„Muss freiwillige Entscheidung sein“ Lauterbach lehnt Impfpflicht für Lehrer und Erzieher ab

Exklusiv | Düsseldorf · Der SPD-Gesundheitsexperte hält nichts von einer Impfpflicht für Lehrer und Erzieher. Um Kinder besser zu schützen, fordert er die Stiko zur Freigabe der Impfungen ab 12 Jahren auf. Das NRW-Gesundheitsministerium weist auf die Unterschiede zur Pflichtimpfung bei Masern hin.

 Karl Lauterbach ist Gesundheitsexperte der SPD.

Karl Lauterbach ist Gesundheitsexperte der SPD.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Impfkampagne in Deutschland stockt. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurden am Sonntag so wenige Menschen geimpft wie zuletzt im Februar. Doch Forderungen nach Einführung einer Impfpflicht in Schulen und Kitas stoßen auf Ablehnung. „Eine Impfung gegen Covid-19 muss die freiwillige Entscheidung jedes Einzelnen sein. Hier muss und wird die Politik zu ihrem Wort stehen. Das gilt auch für Lehrer und Erzieher“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unserer Redaktion.

Der Mediziner Wolfram Henn vom Deutschen Ethikrat hatte zuvor eine Impfpflicht für das Personal an Kitas und Schulen gefordert, um Kinder zu schützen. Lauterbach schlägt einen anderen Weg vor: „Wegen der Delta-Variante werden wir eine Herdenimmunität von 85 Prozent brauchen. Umso wichtiger ist es nun, dass Kinder und Jugendliche, die und deren Eltern es wollen, nun leichter geimpft werden können.“ Der SPD-Politiker mahnte: „Die Ständige Impfkommission sollte die Einschränkung bei ihrer Empfehlung für Kinder aufheben.“ Bislang empfiehlt die Stiko die Impfung von Kindern ab zwölf nur bei Vorerkrankung, und viele Kinderärzte orientieren sich daran. Lauterbach mahnt: „In Großbritannien werden bereits ungeimpfte Kinder wegen schwerer Corona-­Erkrankungen in Kliniken eingewiesen. Das müssen wir vermeiden, und weiteres Homeschooling ist keine Alternative.“

Das NRW-Gesundheitsministerium lehnt ebenfalls eine Impfpflicht für Lehrer ab und erläutert, was bei Corona anders ist als bei Masern. Denn bei Masern gibt es seit einiger Zeit eine Impfpflicht für die Beschäftigten in Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen. Für Kinder und Jugendliche sei das Risiko für schwere Krankheitsverläufe und Langzeitfolgen bei einer Corona-Infektion verhältnismäßig gering, erläutert der Sprecher von Karl-Josef Laumann (CDU). „Bei einer Maserninfektion ist dies anders. Gerade bei kleinen Kindern ist das Risiko von schweren Komplikationen und Langzeitfolgen besonders hoch, so dass eine Impfpflicht sinnvoll ist.“ Eine Impfung schütze nicht nur den Geimpften, sondern auch sein Umfeld.

Wenn man eine Impfpflicht für Berufsgruppen diskutiert, rücken auch Krankenhäuser in den Fokus, zumal es zu Beginn der Impfkampagne Berichte über Impfskepsis dort gab. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hält allerdings nichts von einer Impfpflicht für die in den Häusern Beschäftigten: „Die Frage nach einer Impfpflicht stellt sich in den Krankenhäusern nicht. Impfquoten und die Impfbereitschaft sind unter Krankenhausbeschäftigten sehr hoch“, sagte DKG-Präsident Ingo Morell: „Uns wird regelmäßig von Quoten um 90 Prozent berichtet. Damit schützen die Beschäftigten in den Krankenhäusern sich und ihre Umgebung bereits so gut, wie es in wahrscheinlich kaum einem anderen Bereich der Fall ist.“

In Nordrhein-Westfalen haben 61,5 Prozent der Bürger mindestens eine Impfung erhalten. 46 Prozent sind bereits vollständig geimpft. Bis zur Herdenimmunität ist es noch ein langer Weg. Daher setzen immer mehr Kommunen und Impfzentren auf kreative Lösungen: In Olpe gab es Impfungen zum Frühshoppen-Konzert, in Attendorn zur Cocktail-Party. Im Rheinland setzen Städte auf Late-Night-Impfen. NRW hat seit Montag eine „Woche des Impfens“ ausgerufen.

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