CDU in Bewegung Merz strebt in die Politik zurück

Berlin · Das Gerücht, CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz hätten schon eine Absprache über dessen Rückkehr in den Bundestag getroffen, wollte niemand direkt bestätigen. Ein Comeback gilt dennoch als wahrscheinlich.

 Friedrich Merz ist offenbar bereit, in ein mögliches künftiges Kabinett unter CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer einzutreten.

Friedrich Merz ist offenbar bereit, in ein mögliches künftiges Kabinett unter CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer einzutreten.

Foto: dpa/Jan Woitas

Das Regierungsviertel muss man sich in diesen Tagen wie einen großen Berg mit sehr viel Schnee bei Tauwetter vorstellen: die kleinste Bewegung kann alles ins Rutschen bringen und eine riesige Lawine an Reaktionen auslösen. Dementsprechend vorsichtig agieren die Akteure. Viele rechnen damit, dass sich die Lawine „Neuwahl Ende 2019“ in Bewegung setzen könnte. Auslösen möchte sie niemand und schon gar nicht so früh, vorbereitet sein wollen aber alle.

Zu einem der Planspiele gehört die Variante: Friedrich Merz mischt doch wieder mit. Der frühere „Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart spekuliert, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer habe Merz fürs Mitmachen gewonnen. Er wäre bereit, als Spitzenkandidat der NRW-Landesliste anzutreten – wann auch immer die nächste Bundestagswahl stattfindet.

Weder aus der CDU-Parteizentrale in Berlin noch aus der in Düsseldorf gab es eine  Bestätigung für diese Personalie. Friedrich Merz wollte persönlich keinen Kommentar dazu abgeben. Aus seinem engeren Umfeld hieß es aber auf Anfrage unserer Redaktion:  „Natürlich würde sich Friedrich Merz als neuer Wirtschaftsminister zur Verfügung stellen, wenn AKK ihn will.“ Dafür müsse er aber dann auch eine angemessene Absicherung bei einer Neuwahl haben.

Dass Merz für die NRW-CDU ins Rennen gehen könnte, erscheint dabei nur logisch. Ob Merz den Spitzenplatz des Landesverbands bei einer vorgezogenen Bundestagswahl dafür innehaben müsste, ist aber nicht gesagt. Normalerweise ist der Platz für den prominentesten NRW-CDU-Politiker in Berlin reserviert. 2017 war es der damalige Gesundheitsminister Hermann Gröhe, vier Jahre zuvor Bundestagspräsident Norbert Lammert. Nun müsste es eigentlich Gesundheitsminister Jens Spahn sein, aber auch Fraktionschef Ralph Brinkhaus könnte Ansprüche anmelden. Nicht zu vergessen der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Innenstaatssekretär Günter Krings.

Während des parteiinternen Wahlkampfs um den CDU-Vorsitz hatte Merz mehrfach deutlich gemacht, wie viel Freude er an der Rückkehr in die Politik hat. Nach seiner Niederlage im Dezember setzte zunächst ein Gezerre um seine neue Position in der CDU und die Frage ein, ob er nicht auch ohne Vorsitz Kanzlerkandidat werden könne. Darüber spricht kaum noch jemand. Vielmehr hat Merz nun erst einmal eine dienende Rolle als Vizechef des CDU-Wirtschaftsrats und Wahlkampfhelfer in Ostdeutschland akzeptiert. Keine schlechte Startposition für einen, dem vorgeworfen wurde, zu abgehoben zu agieren. Jedenfalls fand sich am Montag auch kein führendes CDU-Mitglied, das ein erneutes Comeback von Friedrich Merz für ausgeschlossen hielt.

Den Vorschlag für die Landesliste an Rhein und Ruhr wird NRW-CDU-Chef Armin Laschet mit den einflussreichen Bezirkschefs aushandeln. Dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Deal mit Friedrich Merz auch mit Laschet besprechen würde, gilt als zwingend.  „Auch eine AKK verfügt nicht über die Landesliste Nordrhein-Westfalens“, sagt einer.

Es ist hier und da schon Unmut zu hören über den Führungsstil der neuen CDU-Vorsitzenden.  Und zwar weniger aus dem Merz-Lager als aus dem Flügel, in dem viele Kramp-Karrenbauer verortet hatten: von Unterstützern der Kanzlerin beziehungsweise jenen, die deren Besonnenheit schätzen, selbst wenn sie mit ihr inhaltlich nicht einer Meinung sind.

Es irritiert etwa so manch einen, dass Merkel mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron vereinbart hat, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für Deutschland anzustreben, und Kramp-Karrenbauer nur von  einem europäischen Sitz spricht. Wie eine solche Abweichung am Montag in der Präsidiumssitzung aufgenommen worden sei, wurde CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak anschließend gefragt. Es gebe keinen Dissens zwischen Merkel und Kramp-Karrenbauer in der Europapolitik, sagte er.

Zu der erneut aufgeflammten Debatte um einen vorzeitigen Wechsel im Kanzleramt erklärte Ziemiak, viele Menschen wünschten sich Sacharbeit und keine neue Personaldebatten. Diese schadeten der Union. Zu den  Rücktrittsforderungen der konservativen Werte-Union sagte er: „Es gibt keine Äußerung von relevanten Politikern, die jetzt einen Wechsel in irgendeiner Form an der Regierungsspitze fordern.“

Die Debatte um ein frühzeitiges Aus der Koalition, die an diesem Donnerstag gerade erst ein Jahr alt wird, ist diffus. Ein Wechsel ohne Neuwahl etwa durch eine Fortsetzung der der großen Koalition unter Kramp-Karrenbauer oder eine neu gebildete Jamaika-Koalition gilt als unwahrscheinlich. Es bleibt also nur die Variante, dass die große Koalition an einer Sachfrage zerbricht. Differenzen gibt es genug, deren Tragweite reicht aber eigentlich nicht für einen Bruch.

Kramp-Karrenbauer selbst unternahm den Versuch, alle Spekulationen zu zerstreuen, sie wolle möglichst schnell ins Kanzleramt. Sie sagte Reuters-TV: „Ich sehe im Moment weder in der CDU noch in der SPD relevante Stimmen, die sich mit diesem Thema ernsthaft befassen. Und das ist auch richtig so. Denn wir haben eine Kanzlerin. Und wir wollen  – und ich an der Spitze will –, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt.“

(qua)
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