Interview Hans Wilhelm Reiners Bei Corona Höhepunkt noch nicht erreicht

Mönchengladbach · Der Oberbürgermeister spricht über wichtige Hygienemaßnahmen, die Arbeit des Stabs und den richtigen Zeitpunkt für die Absage von Großveranstaltungen.

 Als Oberbürgermeister hat Hans Wilhelm Reiners bei Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus das letzte Wort.

Als Oberbürgermeister hat Hans Wilhelm Reiners bei Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus das letzte Wort.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Seit Aschermittwoch betrifft das neue Coronavirus auch Mönchengladbach. Was haben Sie in der vergangenen Woche gelernt?

Reiners Vor allem habe ich gelernt, wie ungeheuer wichtig es ist, Ruhe zu bewahren, sich einen Überblick zu verschaffen und dann Entscheidungen zu treffen, die für möglichst viele Menschen nachvollziehbar sind. Aber es zeigt sich auch, wie schwer es ist, ungesteuerte Kommunikation wie in den sozialen Netzwerken im Griff zu behalten.

Wer trifft eigentlich genau die Entscheidungen, wenn akut reagiert werden muss? Der Oberbürgermeister? Das Gesundheitsamt?

Reiners Wenn das Gesundheitsamt eine Entscheidung trifft und sie schriftlich kommuniziert, dann steht darauf als Absender Stadt Mönchengladbach. Als Oberbürgermeister bin ich Behördenleiter und damit verantwortlich. Mit Hilfe von Fachleuten, in diesem Fall Medizinern, mache ich mir ein Bild, höre mir Empfehlungen an und wäge ab. Letztendlich muss ich  die Entscheidung treffen.

Sie kommen gerade aus der Sitzung des Stabs außergewöhnliche Ereignisse (SAE), der zurzeit täglich tagt. Wie ist die aktuelle Situation in Mönchengladbach?

Reiners Die Lage ist unverändert. Die Paul-Moor-Schule bleibt diese Woche geschlossen. Das Ergebnis des Tests der Lehrkraft steht noch aus. Ansonsten ist die medizinische Versorgungslage angespannt, die Ärzte und Krankenhäuser arbeiten am Anschlag, aber sie können die Situation noch gut handhaben. Es gibt momentan in der Notfallpraxis auch keinen Materialengpass mehr, sie wurde beliefert.

Wer gehört dem Stab außergewöhnliche Ereignisse an?

Reiners Das kommt auf das außergewöhnliche Ereignis an. In der jetzigen Lage sind neben dem OB der Ordnungsdezernent und die Gesundheitsdezernentin dabei, der Leiter der Feuerwehr, die Pressestelle, das Jugendamt, Schulamt und Schuldezernent, weil es ja auch um die mögliche Schließung von Kitas und Schulen geht. Außerdem haben wir den Kreis sehr früh um Vertreter der Krankenhäuser und der niedergelassenen Ärzte erweitert. Das hat sich als sehr positiv herausgestellt. Es geht schließlich um die Sicherung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.

Funktioniert alles oder müssen Sie nachjustieren?

Reiners Es funktioniert gut. Es wird deutlich, wie wichtig systematisches Vorgehen ist und dass die Kommunikation aller mit der Problematik befassten Einheiten im Stab außergewöhnliche Ereignisse eine wichtige Rolle spielt, um mit Augenmaß gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sicherlich muss immer mal wieder an der einen oder anderen Stelle nachjustiert werden. Das liegt aber in der Natur der Sache und ist der dynamischen Entwicklung der Lage geschuldet.

Landrat Stephan Pusch steht im Kreis Heinsberg sehr im Fokus der Öffentlichkeit als Krisenmanager, was von der Bevölkerung dankbar angenommen wird. Wie versuchen Sie, die Mönchengladbacher zu erreichen?

Reiners Jeder muss vor Ort sehen, wie er mit dem Thema umgeht. Das Format, das der Landrat verwendet, wollen wir noch nicht einsetzen. Bei uns ist die Situation eine andere und ich gehe davon aus, dass wir in Mönchengladbach  den Höhepunkt der Entwicklung noch nicht erreicht haben. Möglicherweise greifen wir später auf andere Instrumente der Kommunikation zurück.

Stehen Sie in Kontakt mit dem Landrat von Heinsberg, Stephan Pusch?

Reiners Die Gesundheitsämter stehen in intensivem Kontakt.

Das Land diskutiert darüber, ob man Großveranstaltungen wie ein Bundesligaspiel in der gegenwärtigen Lage durchführen kann. Borussia Mönchengladbach hat sich gerade für eine Durchführung des Spiels gegen Dortmund entschieden. Was halten Sie davon?

Reiners Es geht immer um eine angemessene Reaktion. Als erstes ist der Veranstalter für Durchführung oder Absage verantwortlich. Im Fall des Bundesligaspiels sagen die Mediziner übereinstimmend, dass keine konkrete Gefährdung von Besuchern erkennbar ist. Es ist weder bekannt, dass ein Infizierter das Spiel besuchen will noch erfolgt in jedem Fall eine Ansteckung.

Könnten Sie als OB das Spiel oder andere Veranstaltungen absagen?

Reiners Bei einer Veränderung der Lage kann das Spiel natürlich auch noch kurzfristig abgesagt werden. Das Gesundheitsamt ist wie immer bei der Abschlussbesprechung dabei. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen, Veranstaltungen zu besuchen oder eben auch nicht. Als Behörde kann die Stadt eine Veranstaltung absagen und das mittels Ordnungsverfügung auch durchsetzen. Aber eine solche Verfügung wäre auch beklagbar, sie muss also gut begründet sein. Veranstaltungen werden nur bei konkreter Gefährdung abgesagt, das heißt, wenn es zum Kontakt mit Infizierten kommen würde. So empfiehlt es auch das Robert-Koch-Institut.

Aktuell wirkt die Lage in Mönchengladbach noch relativ entspannt. Bleibt das so?

Reiners Aufgrund der Zahl von Infizierten glaube ich nicht, dass wir den Höhepunkt schon erreicht haben. Es kommt noch eine Welle auf uns zu und wir alle können darauf mit verstärkter Hygiene reagieren. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass die Krankheitsverläufe häufig sehr mild sind. Wir haben jetzt ein Infoblatt mit Piktogrammen für Schulen und Kitas vorbereitet, das auch in den Waschräumen ausgehängt werden kann. In manchen Grundschulen ist es üblich, dass sich die Kinder im Waschbecken im Klassenraum die Hände waschen, wenn sie auf der Toilette waren. So haben die Lehrer das Ganze im Blick. Solche Maßnahmen sind einfach und effektiv.

Sie haben sich gegen ein Diagnosezentrum entschieden. Warum?

Reiners Wir analysieren die Lage von Treffen zu Treffen. Es kann sein, dass später eine Anlaufstelle nötig wird, aber ich sehe die Gefahr, dass ein solches Zentrum überlaufen würde. Solange es in den Praxen zu organisieren ist, belassen wir die Dinge, wie sie sind.

Es gibt aber ein Konzept?

Reiners Es gibt Ideen, wie die Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung entsprechend genutzt werden könnte.

Was raten Sie den städtischen Töchtern? Quarantäne und Homeoffice oder eher Büro?

Reiners Ich bin sicher, der eine oder andere arbeitet bereits von zu Hause aus. Das lässt sich ja individuell vereinbaren. Von der Sozialholding habe ich gehört, dass die Pflegekräfte in den Altenheimen noch an Deck sind, die Bewohner aber auch sehr entspannt mit der Situation umgehen. Sie haben Schlimmeres erlebt.

Stimmt es, dass es ein paar Tage keine Corona-Tests mehr gab?

Reiners  Es gab einen Engpass bei den Tests, aber der ist behoben. Ich möchte aber betonen, dass vorsorgliche Tests absolut sinnfrei sind. Sie stellen einfach nur eine Momentaufnahme dar. Die Testergebnisse, egal ob negativ oder positiv, werden uns als Stadt übrigens unverzüglich mitgeteilt.

Wenn jemand, der alleinstehend und einsam ist, unter Quarantäne gestellt wird, wie kommt er an Lebensmittel?

Reiners Wenn sich jemand meldet, wird ihm auch geholfen. Wir haben auch die Hilfsorganisationen schon angesprochen und informiert. Wir wollen Probleme nicht kleinreden, aber sie lassen sich lösen.

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