Debatte um Tempolimit Mit der Raserei soll Schluss sein

Berlin · Runter vom Gaspedal - das fordert jetzt ein breites Bündnis aus Verbänden und Polizei. Doch wie sehen das die Parteien? Die Debatte über die Einführung von Tempolimits in Deutschland gewinnt wieder kräftig an Fahrt.

 Kommt nach der Bundestagswahl ein Tempolimit? Verbände und Polizei sind dafür.

Kommt nach der Bundestagswahl ein Tempolimit? Verbände und Polizei sind dafür.

Berlin. Gestritten wird über die Einführung von Tempolimits in Deutschland schon seit Jahren. Jetzt sieht ein breites Bündnis aus Umwelt- und Verkehrsverbänden sowie der Polizei gute Chancen, dass nach der Bundestagswahl Schluss ist mit der Raserei auf deutschen Straßen.

Schon vor zwei Jahren präsentierten die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Gewerkschaft der Polizei (GdP), der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der ökologische Verkehrsclub (VCD) sowie die Organisation „Changing Cities“ ihre Forderungen nach Tempolimits. Inzwischen wähnt man sich fast am Ziel: „Wir sind deutlich weiter in der Debatte“, so Jürgen Resch, Geschäftsführer der Umwelthilfe, am Dienstag in Berlin. Politisch spiele der Klimaschutz eine wichtige Rolle. Auch lägen mittlerweile Berechnungen des Umweltbundesamtes vor, welcher Beitrag der Verkehrssektor zur Treibhausgasminderung leisten könne. Vor allem aber hätten einige Gegner wie der ADAC und der Verkehrssicherheitsrat ihren Widerstand aufgegeben. Man sei daher „sehr optimistisch“, dass Tempolimits nach der Wahl kommen würden. Möglichst in den ersten 100 Tagen einer neuen Bundesregierung.

Was wollen die Umweltverbände?

Geht es nach der Umwelthilfe, wird es auf Autobahnen eine Begrenzung auf 120 Stundenkilometer geben, von sechs bis 19 Uhr verschärft auf 100. Außerorts sollen dann 80 und innerorts 30 Stundenkilometer gelten. Dadurch ließen sich bis 2034 rund 100 Millionen Tonnen CO2 einsparen, so Resch mit Verweis auf Zahlen des Umweltbundesamtes. Damit sich mehr Autofahrer an die Begrenzung halten, schlug Resch vor, die Geschwindigkeit mit Kameras („Section Control“) zu überwachen. Das sei datenschutzrechtlich „kein Problem“. Auch sollten die Bußgelder deutlich erhöht werden. Olaf Band, Vorsitzender des BUND, betonte, ein Tempolimit auf Landstraßen sei eine Sicherheitsmaßnahme angesichts des wachsenden Fahrradverkehrs. Die Zahl der gefährlichen Überholmanöver werde deutlich verringert.

Wie halten es andere Staaten?

Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die für Autobahnen noch kein Tempolimit eingeführt haben. So gelten etwa in den Niederlanden 100 Stundenkilometer, in Frankreich 130 und in Portugal 120. Was die Geschwindigkeitsbegrenzung innerorts angeht, sei in vielen europäischen Staaten ebenfalls schon Tempo 30 vorgeschrieben, so VCD-Chefin Kerstin Haarmann. In Deutschland wollten Städte wie Münster, Aachen, Bonn, Freiburg oder Augsburg das Tempolimit generell umsetzen. Doch die Straßenverkehrsordnung lasse dies nicht zu. Auch deswegen brauche es ein neues „Bundesmobilitätsgesetz“, um den Kommunen ein unkompliziertes Vorgehen zu ermöglichen.

Wofür plädiert die Polizei?

Sie will 130 Stundenkilometer auf Autobahnen festlegen. Begründet wird dies aber nicht mit Umweltaspekten. „Wir sind das denen schuldig, die jeden Tag auf der Autobahn fahren und arbeiten müssen“, so Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2020 hab es 2700 Verkehrstote gegeben, davon 400 auf den Autobahnen. Obwohl die Fahrzeuge immer sicherer würden, obwohl Corona die Mobilität im vergangenen Jahr eingeschränkt habe. Bei einem Tempolimit von 130 lasse sich die Zahl der Toten jährlich um 80 senken.

Welche Bundestagspartei ist für ein Tempolimit?

Die Grünen. Innerorts soll Tempo 30 die Regel sein, auf Autobahnen ein „Sicherheitstempo“ von 130 gelten. „Wir würden das gerne in der nächsten Bundesregierung einführen“, so Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kürzlich. Auch im Wahlprogramm der SPD heißt es: „Wir werden ein Tempolimit von 130 km/h auf Bundesautobahnen einführen.“ Für Limits plädiert ebenfalls die Linke: 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen, innerorts 30 km/h als Regelgeschwindigkeit.

Welche Parteien sind dagegen?

CDU und CSU. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet schmetterte kürzlich ein generelles Limit von 130 ab. „Warum soll ein Elektro-Fahrzeug, das keine CO2-Emissionen verursacht, nicht schneller als 130 fahren dürfen? Das ist unlogisch.“ CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer erklärte jetzt, die Forderung sei lediglich „ein politisches Kampfinstrument, für manche sogar ein Fetisch“.  Dagegen ist auch die FDP. Im Wahlprogramm liest man: „Wir Freie Demokraten sind gegen unverhältnismäßige Verbote in der Mobilität.“ Die AfD lehnt ein Tempolimit ebenfalls klar ab. Mehr noch: „Starre Tempolimits müssen regelmäßig überprüft werden und im Fall der Unbegründetheit wegfallen“, heißt es im Programm.

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