Am Mittwoch im Bundestag Kontroverse Debatte um Impfpflicht erwartet

Berlin · Die Fronten für oder gegen eine allgemeine Impfpflicht sind verhärtet. Erstmals werden die Abgeordneten im Bundestag die Argumente dazu austauschen. Drei Anträge liegen vor. Zugleich wächst der Druck für Priorisierungen bei PCR-Tests.

 Im Bundestag findet an diesem Mittwoch eine Orientierungsdebatte zur Impfpflicht statt. (Archiv)

Im Bundestag findet an diesem Mittwoch eine Orientierungsdebatte zur Impfpflicht statt. (Archiv)

Foto: dpa/Kay Nietfeld

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich rechnet damit, dass es nach der ersten Bundestagsdebatte zur Impfpflicht am Mittwoch drei unterschiedliche Anträge geben wird. Dazu gehöre neben der bereits vorliegenden generellen Ablehnung einer Impfpflicht ein Antrag von Abgeordneten, die eine Impflicht ab 18 Jahren wollten und wahrscheinlich auch einer für eine Impfpflicht von Über-50-Jährigen.

Einer der Antragsteller ist der FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki. Er stuft eine allgemeine Corona-Impfpflicht unabhängig von Altersbeschränkungen als verfassungswidrig ein. „Eine Impfung, die nicht zu einer sterilen Immunität führt, ist aus meiner Sicht verfassungsrechtlich nicht begründbar", sagte Kubicki unserer Redaktion. „Das unterscheidet die Impfung gegen SARS-CoV-2 von der Impfung gegen Masern oder Pocken", sagte der Bundestagsvizepräsident. „Ich halte die Impfpflicht auch praktisch für nicht umsetzbar. Eine Impfpflicht widerspricht auch meinem Menschenbild“, erklärte der Jurist, der einen eigenen Abstimmungsantrag gegen jede Form einer allgemeinen Corona-Impfpflicht vorgelegt hatte. „Ich werbe für unseren fraktionsübergreifenden Antrag", sagte Kubicki. „Bei der altersgebundenen Impfpflicht gelten die Argumente gegen eine Impfpflicht ab 18 fort. Einen Kompromiss in grundrechtsrelevanten Fragen zu erwägen, halte ich für problematisch", sagte Kubicki mit Blick auf einen weiteren Abstimmungsantrag, der eine Impfpflicht ab 50 Jahren vorsieht.

Kubicki wies auch die Idee zurück, die Impfpflicht zu befristen oder von Indikatoren wie der Impfquote abhängig zu machen. „Aus meiner Sicht ist die Tatsache, dass auch Geimpfte und Geboosterte andere infizieren können ausschlaggebend. Weitere Bedingungen erübrigen sich auf dieser Grundlage", sagte er.

Ganz anders sieht das eine Gruppe von Koalitions-Abgeordneten um SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese Sie haben ihre Vorschläge bereits konkretisiert. Die Pflicht ab 18 soll ihrer Meinung nach auf ein bis zwei Jahre befristet sein und für nicht mehr als drei Impfungen gelten. Sollte eine vierte Booster-Impfung etwa für Ältere oder Menschen mit Vorerkrankung sinnvoll erscheinen, wäre sie freiwillig. Unterstützung kommt aus den Ländern. Saarlands Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte: „Wir brauchen eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren, um die noch immer zu große Impflücke zu schließen.“ Ansonsten werde man im Herbst mit den denselben Problemen kämpfen wie jetzt, so die Wirtschaftsministerin. „Ich setze darauf, dass ein entsprechender Antrag im Bundestag eine breite Mehrheit bekommt und vom Parlament ein Zeichen in die Gesellschaft gesendet wird. Das ist unsere Chance, die Pandemie loszuwerden“, sagte Rehlinger.

Unterdessen gab das Bundesgesundheitsministerium nach den Bund-Länder-Beschlüssen von Montag bekannt, dass es angesichts der massiv gestiegenen Corona-Infektionszahlen in Deutschland beim Einsatz von Tests deutlich nachjustieren will. Um die Kapazitäten zu erhöhen, sollen Anreize für PCR-ähnliche „Poc-nat“-Tests angehoben werden, wie es am Dienstag aus Ministeriumskreisen hieß. Konkret soll die Vergütung von derzeit 30 Euro auf mehr als 40 Euro erhöht werden.

Fürs „Freitesten“ aus der Isolation nach einer Infektion sollen auch für Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen nicht mehr PCR-Tests verpflichtend sein - sondern auch Schnelltests möglich sein, wie sonst auch. Zudem sind Änderungen dabei geplant, dass bisher nur PCR-bestätigte Fälle in die Statistik eingehen und etwa auch für Genesenen-Nachweise zählen. Nähere Angaben zu diesen geplanten Änderungen wurden zunächst nicht gemacht.

Für die genauen Vorgaben arbeitet das Bundesministerium derzeit an Änderungen mehrerer Verordnungen, wie es weiter hieß.

Zudem wurde bekannt, dass die Bundesregierung Ende Januar die erste Lieferung des Corona-Arzneimittels Paxlovid des US-Herstellers Pfizer erwartet. „Das Bundesgesundheitsministerium hat einen Vorvertrag zum Kauf von Paxlovid abgeschlossen und befindet sich derzeit in Verhandlungen über einen endgültigen Vertragsabschluss. Eine erste Lieferung des Arzneimittels ist für Ende Januar 2022 geplant“, heißt es in der Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Unions-Bundestagsfraktion. Sie liegt der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Mittwoch) vor.  Die Abgabe des noch nicht nach dem Arzneimittelgesetz zugelassenen Medikaments sei dann möglich, „wenn die zuständige Bundesoberbehörde festgestellt hat, dass die Qualität des Arzneimittels gewährleistet ist und seine Anwendung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zur Vorbeugung oder Behandlung der jeweiligen Erkrankung erwarten lässt“, heißt es in der Antwort. „Diese Feststellung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte liegt dem BMG vor“, so das Ministerium. „Nach den bislang vorliegenden Daten führt die Einnahme von Paxlovid innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten von Symptomen einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu einer statistisch signifikanten Verringerung der Hospitalisierung- und Sterberate“, schreibt das Haus von Minister Karl Lauterbach (SPD).

Fortschritte gibt es der Antwort zufolge auch beim so genannten Tot-Impfstoff der Firma Novavax. „Insgesamt erhält Deutschland in 2022 bis zu 34 Millionen Impfstoffdosen Nuvaxovid. Im ersten Quartal werden ca. vier Millionen Impfstoffdosen in mehreren Tranchen ausgeliefert“, so das Ministerium. „Die ersten Auslieferungen sollen nach Mitteilung der EU-Kommission in den Kalenderwochen acht bis elf erfolgen.“ Demnach könnte der Impfstoff ab dem 21. Februar verfügbar werden. Eine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) beim Robert Koch-Institut (RKI) stehe „zum jetzigen Zeitpunkt noch aus“, so das Ministerium. Sie sei aber keine Voraussetzung für die Durchführung der Impfungen. „Da der Proteinimpfstoff Nuvaxovid von Novavax in Deutschland zugelassen ist, kann eine Impfung unabhängig von der Stiko-Empfehlung nach ärztlicher Aufklärung und Einwilligung der zu impfenden Person durchgeführt werden, sobald der Impfstoff in Deutschland zur Verfügung steh“, schreibt das Ministerium. Der Tot-Impfstoff ist besonders relevant, weil durch sie ein Teil der Impfskeptiker erreicht werden könnte.

(jd/mar/dpa)
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