Partner sind Google, Microsoft und SAP Digitale Suche nach der Nadel im Heuhaufen für Ikea und Schwarzkopf

Düsseldorf · Mit einer rasanten Bilderkennung hilft das Start-up zahlreichen Unternehmen – von Ikea, Henkel,über DMG Mori bis zu Fortuna Düsseldorf. Das Gründer-Geschwisterpaar hat das Tech-Unternehmen dabei bewusst mit Standorten in Düsseldorf und Berlin aufgebaut. Bald soll es aber in die Welt hinausgehen, die EU gibt frisches Geld.

 Nyris Mitgründerin Anna Lukasson-Herzig ist promovierte Werkstofftechnikerin und arbeite lange als hochbezahlte Beraterin bei der Boston Consulting Group

Nyris Mitgründerin Anna Lukasson-Herzig ist promovierte Werkstofftechnikerin und arbeite lange als hochbezahlte Beraterin bei der Boston Consulting Group

Foto: Nyris/FRANK BEER

Eins unter eine Million: Die Suche nach dem passenden Ersatzteil kann schon für Verbraucher schwierig sein. Im industriellen Kontext wird sie zur Mammutaufgabe – welche Schraube, welches Ventil unter hunderttausenden Produkten wird benötigt? „Manche Teile sieht ein Techniker nur ein Mal in seinem Berufsleben“, sagt Anna Lukasson-Herzig. Sie ist Gründerin und Chefin des Start-ups Nyris mit Sitz in Düsseldorf und Berlin. Das junge Unternehmen setzt auf künstliche Intelligenz, um die Suche zu   beschleunigen: Das zu ersetzende Teil wird einfach fotografiert – und das Programm identifiziert den gesuchten Artikel. „So schaffen wir es, dem Techniker in Sekunden eine Information zu verschaffen, auf die er sonst manchmal Tage gewartet hätte“, sagt Lukasson-Herzig, die in Aachen Werkstofftechnik studierte und in dem Fach auch promovierte.

Das Start-up selbst bleibt dabei häufig im Hintergrund. Im Einsatz ist es jedoch bei zahlreichen großen Unternehmen wie auch Henkel (Schwarzkopf), mit Google, Microsoft und SAP wird zusammengearbeitet, berichtet Nyris.

Industrieunternehmen wie DMG Mori hilft die junge Fima bei der Suche nach dem passenden Ersatzteil. Ikea setzt auf die Technologie, um die Arbeit in den Lagerhäusern effizienter zu machen. Zudem kann das Möbelhaus so auch Kunden verwandte Ikea-Produkte empfehlen, wenn sie daheim Tisch oder Regal ablichten. Und in der App von Zweitligist Fortuna Düsseldorf lassen sich T-Shirts und Tassen in freier Wildbahn fotografieren – und die Fans werden direkt zum passenden Artikel im Online-Shop geführt.

Weiter Weg zur Alleskönner-Software

Die Breite der Anwendungen zeigt, dass die Flexibilität der KI sowohl Fluch als auch Segen ist: Dem Programm ist es egal, ob es Fotos von Schrauben, Möbel oder T-Shirts abgleicht. Das ermöglicht viele Einsatzmöglichkeiten – erschwert aber den Start. Nyris hat sich darauf konzentriert, dass die Software möglichst unkompliziert an die Programme der den Kunden andocken kann. Die KI sucht die Fotos dann nach zahlreichen Bildpunkten ab, vergleicht Linien, Längen, Kanten, Schatten oder Schriftzeichen. Und findet dann vollautomatisiert das passende Pendant in der Datenbank. Die Idee: Mit jeder Suche merkt sich das Programm ein paar neue Details – und lernt so eigenständig dazu. „Für die meisten Kunden trainieren wir die Software gar nicht mehr nach“, sagt Lukasson-Herzig.

Die Geschichte von Nyris zeigt auch die Herausforderungen, vor denen gerade Start-ups mit komplexerer Technologie stehen. Sie brauchen oft deutlich länger, bis sie Geld verdienen können. 2015 gründeten Anna Lukasson-Herzig und ihr Bruder Markus Lukasson das Start-up. Sie war zuvor für die Beratung BCG tätig, ihr Bruder hatte unter anderem für Amazon gearbeitet. Zuerst stand eine eigene digitale Shopping-Lösung im Fokus – als größte Herausforderung stellte sich die Bildersuche heraus. Also schaltete das junge Start-up um und fokussierte sich auf diese Technologie. „Das hat bestimmt noch einmal zwei Jahre gedauert“, sagt Lukasson-Herzig, „und dann stand zwar die Produktsuche, aber noch nicht der Anwendungsfall.“

Standorte in Düsseldorf und Berlin ergänzen sich

Von den 35 Mitarbeitern arbeitet aktuell etwa ein Drittel in Düsseldorf, der Rest sitzt in Berlin. Ursprünglich war geplant, das Start-up komplett in der Hauptstadt hochzuziehen. Doch schnell stellte sich heraus, dass die Doppelstandort-Strategie handfeste Vorteile bietet: In der Hauptstadt kümmert sich der Bruder heute vor allem um die Technologie. In Nordrhein-Westfalen dagegen sitzen vor allem die Mitarbeiter aus Marketing und Vertrieb. Zahlreiche Unternehmen, die die Lösung von Nyris einsetzen oder einsetzen könnten, finden sich in der Region oder nur wenige Zugstunden entfernt. „Man ist hier sehr nah an vielen Kunden“, sagt Lukasson-Herzig. In Berlin ist der Weg zu Investoren und Talenten zwar häufig kürzer - doch wenn man Industrieunternehmen und Großkonzerne als Kunden gewinnen will, führt die Reise doch nach NRW, Bayern oder in die Rhein-Main-Region.

In den kommenden Monaten stehen für das Gründer-Geschwisterpaar dabei die Kontakte zu Geldgebern im Fokus. 2020 beteiligte sich Kunde Ikea an dem Start-up, im vergangenen Herbst konnte sich Nyris fünf Millionen Euro über ein EU-Förderprogramm sichern.  Nun will Nyris im ersten Halbjahr eine weitere Finanzierungsrunde abschließen. Einige Investoren haben bereits fest zugesagt. Jetzt suchen Lukasson-Herzig und ihr Bruder noch nach einer internationalen Venture-Capital-Gesellschaft, die entweder aus Asien oder aus den USA stammen soll. Der neue Gesellschafter soll dann nicht nur Geld bereitstellen – sondern auch Türen in neuen Märkten öffnen.

International und divers ist die Firma sowieso: Die Kollegen und Kolleginnen kommen aus 15 Ländern, viele Frauen sind darunter. Lucasson-Herzig sagte dazu in einem Interview des „Karriereführer“: „Es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt für Frauen, um in die Techwelt einzusteigen: Bewusstsein und Präsenz sind ebenso vorhanden wie die Erkenntnis, dass Diversität in der Techwelt enorm wichtig ist.“

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