Habecks neues Gas-Sparpaket Homeoffice-Pflicht zwischen Weihnachten und Neujahr

Düsseldorf · Russland liefert wieder Gas – aber wenig. NRW begrüßt Habecks Sparpaket: Pools und öffentliche Flure dürfen nicht mehr beheizt werden. Eine Wärmepolizei solle es aber nicht geben, so Habeck. Im Oktober gehen drei Braunkohle-Blöcke von RWE wieder ans Netz. Der Kampf um Uniper geht weiter.

 Seit Donnerstagmorgen fließt wieder Gas durch Nord Stream 1 (hier: Lubmin).

Seit Donnerstagmorgen fließt wieder Gas durch Nord Stream 1 (hier: Lubmin).

Foto: AP/Markus Schreiber

Russland hat den Gashahn geöffnet: Nach einem zehntägigen Stillstand fließt wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1. „Die Wartung ist beendet. Die Gasflüsse aus der Nord Stream 1 liegen derzeit bei etwa 40 Prozent der Maximalleistung“, teilte die Bundesnetzagentur mit. Doch das ist zu wenig. „Der Gasverbrauch muss weiter runter, die Speicher müssen voll werden“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und warf dem Kreml Erpressung vor: Es sei eine Verdrehung der Tatsachen, dass dieser sich als Garant der Energiesicherheit darstelle.

Habeck legte ein Sparpaket vor, das die Bürger in die Pflicht nimmt: Flure in öffentlichen Gebäuden sollen im Winter nicht mehr geheizt werden. Für Mieter soll die Vorgabe von Mindesttemperaturen, die sie vorhalten müssen, entfallen. Die Beheizung von privaten Pools mit Gas soll verboten werden. Auch sollen Bürger die Heizung checken lassen. Eine „Wärmepolizei“ solle es aber nicht geben, betonte Habeck. Man setze wie in der Pandemie darauf, dass die Bürger sich an die Regeln halten. Zwischen Weihnachten und Neujahr sollen Büros in Wirtschaft und Verwaltung möglichst dicht gemacht werden, Ausnahmen soll es geben. „Hierzu werden wir Gespräche mit den Sozialpartnern führen“, so der Minister.

Auch bei einer dauerhaften Lieferung von 40 Prozent könne eine Gasmangellage im Winter nicht ausgeschlossen werden, sagte Netzagentur-Chef Klaus Müller. „Wir brauchen weitere Einsparungen, um durch den Winter zu kommen.“ Zudem bringt Habeck alte Braunkohle-Kraftwerke zurück ans Netz. Ab Oktober werde die Braunkohlereserve aktiviert, kündigte der Grünen-Politiker an. Drei Braunkohle-Blöcke von RWE im rheinischen Revier sollen dann wieder laufen. Die 300-Megawatt-Blöcke Neurath C, Niederaußem E und F befinden sich derzeit noch in der Sicherheitsbereitschaft.

Die Lage bleibt angespannt: Zum einen kann Russland die Lieferungen wieder senken. Wladimir Putin habe unlängst Aussagen gemacht, die auf eine Drosselung auf 20 Prozent hindeuten könnten, so Müller. Zum zweiten sind auch 40 Prozent knapp: „Unter der Voraussetzung, dass diese Gaslieferungen dauerhaft erhalten bleiben und Flüssigerdgas weiterhin auf einem hohen Niveau importiert werden kann, sind die gesetzlich definierten Zielspeicherfüllstände in Höhe von 80 Prozent bis zum 1. Oktober und 90 Prozent bis zum 1. November vermutlich noch zu erreichen“, sagte Sebastian Bleschke, Chef der Energiespeicherinitiative Ines. Zudem will Habeck die Zielvorgaben nun auf 85 und 95 Prozent erhöhen.

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Foto: dpa-tmn/Zacharie Scheurer

Für den größten deutschen Gas-Importeur Uniper reichen die aktuellen Lieferungen nicht aus, um seine Verpflichtungen gegenüber den Stadtwerken erfüllen zu können. Uniper muss weiter Gas teuer zukaufen und speichert sogar aus: „Uniper entnimmt derzeit bestimmte Mengen Erdgas aus seinen Speichern, um seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden nachzukommen. Sobald sich unsere Liquiditätssituation wieder stabilisiert, würden wir die Entnahmen beenden“, sagte der Konzernsprecher. Es sei nicht richtig, in dieser Phase auszuspeichern, mahnte Habeck. „Wir wollen Uniper schnell anders stabilisieren.“ Die Rettungsverhandlungen sind auf der Zielgeraden. Die Uniper-Aktie gab am Donnerstag zeitweise um zehn Prozent nach.

Die Stadtwerke sind alarmiert. Es gebe keinen Grund, sich entspannt zurückzulehnen, sagte Ingbert Liebing, Chef des Verbands der kommunalen Unternehmen (VKU). „Die reduzierten Lieferungen zeigen: Putin setzt Gas als Waffe in seinem Wirtschaftskrieg ein.“ Der VKU fordert den Bund auf, die Liquidität von Uniper zu sichern und die Stadtwerke durch einen Schutzschirm vor der Insolvenz zu bewahren.

Beim Energiekonzern RWE ist die Lage entspannter: „Wir haben ohnehin nur noch geringe Mengen Gas aus Russland vertraglich kontrahiert“, so die Sprecherin. Zudem seien die RWE-Speicher bereits gut gefüllt. Die Datenbank AGSI weist für RWE Gas Storage West aktuell einen Füllstand von 83 Prozent aus. Der größte Speicher in Rehden, der Gazprom gehörte, ist nur zu 35 Prozent gefüllt, hier ist die Netzagentur inzwischen Treuhänderin.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) begrüßte Habecks Pläne: „Die Lage bleibt sehr ernst. Kriegsverbrecher Putin ist kein verlässlicher Partner. Dafür zahlen Gesellschaft und Industrie, insbesondere in den Sektoren Chemie, Glas, Nahrungsmittel, Stahl jetzt einen sehr hohen Preis. Um uns aus dieser Abhängigkeit zu befreien, müssen wir alle unseren Beitrag leisten: Unternehmen, Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn jede Kilowattstunde zählt“, sagte sie unserer Redaktion.

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