Nach Zulassung von Astrazeneca Spahn will Impfreihenfolge prüfen

Düsseldorf · Ärzte erwarten, dass der Impfstoff von Astrazeneca nur für Jüngere zugelassen wird. Am Samstag beraten die Gesundheitsminister über die Folgen. Die Terminvergabe in Nordrhein-Westfalen machte auch am Dienstag Ärger.

 Impfstoff von Astrazeneca.

Impfstoff von Astrazeneca.

Foto: dpa/Owen Humphreys

Der dritte Impfstoff für die Europäische Union ist in Sicht. Die EU-Zulassungsbehörde Ema will voraussichtlich am Freitag über das Vakzin von Astrazeneca entscheiden. Doch möglicherweise wird es nur für Menschen unter 65 Jahren zugelassen, weil der britische Hersteller kaum ältere Menschen in seinen Studien berücksichtigt hat. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte: „Acht Prozent der Probanden der Astrazeneca-Wirksamkeitsstudie waren zwischen 56 und 69 Jahren, nur drei bis vier Prozent über 70 Jahre.“

Das Ministerium und das Unternehmen wiesen aber Medienberichte zurück, wonach der Impfstoff von Astrazeneca bei Älteren nicht wirksam sein soll. Das Ministerium will nach der Ema-Zulassung prüfen, ob die Impfstrategie geändert werden muss. Bislang ist vorgesehen, dass die Älteren zuerst geimpft werden. „Ob und in welchem Umfang die Impfverordnung geändert werden muss, kann erst nach der Entscheidung der Ema und nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entschieden werden“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Das habe Jens Spahn (CDU) mit seinen Länderkollegen erörtert. Ebenso warnte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) vor Spekulationen. Man solle die Entscheidung der Ema abwarten, am Samstag würden die Gesundheitsminister dazu beraten.

Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, Frank Bergmann, geht davon aus, dass die Behörde die Zulassung beschränkt: „Er wird wegen der entsprechenden Studien wohl nur für Menschen bis 65 Jahre zugelassen werden.“ Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte: „Der Impfstoff ist bei Älteren sehr viel schlechter untersucht als bei Jüngeren. Dazu hat der Hersteller gerade noch mal neue Daten an die Behörde nachgeliefert, die in die Zulassungsentscheidung einfließen werden.“

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Josef Neumann, warnte: „Wenn wirklich nur bei einer derart geringen Zahl von Senioren die Wirksamkeit des Impfstoffs überprüft wurde, kann man nicht allen Ernstes erwarten, dass dieser eine Zulassung erhält.“ Er warf Laumann vor, die gesamte Impfstrategie auf Astrazeneca ausgerichtet zu haben. „Da erwarten wir jetzt klare Antworten, welche Alternativen er für die Menschen bereithält, die nicht mehr mobil sind.“

Astrazeneca hatte die EU bereits am Freitag mit der Ankündigung verärgert, weniger als geplant zu liefern. In Brüssel ist man empört. In Kommissionskreisen wird kritisiert, dass von Lieferproblemen bei Nicht-EU-Ländern nichts bekannt sei und Astrazeneca Vorauszahlungen erhalten habe. Ärzte-Präsident Klaus Reinhardt mahnte: „Die Bundesregierung und die EU sollten darauf drängen, dass die vertraglich zugesicherten Liefermengen und Liefertermine eingehalten werden.“ Gefährdete Gruppen müssten geimpft sein, bevor sich die britische Virusvariante ausbreite. „Da zählt buchstäblich jeder Tag.“

Auch die Kanzlerin will den Druck auf die Hersteller erhöhen. Angela Merkel sagte vor der CDU-Fraktion, man müsse die Produktionsstätten in Europa ertüchtigen. Sie sei zuversichtlich, „dass wir am Ende des Sommers jedem ein Impfangebot machen können“.

Die über 80-Jährigen, die derzeit einen Termin in einem NRW-Impfzentrum vereinbaren können, sind vom Wirbel um Astrazeneca nicht betroffen – ihr Impfstoff kommt von Biontech. Doch die Terminvergabe machte auch am Dienstag Ärger. Viele Bürger kamen am Telefon nicht durch oder erhielten online Fehlermeldungen – etwa dass es erst 2026 wieder Termine gebe. Am Mittag wurde die Vermittlung in Nordrhein zeitweise gestoppt, weil alle Termine für die ersten sechs Wochen vergeben worden waren. Dann wurden Termine für weitere drei Wochen bereitgestellt. KV-Chef Bergmann versicherte: „Woche für Woche stellen wir 70.000 Termine zur Verfügung.“ Jeder werde einen Termin erhalten, auch wenn dies bis April dauern könne. Ärger verursacht auch, dass pro E-Mail-Adresse lediglich eine Person, aber kein Ehepaar angemeldet werden kann. „Das werden wir ändern“, kündigte Bergmann an.

Laumann sagte, er verstehe die Frustration der Bürger, aber angesichts der Größe der Aufgabe sei der Impfstart in Nordrhein-Westfalen „sehr wohl gelungen“. 275.000 vermittelte Impftermine seit Montag zeigten, dass das System funktioniere. In NRW haben 850.000 über 80-Jährige Anspruch auf Termine.

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