Schwerpunkt G-8-Gipfel Afrika will nach vorn

Düsseldorf (RP). In Heiligendamm an der Ostsee sollen Wege gesucht werden, wie dem zweitgrößten Kontinent aus dem Kreislauf von Armut, Perspektivlosigkeit und Krankheit geholfen werden kann. 240 Millionen Schwarzafrikaner leiden immer noch an Hunger.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum G-8-Gipfel
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Foto: AP

Ist Afrika wirklich auf dem Vormarsch, wie es Politiker und Wirtschaftler wenige Tag vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm beschreiben? Dort werden unter deutscher Präsidentschaft die wichtigsten Industrienationen der Welt unter Einschluss Russlands diskutieren, wie dem zweitgrößten Kontinent geholfen werden kann. Gastgeberin Angela Merkel hat Afrika im Vorfeld als Kontinent mit einem "unglaublichen Entwicklungspotential" bezeichnet. Die Kanzlerin meinte vor wenigen Tagen in Berlin, "wer Afrika heute als Investitionsstandort akzeptiert, wird morgen die Früchte ernten".

Doch zwischen wohlmeinenden Worten und der Wirklichkeit liegen Welten. Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 30000 zumeist aus Westafrika stammende Flüchtlinge bei dem Versuch aufgehalten, auf die spanischen Kanaren und damit auf das Gebiet der Europäischen Union zu gelangen. An der Mittelmeerküste bei den spanischen nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla sieht es seit Jahren nicht besser aus. Der frühere Innenminister der rot-grünen Koalition, Otto Schily (SPD), hatte den Bau von Auffanglagern in Nordafrika angeregt, um die Menschen daran zu hindern, auf lebensgefährlichen Wegen nach Europa zu gelangen.

Afrika zählt heute auf seinen 30 Millionen Quadratkilometern 53 Staaten mit fast 900 Millionen Menschen, das ist etwa ein Siebtel der Weltbevölkerung. Im 19. Jahrhundert wurde Afrika zum Schauplatz des Kolonialismus. Das war die Zeit, als die europäischen Mächte den Kontinent unter sich aufteilten. Es wurden Grenzen neu gezogen: Ethnische Gesichtspunkte traten hinter puren Machtinteressen zurück.

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges begann auch die Abkehr vom Kolonialismus. In den 50er und 60er Jahren wurden die meisten Staaten des Kontinents unabhängig. Die Folge waren oftmals Despotismus, Armut, Verschuldung und Landflucht. Kriege und Bürgerkriege, Hunger- und Naturkatastrophen verschlimmerten die Lage. Rund 230 Millionen Schwarzafrikaner leiden heute noch Hunger. Hinzu kommen schlechte medizinische Versorgung und die Bedrohung ganzer Länder durch Aids. Südlich der Sahara leben 70 Prozent aller HIV-Infizierten weltweit.

Afrika ist ein Kontinent junger Menschen. Während das Durchschnittsalter in Deutschland bei 43 Jahren liegt, beträgt es in Zentralafrika (Kongo, Ruanda, Sambia) 14 bis 17 Jahre, im Senegal, Nigeria oder Kamerun 18 bis 20 und in Ostafrika 18 Jahre. Die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit dieser Generation treibt viele zwangsläufig auf die Flüchtlingsrouten Richtung Europa.

Dabei ist Afrika kein armer Kontinent. Nur die Gewinne seiner Bodenschätze fließen zu oft in falsche Kanäle und kommen den Menschen kaum zugute. Wesentliche Ursachen der Fehlentwicklung sind Korruption und Vetternwirtschaft. In Angola wird zum Beispiel Erdöl gefördert, doch das Land mit einer Alphabetisierungsrate von 67 Prozent erhält Entwicklungshilfe aus Deutschland in Höhe von über neun Millionen Euro - und Angolas Präsident Dos Santos zählt zu den reichsten Männern der Welt.

Zu den Erdölländern gehören auch Nigeria oder Gabun, im Norden Algerien und Libyen. In Südafrika, Botswana und Simbabwe gibt es Kohle. Afrika verfügt über Erze, Gold und Diamanten, es exportiert Tee, Kaffee und Kakao. Doch Simbabwe, die einstige Kornkammer Afrikas, ist von Diktator Robert Mugabe zum Armenhaus runtergewirtschaftet worden. Die Vertreibung fast aller weißer Farmer hatte dem Land das Genick gebrochen. Fast 80 Prozent der Bevölkerung sind ohne Arbeit. Die Folge: Auch Simbabwe hängt am Tropf der internationalen Finanzhilfen.

Wer hat Schuld am Elend Afrikas? Bundespräsident Horst Köhler hatte auf seiner ersten Afrika-Reise (2004) in einer Rede vor der Afrikanischen Union den Finger in die Wunde gelegt. Zu lange sei alles auf den Kolonialismus, die ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die Multis, westliche Arroganz und Ausbeutermentalität reduziert worden. Afrikanisches Selbstverschulden sei ausgeblendet worden. Es gebe ein Versagen afrikanischer Eliten, es gebe Korruption, schamlose Bereicherung und Machtgier. Köhler, der zuvor Chef des internationalen Währungsfonds (IWF) war und ein erklärter Freund Afrikas ist, meinte damals: "Ich lasse mir nicht mehr weismachen, dass alles nur von außen kommt. Es kommt auch von Afrika selbst."

(RP)
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