Beratung im Rhein-Kreis Jugendliche gehen zu sorglos mit Aids um

Rhein-Kreis · Die neue Aidsberaterin des Rhein-Kreises will auch über andere sexuell übertragbare Krankheiten aufklären.

 Astrid Cremer.

Astrid Cremer.

Foto: Rhein-Kreis

Frau Cremer, was sind Ihre Aufgaben?

Astrid Cremer Kurz gesagt: Beratung und Prävention. Zum einen kommen Menschen, die wissen wollen, ob sie sich mit dem HIV-Virus angesteckt haben. Wenn ja, geht es um Krisenintervention. Wie geht es jetzt weiter? Was muss ich machen? Wem muss ich oder will ich wann Bescheid sagen? Das sind nur einige der Fragen, die sich Frauen und Männer, die positiv getestet werden, stellen. Und natürlich stehen sie erst einmal unter Schock. Präventive Arbeit werde ich künftig vor allem in Schulen leisten und dort über den Schutz vor HIV und sexuell übertragbaren Krankheiten sprechen.

Wer kommt in Ihre Sprechstunde?

Cremer Leute, die wissen wollen, ob sie sich angesteckt zu haben, zum Beispiel nach einem One-Night-Stand sowie Paare, deren Beziehung gerade beginnt und die sich vor dem ersten sexuellen Kontakt gemeinsam testen lassen wollen.

Steigen die Fälle der HIV-Infizierten im Rhein-Kreis oder sinken sie?

Cremer Weder noch, ich würde sagen, die Zahlen stagnieren. Allerdings haben wir keine konkreten Zahlen für den Rhein-Kreis, sondern nur vom Robert-Koch-Institut für Nordrhein-Westfalen. Die aktuellsten von 2018. Da lebten in NRW 19.300 HIV-Infizierte, 15.600 Männer und 3700 Frauen. Im Jahr 2018 gab es 510 Neuinfektionen. Was sich aber wieder ausbreitet, sind sexuell übertragbare Krankheiten wie Tripper oder Syphilis. Gerade Syphilis-Symptome werden von den meisten nicht erkannt. Ein kleines Geschwür im Intimbereich, das gegebenenfalls schon nach wenigen Tagen bis Wochen wieder verschwindet. Und wenn dann mehrere Wochen später grippeähnliche Symptome mit Hautausschlag auftreten, bringt man das nicht unmittelbar mit einer STI (sexuell übertragbare Krankheit, Anmerkung der Redaktion) in Verbindung.

Welche Altersgruppe ist die für eine HIV-Infektion am gefährdesten?

Cremer Jugendliche und junge Erwachsene, die in den 90er und 2000er Jahren groß geworden sind. Sie haben die Situation, als die ersten schweren AIDS-Erkrankungen, die sehr häufig tödlich verliefen, die in den siebziger und achtziger Jahren auftraten, nicht präsent.

Heißt, sie gehen leichtfertig mit der Gefahr um?

Cremer Ich stelle immer wieder fest, dass für viele junge Männer Verhütung tatsächlich noch immer Frauensache ist. Doch die Pille schützt zwar vor einer Schwangerschaft, aber nicht vor AIDS. Und dann kommt hinzu, dass sie wissen, dass es doch längst Medikamente gibt.

Aber die gibt es doch auch…

Cremer Ja schon, aber nehmen muss man sie ein Leben lang, mit ihren Nebenwirkungen klarkommen und so leben, dass das Immunsystem unterstützt wird, denn HI-Viren greifen es an. Also keinen Alkohol trinken, nicht rauchen, ausreichend schlafen, sich gesund ernähren.

Wie wirken die Medikamente?

Cremer Dadurch wird das Virus unterdrückt, aber es verschwindet nicht. Es bleibt im Körper und wartet sozusagen darauf, wieder auszubrechen. Daher die lebenslange Therapie. Wird das HI-Virus nicht behandelt oder kann es durch die Medikamente nicht mehr zurückgedrängt werden, dann führt der Ausbruch zu AIDS. Diese Krankheit zerstört das Immunsystem. Eine kleine Erkältung kann so zu einer Lungenentzündung werden, an der der Mensch schließlich stirbt.

Sie bieten Tests an…

Cremer Ja, und das vor allem anonym. Es gibt zwei Verfahren: Neben dem üblichen Labortest wird auch ein Schnelltest angeboten. Bei beiden wird Blut abgenommen. Beim ersteren wird die Blutprobe an ein Fremdlabor geschickt und nach zwei bis drei Tagen ist das Ergebnis da. Der ungeschützte Geschlechtsverkehr muss aber, um das Virus nachweisen zu können, sechs bis acht Wochen her sein. Beim Schnelltest sogar zwölf Wochen. Die Blutprobe wird dabei in unserem eigenen Labor untersucht. Nach einer halben Stunde ist das Ergebnis da. Dieser Test kostet 6,30 Euro. Ist er tatsächlich positiv, veranlassen wir aber zusätzlich noch den Labortest.

Warum ist es wichtig, dass es eine öffentliche Aidsberatungsstelle gibt?

Cremer Die Scheu zu einem Arzt zu gehen, um Gewissheit zu haben, ist oft – trotz der Gefahr – sehr groß. Denn dort kann man nicht wie bei uns anonym bleiben.

Aber bei einem positiven Ergebnis ist es irgendwann mit der Anonymität vorbei?

Cremer Ja, denn für die medikamentöse Einstellung müssen die Patienten in Spezialpraxen oder eine Uniklinik gehen. Und dann kommt die Frage, wann sage ich es wem – Verwandten, Freunden, je nach Beruf dem Arbeitgeber. Auch dann stehe ich den Betroffenen zur Seite.

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