Bundesregierung stellt Fortschrittsbericht vor So läuft es mit der Start-up-Strategie

Berlin/Düsseldorf · Vor einem Jahr hat die Bundesregierung zum ersten Mal eine Start-up-Strategie beschlossen. Nun gibt es eine Zwischenbilanz: Fast die Hälfte der Vorhaben wurden schon umgesetzt. Was die Gründerszene dazu sagt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat gemeinsam mit seinem Ministerium den Fortschrittsbericht zur Start-up-Strategie vorgestellt.

Foto: dpa/Markus Scholz

Kostenpflichtiger Inhalt Es ist nicht einmal zwei Monate her, da äußerte die Gründerszene harsche Kritik an der Bundesregierung. Die zehn Ziele der Start-up-Strategie klangen zwar in ihren Ohren nach wie vor vielversprechend: Die Ampel wollte die Finanzierung für junge innovative Unternehmen stärken, ihnen besser Zugang zu Talenten verschaffen, Gründungen einfacher und digitaler machen und die Diversität in der Szene stärken. Außerdem war geplant, Ausgründungen aus der Wissenschaft zu erleichtern. Doch an der Umsetzung haperte es noch. „Deutschland droht im internationalen Wettbewerb immer weiter abgehängt zu werden”, sagte Christian Miele, Vorstandschef des Start-up-Verbands damals.

Nun hat die Bundesregierung ihrerseits Bilanz gezogen – und die fällt, wenig überraschend, deutlich besser aus als die der Gründerszene Ende Juli. Beinahe die Hälfte der Ziele seien bereits umgesetzt, 50 Prozent in Arbeit und bloß zehn Prozent noch nicht angestoßen worden. In allen Handlungsfeldern gebe es aber Fortschritte, heißt es in dem 46-seitigen Dokument, das die Bundesregierung am Dienstag vorstellte.

In Sachen Finanzierung hatte sie sich vorgenommen, die Möglichkeiten für Start-ups deutlich zu erweitern und sie in verschiedenen Phasen zu stärken – schwerpunktmäßig aber in der Wachstums- und Skalierungsphase. Mit diesem Ziel läuft es laut Bundesregierung gut: Im Februar sind der neue DeepTech & Climate Fonds und die European Tech Champions Initiative an den Start gegangen, der Wachstumsfonds Deutschland hat seine Investitionstätigkeit aufgenommen und bereits in mehr als zehn deutsche und europäische Wagniskapitalfonds investiert. Außerdem sammelte die vierte Fondsgeneration des HighTech Gründerfonds bei Investoren rund 500 Millionen Euro für weitere Investitionen in Start-ups ein. Und: Seit vergangenem Monat gewährt das Programm RegioInnoGrowth Start-ups und Mittelständlern mit innovativen Geschäftsmodellen und einem Jahresumsatz bis zu 75 Millionen Euro über die Landesförderinstitute stille und offene Beteiligungen sowie Nachrang- und Wandeldarlehen.

Auch beim Thema Talentgewinnung aus dem Ausland gibt es mit dem Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes eine positive Entwicklung. Es sieht Neuerungen vor, die Start-ups den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern und die steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen verbessern sollen, insbesondere eine Lösung der Dry-Income-Problematik. Letzteres bedeutet, dass Beschäftigte Einkommenssteuern auf den Wert ihrer Anteile müssen, ohne dafür bislang Geld erhalten zu haben.

Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland holen wollen, können ebenfalls aufatmen: Ab dem 18. November 2023 wird das endlich leichter, denn dann treten Gesetz und Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung gestaffelt in Kraft. Dem Start-up-Verband geht das allerdings noch nicht weit genug: „Hier kommt es nun auf die Umsetzung an“, sagte der Vorstandsvorsitzende Christian Miele. Visaprozesse müssten digitalisiert, harmonisiert und beschleunigt werden.

Er bezeichnete die Strategie der Bundesregierung zwar als wichtigen Meilenstein für das Start-up-Ökosystem, machte aber auch Verbesserungsvorschläge. So sei das Zukunftsfinanzierungsgesetz ein wichtiger Schritt, um die Bedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen zu verbessern. Doch die vorgeschlagenen Regelungen müssten noch an die gängige Anteilsvergabe bei Start-ups angepasst werden – damit meint er sogenannte vinkulierte Anteile, bei denen vor einem Verkauf erst zugestimmt werden muss.

So harsch wie Ende Juli fiel Mieles Urteil nun aber nicht aus. Das mag auch daran liegen, dass sich wirklich in vielen Handlungsfeldern etwas getan hat. So hat vor drei Monaten das neue Förderprogramm Exist Women gestartet, mit dem mehr Frauen erfolgreiche Ausgründungen aus der Wissenschaft hervorbringen sollen. Und der Aufbau des Dateninstituts hat begonnen, mit dem die Bundesregierung Start-ups einen besseren Zugang zu Daten ermöglichen möchte.

Ganz schlecht steht Deutschland auch nicht da: Der Gesamtwert deutscher Start-ups hat sich seit 2018 mehr als verfünffacht und lag 2022 bei 168 Milliarden Dollar, wie eine Erhebung des Start-up-Verbands und McKinsey zeigt. Das entspricht einem Anteil von 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allerdings stehen die USA mit 16 Prozent, Großbritannien mit 13,5 Prozent und Frankreich mit 6,9 Prozent deutlich besser da.

Madeleine Heuts, Vorsitzende des Start-up-Vereins NRWalley, lobte den Ansatz der Bundesregierung, wünschte sich aber noch mehr Tatendrang, um die Diversität in Deutschlands Gründerszene zu stärken. „Exist Women ist ein guter Anfang, aber es muss noch mehr kommen. Ich denke da an Nicht-Akademiker-Kinder und an migrantische Gründungen“, sagte sie unserer Redaktion. Und die Digitalisierung müsse schneller voranschreiten, sonst könnten gute Ideen wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz an den analogen Behörden scheitern.

Die Branche ist sich einig: Man brauche mehr Tempo. „Die Bundesregierung muss Start-up-Themen mit mehr Priorität vorantreiben – die nächsten 12 Monate sind zur Umsetzung der Start-up-Strategie entscheidend“, sagte Miele. Es sind Sätze, die nicht zum ersten Mal fallen – und wohl auch nicht zum letzten Mal.