Montagsinterview Lara Kiwitt „Es gibt im Moment keine Planungssicherheit“

Wermelskirchen · Die Stadtbücherei ist auch im November, trotz des Lockdowns, geöffnet. Die stellvertretende Leiterin Lara Kiwitt spricht im Interview über die Bedeutung der Bücherei während der Pandemie und was mit dem „Drittem Ort“ eigentlich gemeint ist.

 Lara Kiwitt ist die stellvertretende Leiterin der Stadtbücherei an der Katt.

Lara Kiwitt ist die stellvertretende Leiterin der Stadtbücherei an der Katt.

Foto: Jürgen Moll

Frau Kiwitt, wie erleben Sie die aktuelle Zeit in der Bücherei?

Lara Kiwitt Natürlich hat das Coronavirus auch großen Einfluss auf den gesamten Büchereibetrieb. Wir sind aber sehr froh, dass wir den November über geöffnet haben dürfen. Das stand bis zuletzt auf der Kippe, da wir ja auch zu den Freizeit- und Kultureinrichtungen gehören. In den vergangenen Monaten hat sich zudem die Besucherzahl kontinuierlich gesteigert. Wir haben auch nach den Sommerferien wieder mit Schulklassenführungen sowie mit Veranstaltungen im ganz kleinen Rahmen und mit entsprechendem Hygienekonzept angefangen. Das ist jetzt alles leider erst mal wieder hinfällig.

Seit wann kann die Stadtbücherei denn wieder genutzt werden?

Kiwitt Wir haben, wie etwa auch die Schulen, am 16. März schließen müssen. Wieder geöffnet wurde dann am 4. Mai. An dem Tag selbst kamen auch wieder Besucher, aber man hat schon gemerkt, dass die Menschen sehr verunsichert waren. Zumal es damals auch hieß, dass man das Haus nur für das Nötigste verlassen sollte.

Wie sieht die aktuelle Situation aus?

Kiwitt Am Beispiel der Maske kann man das ganz gut beschreiben. Als wir wieder öffnen durften, sind auch viele Leute weggeblieben, weil sie gesagt haben, dass sie nicht mit der Maske in die Bücherei gehen wollten. Da ist man noch davon ausgegangen, dass das irgendwann wieder vorbei sein wird. Entsprechend wenige Menschen waren dann auch hier. Mittlerweile sind die Besucherzahlen wieder deutlich angestiegen – und auch die Maske ist für die meisten Menschen jetzt selbstverständlich geworden, weil man eingesehen hat, dass uns die Pandemie noch länger begleiten wird.

Welche Regeln sind für die Besucher einzuhalten?

Kiwitt Alle Veranstaltungen und Führungen sind im Moment wieder abgesagt. Wir beschränken uns jetzt auf das Kerngeschäft Ausleihe und Rückgabe der Medien. Es gibt auch auf der oberen Etage einen Internetplatz und einige Arbeitsplätze. Dort ist allerdings die Verweildauer begrenzt. Grundsätzlich gelten die AHA-Regeln – Abstand, Hygiene, Alltagsmaske. Die Besucher müssen sich die Hände am Eingang desinfizieren, die Maske muss die ganze Zeit getragen werden und man muss sich registrieren. Es sind nicht mehr als 30 Besucher gleichzeitig zugelassen. Nach dem ersten Lockdown haben wir mit 15 Besuchern gestartet, das sind sehr wenige auf die Quadratmeter, die wir haben. Daher haben wir die Zahl erhöht – und es ist immer noch eine sehr gute Zahl, die es nicht zu eng werden lässt.

Nutzen die Wermelskirchener das Angebot?

Kiwitt Vor Beginn des kleinen Lockdowns waren sehr viele Besucher da – um sich mit Büchern einzudecken und sich zu informieren, falls wir doch schließen würden. In der ersten Novemberwoche war dann ein bisschen weniger los. Ich glaube auch, dass nicht alle Nutzer wissen, dass wir geöffnet bleiben dürfen, obwohl wir es auf allen Kanälen mitgeteilt haben. Insgesamt steigt die Besucherzahl - im Mai waren es 1377 Besucher, im Oktober dann schon 2306. In normalen Zeiten haben wir um die 3500 Besucher pro Monat.

Sind denn in den vergangenen Monaten die Zahlen der „Onleihe“ gestiegen?

Kiwitt Es ist generell ein Zuwachs in den vergangenen Jahren bemerkbar. Aber während des ersten Lockdowns hat man es deutlich gesehen. Im März und April haben sich dreimal so viele Nutzer angemeldet wie in den Vorjahresmonaten. Über den Sommer hat es sich auf ein normales Level eingependelt. Dementsprechend sind auch die Zahlen gestiegen. Im gesamten Jahr 2019 hatten wir um die 10000 Entleihungen, jetzt sind wir im Oktober schon bei 11200.

Planen Sie, das Angebot verstärkt auszuweiten?

Kiwitt Das liegt nicht nur in unserer Hand, da die Bergische Onleihe ein Verbund von 14 Bibliotheken in Rhein-Berg und Oberberg ist. Es gibt bei E-Books allerdings eine rechtliche Lücke im Vergleich zu gedruckten Büchern. Bei gedruckten Büchern ist es nämlich so, dass alle Werke die auf den Markt kommen von jedem, also auch von Bibliotheken, ohne Einschränkungen erworben werden können. Bei E-Books gibt es diese gesetzliche Regelung nicht. Es gibt hierzu auch eine Kampagne des Deutschen Bibliotheksverbands mit dem Titel #buchistbuch, die das Ziel hat, dass gesetzlich verankert werden muss, dass E-Books den Bibliotheken im gleichen Maße zur Verfügung gestellt werden müssen. Insofern wird das Angebot schon erweitert, aber es gibt die eine oder andere rechtliche Hürde dabei, so dass es nicht in der Geschwindigkeit geschieht, wie wir uns das wünschen würden. Eine Stadtbücherei ist auch ein sogenannter Dritter Ort.

Was ist damit gemeint?

Kiwitt Man spricht von den drei Orten – der erste ist das Zuhause, der zweite die Arbeit und der dritte ist ein nichtkommerzieller öffentlicher Ort, an dem man sich im Stadtgebiet aufhalten kann. Das gilt – wohlgemerkt außerhalb von Corona – auch für unsere Stadtbücherei. Es kann jeder Bürger unabhängig von sozialen oder kulturellen Hintergründen zu uns kommen. Wir haben dabei etwa die ganzen Arbeitsplätze, den Co-Working-Space für Einzelpersonen und Gruppen, dazu Angebote wie den Stricktreff oder das Reparatur-Café.

Wann glauben Sie, dass diese Angebote wieder genutzt werden können?

Kiwitt Das ist schwer zu sagen, aus dem einfachen Grund: Es gibt im Moment keine Planungssicherheit. Das gilt leider für all unsere Angebote. Wir überprüfen regelmäßig, was wann und wie geht. Das hängt aber von den Infektionszahlen und den daraus resultierenden Verordnungen ab. Man muss flexibel sein und mitunter schnell reagieren.

Wie groß ist der aktuelle Medienbestand in der Stadtbücherei?

Kiwitt Wir haben 36109 Medien im Moment, davon ist ein Drittel für Kinder. Medien umfassen dabei Bücher, CDs, DVDs, Hörbücher, Zeitschriften – und unsere Bibliothek der Dinge mit ihren etwa 50 Alltagsgegenständen, die zu verleihen sind. Darunter etwa eine Nebelmaschine, ein Aktenvernichter oder auch Wikingerschach für draußen.

Nach welchen Kriterien werden die Medien ausgewählt, angeschafft und aussortiert?

Kiwitt Wir konzentrieren uns vor allem auf unsere Zielgruppen, also in erster Linie Kinder und junge Familien. Wir haben aber auch für alle anderen Gruppen Angebote. Natürlich sind alle Bestseller im Programm, wir nehmen aber auch Wünsche der Nutzer entgegen. Da wird allerdings überprüft, ob es ein sehr spezieller Wunsch ist, der gegebenenfalls über die Fernleihe bestellt werden kann. Grundsätzlich werden laufend Neuerscheinungen angeschafft, das Aussortieren der Medien ist hingegen ein größerer Prozess. Dafür haben wir beispielsweise in diesem Jahr den Lockdown genutzt. Medien werden nach Zustand aussortiert, aber auch danach, wie sie entliehen werden – oder eben auch nicht. Wir reagieren auf das Angebot auf dem Markt, aber auch auf die Nachfrage unserer Nutzer.

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