Fußball-Gipfel mit Borussia, Fortuna, Köln und Leverkusen „Wir Klubs im Westen müssen eng zusammenarbeiten“

Düsseldorf · Beim Talk der Rheinischen Post diskutieren Klaus Allofs, Roland Virkus, Simon Rolfes und Thomas Kessler über eine neue Spielergeneration, den Transfermarkt nach der Pandemie und die komplizierte WM-Pause. Die Positionen der Vereine lesen Sie hier.

Virkus, Kessler, Allofs und Rolfes zu Gast​: Das war der Fußball-Gipfel der Rheinischen Post​
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Das war der Fußball-Gipfel der Rheinischen Post

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Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

In der Fußball-Bundesliga steht die neue Spielzeit kurz bevor. Die rheinischen Klubs starten mit großen Ambitionen. Bei allen Teams gibt es noch offene Personalfragen und Ungewissheiten, wie die Saison verläuft. Reichlich Themen also für Mönchengladbachs Sportdirektor Roland Virkus, Fortuna Düsseldorfs Sportvorstand Klaus Allofs, Bayer Leverkusens Geschäftsführer Sport, Simon Rolfes, und den Lizenzspieler-Leiter des 1. FC Köln, Thomas Kessler, beim Rheinischen Fußball-Gipfel unserer Redaktion. Mit den RP-Reportern Gianni Costa und Karsten Kellermann diskutierten sie vor rund 80 Lesern.

Die Saison startet weitgehend ohne Corona-Beschränkungen und Zuschauerbegrenzung. Wie fühlt sich das an?

Allofs Sehr gut. Ich kannte das gar nicht mehr, wie sich das in der Arena anfühlt. Es ist sensationell, wenn so viele Zuschauer beim ersten Spiel gegen Paderborn da sind. Es war eine überragende Stimmung.

Welche Bedeutung haben die Fans?

Virkus Gerade bei uns ist es so, dass die Spieler von den Fans leben. Einige unserer Spieler sind unter Corona zu uns gekommen, die kannten das noch gar nicht. Die Jungs haben im Trainingslager erst mal gesehen, welche Wucht die Fans haben und was das für unseren Klub bedeutet.
Kessler Du hast schon in der Vorbereitung ein Strahlen im Gesicht der Spieler gesehen. Wir hatten selbst beim Freundschaftsspiel gegen Mailand 48.000 Zuschauer. Das ist fantastisch.
Rolfes Der Fankontakt ist das, was den Fußball ausmacht. Die Emotionen, die dadurch bei unseren Spielern entstehen, sind enorm wichtig. Deswegen versuchen wir den Kontakt zu unseren Fans auch intensiv zu fördern.

Mit welchen Zielen gehen Sie denn die Saison an?

Allofs Der Verein braucht Ruhe und Kontinuität. Das haben wir uns im letzten Jahr schon auf die Fahne geschrieben und konnten es dann aber nicht so leben. Wir hoffen, dass wir den Weg, den wir jetzt mit den zwei Siegen und auch schon zum Ende der vergangenen Saison eingeschlagen haben, weitergehen können. Ich persönlich würde schon gerne daran arbeiten, dass weniger Leute aus Düsseldorf lieber nach Mönchengladbach fahren. Das muss schon unser Ziel sein.
Kessler Wir wollen in der Bundesliga bleiben und, so schnell es geht, die 40 Punkte holen. Wir wollen in der Liga und auch in der Conference League nach Möglichkeit eine gute Rolle spielen
Virkus Wir wissen noch gar nicht, wie unser Kader nach Schließung des Transferfensters aussehen wird. Deshalb bin ich kein Fan davon, frühzeitig Ziele zu formulieren.

Was ist in den vergangenen Jahren denn schiefgelaufen bei Borussia, Herr Virkus?

Virkus Max Eberl hat über zehn Jahre großartige Arbeit bei uns geleistet. Vieles ist gut gelaufen. Dann kam die Pandemie, und viele Spieler hatten auslaufende Verträge, und die Ausgangslage hat sich verändert. Das ist dann vielleicht nicht so gut gelaufen. Man wollte noch mal das Pünktchen oben drauf setzen. Aus meiner Sicht darf Aktivität aber nicht das dominante Merkmal von Borussia Mönchengladbach sein. Qualität war immer da. Wir hatten ein Alleinstellungsmerkmal, da müssen wir wieder hinkommen.

Thema Transfers: Wie sieht es mit Ihrer Kaderplanung aus?

Rolfes Das Ziel war dieses Jahr, die Top-Spieler zu halten und uns punktuell zu verstärken. Das ist uns bislang gelungen.

Kessler Wir haben früh Gespräche geführt, wo wir spielerisch in dieser Saison hinwollen, und geschaut, was wir noch im Rahmen unserer Möglichkeiten machen können. Wir haben junge, entwicklungsfähige Spieler geholt, auch um dem Kader ein gewisses Gerüst zu geben. Stand jetzt ist nicht geplant, dass wir noch Spieler dazuholen.

Und abgeben? Bleibt Anthony Modeste?

Kessler Wir haben mit Tony offen über die Situation gesprochen. Er hatte im Winter ein sehr lukratives Angebot, wir haben aber entschieden, dass es besser ist, ihn bei uns zu halten. Wir haben Tony versprochen, dass wir die Situation gemeinsam diskutieren, wenn im Sommer ein Angebot kommt. Bis jetzt gibt es aber kein Angebot.

Nach welchen Spielern schauen Sie bei Ihrer Suche?

Allofs Wir finden heute kaum noch eine Mannschaft, die nur ein System spielt. Das beinhaltet schon, dass die Spieler vielseitig sein müssen. Auch das Tempo und die Athletik spielen eine immer wichtigere Rolle.
Kessler Wir haben darauf geachtet, dass wir auch Spieler dazuholen, die zwei Positionen spielen können.
Virkus Es ist wichtig, in der Kaderpolitik, dass du polyvalente Spieler hast. Unser Neuzugang Ko Itakura ist genau so ein Spieler.
Rolfes Wir versuchen, den Kader relativ klein zu halten. Deswegen sind vielseitige Spieler wichtig. Selten ist es so, dass ein Spieler nur eine Position spielen kann. Die Frage ist dann nur, wie gut. Ich glaube aber, dass die Topspieler als Spezialisten auf ihrer Position weiter gefragt sind und dann dort auch besser sind.

Herr Allofs, Sie sind mit Daniel Thioune als Trainer gut in die Saison gestartet. Können Sie sich vorstellen, den Vertrag mit ihm zeitnah zu verlängern?

Allofs Daniel ist der richtige Trainer. Er passt zur Mannschaft, und scheinbar scheint er auch zur Stadt zu passen. Von daher glaube ich, ist die Frage schon beantwortet, dass es in unserem Interesse ist, mit Daniel lange zusammenzuarbeiten.

Zur Stadt passt auch der Trainer in Köln, oder?

Kessler Die Zusammenarbeit macht Spaß. Seine offene Art passt zu der Stadt. Mit ihm wollen wir die Spieler weiterentwickeln.

Wie wichtig ist der Trainer denn bei der Entwicklung der Mannschaft?

Rolfes Sehr wichtig. Der Trainer ist der erste Ansprechpartner der Spieler. Das Zusammenspiel zwischen Trainer und Mannschaft klappt gut. Unserem Trainer kommt zugute, dass er sechs verschiedene Sprachen spricht.
Virkus Der Spieler will heute als Mensch wahrgenommen werden. Das hat Daniel Farke bei uns von der ersten Minute an verkörpert. Er interessiert sich auch für das Umfeld der Spieler. Diese Softskills haben immensen Wert. Die werden oft unterschätzt. Wenn du etwas vermitteln willst, dann musst du an den Menschen ran. Das macht heute den Unterschied, ob du ein guter oder ein sehr guter Trainer bist.

In dieser Runde waren einige selbst Spieler. Waren Sie früher einfacher?

Allofs Der Trainer muss heute überzeugen. Wir haben früher gemacht, was der Trainer sagt. Das funktioniert heute nicht mehr. Es gibt eine andere Erwartungshaltung.
Rolfes Die Spieler fordern heute mehr ein an unterschiedlichen Aspekten. Die menschliche Komponente, um den Spieler bei sich zu haben als Trainer, ist wichtig, aber auch die einzelnen Felder bestmöglich zu bearbeiten, erwarten die Spieler heutzutage. Das war früher anders. Wie ist es mit Ernährung, wie mit Athletiktraining, wie mit anderen Themen, das gab es zu meiner Zeit wenig.

Ein Thema, das bei einem Rheinischen Fußball-Gipfel nicht fehlen darf: das Derby zwischen Köln und Gladbach. Vergangene Saison hat Köln beide gewonnen. Wie viele Punkte holt Gladbach diese Saison gegen Köln?

Virkus Wenn du in Mönchengladbach geboren worden bist, und ich wurde da geboren, dann kennst du die Bedeutung dieses Derbys. Eine gesunde Rivalität ist wichtig, aber das darf nicht ausarten, und da haben wir eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft. Trotzdem kennen wir die Bedeutung. Wünschenswert ist, dass wir sechs Punkte holen. Aber das ist kein Wunschkonzert. Was mich etwas verwundert hat: Wir haben zum Ende der Saison wichtige Spiele gewonne, aber das Derby verloren. Dass das dann so eine Wucht hatte... Wir hätten ja auch die anderen Spiele verlieren können, wären abgestiegen, hätten aber das Derby gewonnen, und alles wäre gut gewesen. Wenn ich entscheiden muss, ob wir beide Derbys gewinnen oder international spielen, nehme ich beides.
Kessler Ich habe drei Kinder, und die wecken mich jeden Tag mit „Derbysieger, Derbysieger“. Die können wir jetzt nicht enttäuschen. Wir werden natürlich alles dafür tun, wieder zu gewinnen. Ich selbst durfte auch ein Derby gegen Gladbach spielen, das wir gewonnen haben. Davon zehrt man als Spieler heute noch, aber für die Fans bedeutet das alles. Das sagt auch viel über die Rivalität der beiden Vereine. Das ist wichtig, sie muss aber friedlich bleiben und auf dem Platz stattfinden und mit Gesängen auf den Rängen. Ich möchte, dass die Mannschaft im Derby genau so auftritt, wie letztes Jahr. Und dann bin ich gespannt, ob die Gladbacher mehr zu zeigen haben als letztes Jahr.

Anderes Thema: Die deutschen Fußballerinnen spielen bei der EM im Halbfinale. Wie ist der Kontakt zu den Beteiligten, Herr Allofs?

Allofs Das Interesse bei mir ist natürlich sehr groß. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sitzt bei uns im Aufsichtsrat. Da gibt es schon lange einen guten Austausch über das Thema. Aber aktuell stehen wir nicht in Kontakt.
Rolfes Wir haben schon sehr lange eine Frauen-Bundesligamannschaft. Es ist ein wichtiges Thema. Wenn man nach England guckt, sieht man, dass sich die Stadien gut füllen. Diese Entwicklung in Deutschland anzuschieben, ist eine wichtige Geschichte und geht auch nur durch die großen Bundesligisten.

Und wie steht es um gleiche Gehälter für Fußballerinnen und Fußballer?

Rolfes Das ist für mich der falsche Ansatz. Gehälter haben ja immer etwas mit Einnahmen zu tun. Gehen die wie in der Pandemie zurück, gehen auch die Gehaltsmöglichkeiten runter. Dem Frauenfußball ist nicht geholfen, wenn höhere Gehälter gezahlt werden. Der jeweiligen Frau in dem Moment, aber dem Fußball an sich mit seiner Struktur nicht. Es muss eine Entwicklung angestoßen werden, die bessere Bedingungen schafft.

Im Dialog (v.l.): Gianni Costa, Klaus Allofs, Thomas Kessler, Simon Rolfes, Roland Virkus und Karsten Kellermann.

Im Dialog (v.l.): Gianni Costa, Klaus Allofs, Thomas Kessler, Simon Rolfes, Roland Virkus und Karsten Kellermann.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)
Thomas Kessler.

Thomas Kessler.

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 Klaus Allofs.

Klaus Allofs.

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 Simon Rolfes

Simon Rolfes

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)
 Roland Virkus

Roland Virkus

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Die Männer spielen im Winter die WM. Wie stehen Sie dazu, dass die in Katar stattfindet?

Allofs Das war eine Fehlentscheidung. Ich glaube, dass es wenig Sinn macht, jetzt darüber zu diskutieren, ob man diese WM boykottiert. Da sind wir zu spät dran. Wir müssen darüber reden, welche Strukturen es ermöglichen, dass die WM nach Katar geht und man scheinbar die wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellt.
Kessler Ich kann mich mit der WM auch nicht anfreunden. Auch in dem Hinblick, dass die Bundesligaklubs im Winter eine ganz lange Pause haben werden. Ich bin gespannt, ob es vor Ort die Möglichkeit gibt, auf die Missstände aufmerksam zu machen.
Virkus Die WM-Vergabe war eine Fehlentscheidung, da kann ich mich den Vorrednern nur anschließen. Die lange Winterpause von elf Wochen ist für uns Vereine aber auch schwierig. Einige Spieler spielen keine WM, die müssen in Form bleiben. Dafür müssen wir Formate finden, die wir am besten auch vermarkten. Die Spieler müssen bezahlt werden. Gerade hier im Westen mit vielen Vereinen müssen wir Klubs schauen, dass wir eng zusammenarbeiten und ein Konzept für diese Zeit finden. Wir müssen schauen, dass wir das Niveau hoch halten und sich die Spieler weiter bewegen.
Allofs Es geht ja um mehr als um eine Beschäftigungstherapie. Wir müssen die Zeit für die Spieler sinnvoll gestalten und auch für uns finanziell sinnvoll gestalten. Da kommt mir auch von der DFL zu wenig an Vorschlägen und Ideen.

(chba, gic, kk, rent)
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