Fußball55076961 Der Traum vom Profi-Fußball lebt noch

Rheinberg · Nicolas Hirschberger aus Alpsray hat mit gerade einmal 21 Jahren schon eine bewegte Karriere hinter sich. In der Jugend spielte er für Schalke und Bochum. Seit Januar möchte er sich beim Regionalligisten VfB Homberg beweisen.

 Seit Januar läuft der gebürtige Alpsrayer Nicolas Hirschberger für den VfB Homberg auf. Ende November kam es zum Duell mit seinem Ex-Club Rot-Weiss Essen.

Seit Januar läuft der gebürtige Alpsrayer Nicolas Hirschberger für den VfB Homberg auf. Ende November kam es zum Duell mit seinem Ex-Club Rot-Weiss Essen.

Foto: Fupa

Mit gerade mal 21 Jahren hat Nicolas Hirschberger schon ein bewegtes Fußballerleben hinter sich. Speziell die vergangenen zwölf Monate waren für den gebürtigen Alpsrayer sehr ereignisreich und nicht immer einfach. Wenige Wochen nach seinem Vertragsbeginn beim damaligen Regionalligisten Wattenscheid 09 stellte der Traditionsverein im August 2019 einen Insolvenzantrag. Gehaltszahlungen blieben aus, für die Spieler begann eine Zeit der Ungewissheit. Im Oktober war dann Schluss, nach erfolgloser Sponsorensuche wurde der Spielbetrieb mitten in der Saison eingestellt. Wattenscheid stand als Absteiger fest, Hirschberger plötzlich ohne Club da. „Peter Neururer hat die Mannschaft als Sportdirektor auf dem Laufenden gehalten. Man musste sich seine Gedanken machen. Es war eine emotionale Achterbahnfahrt“, fasst der 21-Jährige die Erlebnisse rückblickend zusammen.

Anfang 2020 wagte Hirschberger den Neustart beim VfB Homberg. Am Duisburger Rheindeich kam der Mittelfeldspieler zunächst nicht über die Joker-Rolle hinaus. Dann funkte Corona dazwischen und sorgte für die nächste unfreiwillige Pause. Die Duisburger befanden sich zu diesem Zeitpunkt in akuter Abstiegsgefahr. Der pandemiebedingte Saisonabbruch ermöglichte dann aber ein weiteres Jahr in der Regionalliga West. Das Homberger Team, zu dem auch der frühere Sonsbecker Danny Rankl gehört, ist aktuell auf einem guten Weg in Richtung Klassenerhalt. „Das ist unser Ziel. Wir wollen uns in der Liga etablieren“, sagt Hirschberger, der mittlerweile regelmäßigere Einsätze bekommt. Da die Regionalliga nicht unterbrochen wurde, ist der Spielplan eng getaktet. „Die Belastung ist hoch. Das geht schon an die Substanz. Wir sind froh, das Privileg zu haben und werden mittlerweile vor jedem Spiel getestet.“

Bis Nicolas Hirschberger allerdings so richtig im Seniorenbereich angekommen war, hat es eine Weile gedauert. Seine bisherige Karriere dürfte dennoch jedem Nachwuchsfußballer beeindrucken. Als er 2018 aus der U19 in den Regionalliga-Kader von Rot-Weiss Essen aufrückte, sei er übermotiviert gewesen, habe sich aber gleichzeitig auch selbst besser kennengelernt. „Ich wollte sofort spielen und wurde von der Realität gebremst. Wie gut man in der Jugend war, zählt erst mal nicht mehr.“ Der Frust der Nicht-Berücksichtigung war groß. Erste Selbstzweifel kamen auf, sogar übers Aufhören dachte er nach. „Es war hart, aber man hat gelernt damit umzugehen. Mit jeder Erfahrung bin ich gewachsen und deutlich selbstbewusster geworden“, so Hirschberger.

Trotz aller Rückschläge, Drucksituationen und hohen Erwartungen aus dem Essener Umfeld möchte Nicolas Hirschberger die Zeit an der Hafenstraße heute keineswegs missen. Zu einigen Mitarbeitern und Spielern pflegt er noch Kontakt. Parallel zum BWL-Studium in Duisburg absolvierte er ein Praktikum in der RWE-Geschäftsstelle. Die tolle Kulisse hält er in positiver Erinnerung. „Vor 10.000 Zuschauern aufzulaufen, war schon ein geiles Gefühl.“ Im einzigen Spiel für RWE erzielte er kurz nach der Einwechslung ein Tor und trieb damit nicht nur seiner Mutter Tränen in die Augen. „Das hat mich selbst auch ganz schön mitgenommen. Meine Eltern fiebern immer mit und stehen hinter mir. Ich habe ihnen enorm viel zu verdanken“, sagt Hirschberger.

Ohne die Unterstützung der Familie hätte er es in seiner erfolgreichen Jugendlaufbahn wohl auch nicht in die „Knappenschmiede“ des FC Schalke 04 (2009-2012) und die Nachwuchsabteilung beim VfL Bochum (2014-2017) durchlaufen. Die damaligen Gegenspieler, denen der Sprung nach ganz oben gelang, kann Nicolas Hirschberger an einer Hand abzählen. Nationalspieler Kai Havertz ist einer davon. Dem Leistungsdruck ständig standzuhalten war in jungen Jahren nicht immer leicht. Von der Größe über die Physis bis zur Technik. „Wer nicht in die Schablone passt, wird aussortiert. Je früher man damit umgehen kann, desto besser“, sagt Hirschberger. Der Alpsrayer hatte seine Schwachpunkte, es fehlte damals vielleicht auch an der nötigen Reife. Neben jeder Menge Glück gehört zudem Fleiß und Disziplin dazu.

Noch heute ist Nicolas Hirschberger bereit, vieles zu opfern und weiß um sein Potential. Abgeschrieben hat er sich keineswegs. „Ich möchte auf jeden Fall noch ein, zwei Ligen höher spielen. In meinem Alter darf man noch träumen. Ich bin optimistisch, mache mir aber auch keinen Druck, wenn es nicht klappt.“ Der 21-Jährige bleibt realistisch. Momentan befindet er sich im sechsten Semester. Durch die wenige Präsenzzeit an der Uni hat er Zeit, weiter an sich zu arbeiten. Mit eigenen Hütchen und Leitern verbringt Nicolas Hirschberger auch schon mal mehrere Stunden auf dem Millinger Sportplatz oder im heimischen Garten. „Ich versuche mich ständig zu verbessern und will mich fordern.“

Auf dem linken und rechten Flügel fühlt sich der beidfüßige Offensivspieler am wohlsten, seine Stärken sieht er vor allem beim Dribbling im Eins-gegen-eins und beim Schuss. Zu seinem Heimatverein Concordia Ossenberg, wo er seine Anfänge im Bambini-Alter erlebte, hat er kaum noch Bezug. An freien Tagen findet man Nicolas Hirschberger dennoch auf einigen Amateurplätzen im Kreis, in erster Linie in Budberg. Dort feierte seine 15-jährige Schwester Isabell Marie kürzlich ihr Debüt in der Regionalliga-Mannschaft. Das nächste Talent in der Familie Hirschberger steht also bereit. Den großen Bruder macht das mit Sicherheit stolz.

(fkt/pm)
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