Gladbachs Europa-Erinnerung Streich genießt Juve und stärkt Farkes Argumente

Mönchengladbach · 2015 spielte Gladbach bei Juventus Turin in der Champions League. Jetzt ist die „Alte Dame“ Gegner des SC Freiburg. Dessen Trainer Christian Streich sprach respektvoll über Europa - und stärkte Gladbachs Thesen in den Diskussionen um das Anspruchsdenken.

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Foto: dpa/Uwe Anspach

Da saß er nun auf dem Podium im Medienraum des Borussia-Parks, der gute Christian Streich, und sagte nach dem 0:0 seines SC Freiburg Christian-Streich-Sachen. Es ging um das Europa-League-Achtelfinale, in dem Freiburg auf Juventus Turin trifft, Donnerstag ist das Hinspiel im Piemont. Der kleine Klub aus dem Breisgau und die große „Alte Dame“ des europäischen Fußballs, das nährt die Geschichte von David und Goliath, die der Sport-Club erstens gern erzählt und zweitens immer wieder lebt.

Für Streich gehört Borussia zu den Klubs, die aufgrund ihrer Geschichte gehobenere Ansprüche haben. „Normalerweise spielt doch Gladbach da und jetzt spielt Juve gegen den SC Freiburg“, sagte er. Tatsächlich war das auch schon so in der Neuzeit des Gladbacher Fußballs, 2015 nämlich, als die Borussen bei Juventus spielen „durften“, wie die Offiziellen damals sagten. Gladbach hatte sich erstmals für die Champions-League-Gruppenphase qualifiziert und holte als Underdog zwei stolze Unentschieden (0:0 auswärts, 1:1 zu Hause).

Damals genossen die Borussen, was nun die Freiburger genießen: das Flair des Internationalen, das sich gerade gegen Gegner wie Juventus, Italiens Rekordmeister, entfaltet. In den ganz großen Gladbacher Fohlenelf-Zeiten waren  Treffen mit Europas Elite Normalität, doch war es vor elf Jahren, als Borussia nach 16 Jahren Abwesenheit zurückkehrte nach Europa, auf gewisse Weise auch ganz neu. In den Jahren danach war aber Europa wieder ein gängiges Thema am Niederrhein, sechsmal schaffte Gladbach den Sprung ins internationale Geschäft.

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Da waren für die Borussen Spiele gegen Freiburg das, was sie nun für den Sport-Club sind: Liga-Alltag vor oder nach Europa-Spielen. Er werde, versprach Streich, jeden seiner Spieler mitnehmen nach Turin, „da kann ich doch keinen daheimlassen“, sagte er und klang dabei ein wie ein Familienvater, der mit seinen Lieben in den Europapark fährt und keinem diesen Spaß vorenthalten will. Die Reise am Donnerstag ist ein absolutes Highlight der Klub-Geschichte. Für die Borussen sind solche Erlebnisse aktuell allenfalls Sehnsüchte, die sich vermutlich nicht erfüllen werden aufgrund der großen Schwankungen in dieser Saison.

Für die Macher am Niederrhein ist Europa daher ein gewisses Reizthema, weil es ein gehobeneres Anspruchsdenken beinhaltet und die Europa-Ränge recht weit weg sind. Trainer Daniel Farke hatte zuletzt festgestellt, dass die Borussen aktuell nicht zum besten Drittel der Liga, den ersten Sechs, gehören wegen der allgemeinen Situation mit personellem Umbruch und nicht gerade ausufernden finanziellen Möglichkeiten auf dem Transfermarkt, und das Team eher im mittleren Tabellenbereich („sieben bis zwölf“) verortet. So recht gehen nicht alle mit im Umfeld des Klubs, sie sehen andere Potenziale im Team.

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Streich weiß, dass die Ansprüche in Gladbach andere sind als in Freiburg, allein der Geschichte wegen. Dennoch sprang er dem Kollegen Farke und Manager Roland Virkus sowie deren Argumentation mit Blick auf die möglichen Ziele der Borussen in Streich-Manier zur Seite: salomonisch, fair, aber irgendwie auch zum Vorteil seines Klubs, dem ewigen Underdog. „Borussia hat eine sehr hohe Qualität. Und im Gegensatz zu uns haben sie die auch gegen die Spitzenmannschaften der Liga bewiesen“, sagte er. Während die Borussen die Bayern, den BVB und RB Leipzig besiegt haben, zahlte Freiburg gegen die Schwergewichte der Liga Lehrgeld. Doch holte der SC konstant die anderen Punkte, eben da hakt es bei den Borussen.

Streich nahm die Perspektive des Konkurrenten ein und warb so gesehen für dessen Argumente. „Auch Borussia hat verschiedene Phasen. Als Max Eberl noch da war, hat er auch gesagt: Wenn bei uns alles gut läuft, dann sind wir auch immer wieder mal in der Champions League. Und wenn es ordentlich läuft, auch in der Europa League“, sagte Streich. „Es gibt aber auch Umbruchphasen, Spieler haben ein gewisses Alter, wie bei uns auch. Jetzt musst du einfach schauen, auch bei dem Druck, der in Gladbach herrscht, bei so einem großen Verein, bei dem alle draufschauen: Du musst durch gewisse Phasen gut durchkommen. Und du kannst nicht erwarten, dass Borussia jedes Jahr auf dem vierten, dritten oder zweiten Platz landet.“

Seine Worte klangen fast wie bestellt. „Gladbach ist eine gute Mannschaft, aber Gladbach ist jetzt gerade nicht so gut, dass sie fünf, sechs, sieben Spiele hintereinander gewinnen. Und da können der Trainer oder die Verantwortlichen nicht einfach sagen: Das muss jetzt aber so sein. Dann muss man einfach auch mal damit leben, dass Gladbach nicht in den Europapokal kommt – und dann ist das normal“, sagte Streich.

Trainerkollegen Christian Streich, Freiburg, und Daniel Farke (Gladbach).

Trainerkollegen Christian Streich, Freiburg, und Daniel Farke (Gladbach).

Foto: dpa/Federico Gambarini

Gladbach ist für ihn gleichwohl einer der Größeren der Bundesliga, die gerade, wie andere, straucheln – und seine Freiburger nutzen das aus. Das ist der Subtext von Streichs Worten. Zugleich sollten sich die Gladbach-Spieler seinen Vortrag über Europa mal anhören – denn er war voller Demut einerseits, aber auch voll von Begeisterung, Großes zu erleben. Seine Worte können ein Ansporn sein für die Gladbacher, das auch wieder zu erleben. So wie einst in Turin.

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