlich erstellten – Nutzerprofilen.

Das sorgt wiederum dafür, dass die Mitarbeiter von Behörden und Unternehmen, die sich für mehrere Stunden zum Training einloggen, echten Stress verspüren, wenn sie nach beruhigenden Botschaften und passenden Worten suchen. Die Idee: Wer diese simulierte Situation erlebt hat, reagiert bei einer tatsächlichen Bedrohung überlegter. „Es geht darum, dass man wirklich eine Krise erlebt – und so die operativen und die emotionalen Erfahrungswerte sammelt“, sagt Niggemann.

Diese Plattform bildet das Herzstück von Prevency. Das verändert auch das Geschäftsmodell des Unternehmens: In Zukunft will Niggemann vor allem Softwareprogramme verkaufen, mit denen Unternehmen und Behörden dann ihre Angestellten schulen. „Wir sehen uns mittlerweile als Tech-Start-up“, sagt der Gründer. Um schneller wachsen zu können, sucht Niggemann daher jetzt nach Investoren, die sich an dem Start-up beteiligen wollen. Das zusätzliche Kapital soll unter anderem dabei beim Sprung über den Atlantik helfen. Denn zumindest vor dem Kriegsausbruch in Europa stand die digitale Abwehrfähigkeit dort weiter oben auf der Agenda: „Die Bereitschaft von Unternehmen, in ihre Verteidigung Geld zu stecken, ist in Nordamerika größer als hierzulande“, sagt Niggemann.

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