Artenvielfalt-Verhandlungen der UN „Die Menschheit ist zur Massenvernichtungswaffe geworden“

Montréal · Fast 200 Länder arbeiten bei der COP15 in Montréal an einem Abkommen über die Artenschutz, das dieselbe Bedeutung wie das Pariser Klimaabkommen haben könnte. Doch es gibt Streit - etwa um Pflanzengift.

Artenvielfalt in NRW: Diese Tiere sind vom Aussterben bedroht
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Foto: Winfried Seppelt

UN-Generalsekretär António Guterres hat vor Beginn der UN-Biodiversitätskonferenz COP15 multinationalen Konzernen vorgeworfen, die Ökosysteme der Welt zu „Spielbällen des Profits“ zu machen. „Mit unserem grenzenlosen Appetit auf unkontrolliertes und ungleiches Wirtschaftswachstum ist die Menschheit zu einer Massenvernichtungswaffe geworden“, sagte er am Dienstag im kanadischen Montréal. Die Konferenz sei „unsere Chance, diese Orgie der Zerstörung zu stoppen“.

Die Chefin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) rief alle COP15-Teilnehmer eindringlich zum Handeln auf. Es sei „Zeit für jeden, einen Schritt nach vorne zu machen, das wird jetzt entscheidend“, sagte Unep-Chefin Inger Andersen. Es müssten „mutige“ Maßnahmen ergriffen werden.

Das Ziel der Delegierten aus fast 200 Ländern ist der Abschluss einer globalen Vereinbarung, um dem Artensterben bis 2050 wirksam Einhalt zu gebieten. Ein zentrales Vorhaben für die COP15 ist aus Sicht der Bundesregierung, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Fläche an Land und im Meer unter Schutz zu stellen.

Das erhoffte Artenschutzabkommen, das Umweltorganisationen in seiner Bedeutung mit dem Pariser Klimaschutzabkommen vergleichen, soll aber noch weitere Vorgaben enthalten. Es geht unter anderem um die Renaturierung zerstörter Ökosysteme, weniger Pestizideinsatz und weniger Plastikmüll. Wie beim Klimaschutz sollen alle Staaten auch für den Schutz der Biodiversität nationale Strategie- und Aktionspläne (NBSAP) vorlegen. Diese sollen dann auf Grundlage der Berichte des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) regelmäßig nachgebessert werden.

Doch nach drei Jahren zäher Zwischenverhandlungen zur Vorbereitung der COP15 bleibt eine Einigung ungewiss, da es noch etliche Streitpunkte gibt. Die drei zusätzlichen Verhandlungstage, die vom 3. bis 5. Dezember in Montréal stattfanden, wurden von vielen Umweltorganisationen und Beobachtern als enttäuschend und sogar besorgniserregend eingestuft. Es wurden demnach nur wenige konkrete Fortschritte erzielt.

„Wir haben nur noch wenige Tage, um entschieden zu handeln“, sagte Unep-Chefin Andersen. Es sei daher „absolut wichtig, dass alle Verhandlungsführer erkennen, dass wir uns auf der Zielgeraden befinden“.

Einer der größten Streitpunkte ist die Reduzierung von Pestiziden und Düngemitteln in der Landwirtschaft. Ein weiterer Streitpunkt ist die Unterstützung armer Länder beim Naturschutz durch Zahlungen reicher Länder.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warb zum Auftakt der Konferenz dafür, beim globalen Naturschutz auch die Rechte indigener Völker zu stärken. „Ein Schlüssel zum Erfolg bei der Weltnaturkonferenz ist es, nicht nur die Natur sehen, sondern auch die Menschen, die in und von der Natur leben“, sagte Schulze der Deutschen Presse-Agentur. Naturschutz funktioniere dann am besten, wenn er zugleich den Einheimischen eine wirtschaftliche Perspektive biete. Hier komme es auf die Entwicklungspolitik an. Sie müsse so gestaltet sein, dass es sich mehr lohne, „von der Natur zu leben als von ihrer Zerstörung“, betonte Schulze.

Vielfalt der Natur retten: Ein Korallenriff vor der australischen Ostküste im November 2022.

Vielfalt der Natur retten: Ein Korallenriff vor der australischen Ostküste im November 2022.

Foto: AP/Sam McNeil

Ursprünglich hätte der 15. Weltnaturgipfel - der unter dem Kürzel „COP15“ läuft - schon 2020 in China stattfinden sollen, wurde dann aber wegen der anhaltenden pandemischen Lage dort verschoben und zerteilt. Der erste Verhandlungsteil fand im vergangenen Oktober hauptsächlich online in Kunming statt.

(peng/AFP/dpa)
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