Schrauberstammtisch in Rheurdt Wenn sich die Natur ein Auto zurückholt

Rheurdt · Noch vier Wochen soll ein Mercedes 300 SE in Schaephuysen stehen, der die vergangenen vier Jahrzehnte unter Bäumen vor sich hinrottete.

 Karl-Peter Hauser hat den Zufallsfund auf dem Hänger aus Wassenberg geholt. In seinem Lokal trifft sich der Schraubertisch. Doch auch für den lohnt sich die Restauration nicht mehr. n diesem Fall hat die Natur gegen das Auto gewonnen.

Karl-Peter Hauser hat den Zufallsfund auf dem Hänger aus Wassenberg geholt. In seinem Lokal trifft sich der Schraubertisch. Doch auch für den lohnt sich die Restauration nicht mehr. n diesem Fall hat die Natur gegen das Auto gewonnen.

Foto: Arnulf Stoffel (ast)

Der Rahmen ist durchgerostet. Der Tank ist aus seiner Halterung gefallen. Und die hinteren Türen lassen sich nicht mehr öffnen, weil sich alles verzogen hat. Trotzdem ist noch die Eleganz zu spüren, die der Mercedes 300 SE versprühte, als er 1962 als W 112 („Lange Heckflosse“) vom Band lief, zum Beispiel vorne und hinten die rundgezogenen Panoramascheiben oder die Holz- und Lederausstattung im Innenraum. Rund vier Jahrzehnte rottete dieser Wagen in einem Garten in Wassenberg bei Heinsberg vor sich hin. Jetzt ist der durchgrünte Mercedes 300 SE im Hof der Gaststätte Hauser in Schaephuysen zu bewundern.

„Das Unternehmen Oscar Corres aus Wassenberg sollte ein Grundstück freiräumen, um es neu bebauen zu können“, erzählt Karl Peter Hauser als Wirt und Mitgründer des Stammtisches. „Nachdem es das Haus abgebrochen hatte, entdeckte es im Garten den Wagen, der total von Bäumen und Sträuchern zugewuchert war. Zuerst hat es die Kölner Abteilung des Vereins der Heckflossenfreunde angerufen. Denen war der Weg nach Wassenberg zu weit. Dann hat es uns angerufen. Mit 70 Kilometern sind wir auch nicht viel näher dran gewesen.“

Der 69 Jahre alte Schaephuysener, der in den 60er Jahren eine Lehre zum Kraftfahrzeugschlosser bei Mercedes-Benz in Krefeld absolvierte, fuhr mit einem Anhänger in die 18 000-Einwohner-Stadt westlich von Heinsberg. Das Forst- und Abbruchunternehmen von Oscar Corres hatte unter den Rahmen, der durchrostet war, aus Holz und Stahl einen neuen gebaut, um den durchgrünten Wagen heben zu können. Spezialtraktoren setzen das Fundstück auf den Anhänger von Karl Peter Hauser. „Ich habe mehrere Netze gebraucht, damit ich ausschließen konnte, dass bei der Fahrt keine Teile hinunterfallen“, erzählt der Schaephuysener.

 Selbst nach 40 Jahren lässt sich die Noblesse der einstigen Luxuskarosse mit Holzlenkrad und Ledersitzen erahnen.

Selbst nach 40 Jahren lässt sich die Noblesse der einstigen Luxuskarosse mit Holzlenkrad und Ledersitzen erahnen.

Foto: Arnulf Stoffel (ast)

Auf diesem Anhänger steht er jetzt auf dem Hof seiner Gaststätte. Dort zieht er die Blicke der Besucher auf sich und ist Fotomotiv, wie kürzlich, als sich 50 Mitglieder des Schrauberstammtisches dort trafen. „Technisch war der 300 SE Avantgarde, als er 1961 herauskam“, berichtet Jörg Wittenberg. „Es war das Spitzenmodell aus Untertürkheim.“ Das Stammtisch-Mitglied und 300-SE-Beistzer zählt auf: „Motorblock aus Aluminium, Einspritzanlage, Reihen-Sechszylinder mit 160 PS, 4-Gang-Automatik, Scheibenbremsen vorne und hinten, Luftfederung, Bremskraftverstärker, Servolenkung, Knautschzone und verstärkte Fahrgastzelle.“

Das hatte seinen Preis. 1961 kostete dieser Wagen 25 000 Mark in der Grundausstattung. Das entsprach fünf VW Käfern oder zweieinhalb Nettojahreseinkünften eines Angestellten. So wurde das Spitzenmodell bis 1965 nur 5200 Mal gebaut, gegenüber den anderen Heckflossenmodell mit fast einer Million.

Obwohl es selten ist, lohnt eine Restaurierung nicht. „Gut erhaltene Modelle kosten nur 30.000 bis 40.000 Euro“, erzählt Karl-Peter Hauser. „Eine Renovierung würde wahrscheinlich über 100.000 Euro verschlingen. Der Rahmen der Karosse ist vollständig durchgerostet und einige Teile fehlen.“ Das Nobelauto von einst könnte im Auto-Skulpturen-Park von Michael Fröhlich im Neandertal bei Erkrath seine letzte Ruhestätte finden: „Dort rotten schon 50 andere Autos vor sich hin, die meisten aus den 50er und 60er Jahren. Das hat seinen eigenen Charme. Bis Anfang August ist der 300 SE noch hier in Schaephuysen zu sehen.“ Michael Fröhlich wäre durchaus aufgeschlossen: „Darüber sollten wir sprechen“, sagte er auf Nachfrage der RP.

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