Premiere im Theater Krefeld Hochspannung bei „Salome“

Krefeld · Richard Strauss‘ Oper begeistert das Krefelder Premierenpublikum. Regisseur Anthony Pilavachi zeigt ein brisantes Familiendrama - und die musikalische Leistung besticht: allen voran Dorothea Herbert. Sie schafft die Balance zwischen Mädchen und glutvoller Verführerin.

 Sie sieht ihn, sie will ihn. Weil Jochanaan (Johannes Schwärsky) Salome (Dorothea Herbert) zurückweist, will sie seinen Kopf.

Sie sieht ihn, sie will ihn. Weil Jochanaan (Johannes Schwärsky) Salome (Dorothea Herbert) zurückweist, will sie seinen Kopf.

Foto: Matthias Stutte

Vor 30 Jahren stand im Theater Krefeld-Mönchengladbach die „Salome“ von Richard Strauss zum letzten Mal auf dem Spielplan. Das war einer der Gründe, die Operndirektor Andreas Wendholz und Generalmusikdirektor (GMD) Mihkel Kütson bewogen, die dritte der Opern von Richard Strauss (nach „Guntram“ und „Feuersnot“) wieder einmal aufzuführen. Mit Anthony Pilavachi wurde ein Regisseur verpflichtet, der sich seit Jahren mit der auf einem Theaterstück von Oscar Wilde fußenden Literaturoper beschäftigt hat. Im Mönchengladbacher Haus war die Oper vor Corona zu sehen. Jetzt feierte sie umjubelte Krefeld-Premiere.

Die Handlung verlegte Pilavachi in die 1920er Jahre, ansonsten beließ er - bis auf den veränderten, aber sehr logischen Schluss (der nicht verraten wird) - alles in der originalen Fassung. Die „perversen Leute“ (Strauss) und die durch und durch verdorbene Gesellschaft zeichnete der Regisseur dank sorgfältiger Personenführung ebenso plastisch wie die Schilderung einer tragischen Familiengeschichte. Herodes heiratet Herodias, nachdem er deren Ehemann – seinen Bruder – hat töten lassen. Der Prophet Jochanaan klagt das Lasterleben der Herodias an, deshalb wird er von Herodes in einer Zisterne gefangen gehalten. Salome, Herodias‘ Tochter, verliebt sich in die Stimme des Propheten und ruht nicht eher, bis der ihr ergebene Narraboth - gegen Herodes‘ Befehl - den Gefangenen aus seinem Verlies holt.

Salome will den asketischen Fremden berühren und küssen, doch dieser verflucht sie und kehrt in die Zisterne zurück. Herodes bittet seine Stieftochter - sehr zum Missfallen von Herodias - für ihn zu tanzen, dafür verspricht er, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Sie erbittet den Kopf des Jochanaan – ein eigentlich undenkbares Ansinnen - das der König jedoch  schließlich erfüllen muss.

Für die grausame Geschichte hat Markus Meyer ein funktionelles, farblich sehr ansprechendes Bühnenbild geschaffen, das vom Bühnenboden, der von der mächtigen Abdeckung der Zisterne dominiert wird, über Treppen rechts und links zu sieben goldfarbenen, hohen Türen führt, die geöffnet den Blick in einen Festsaal freigeben. Durch Öffnen oder Schließen dieser Türen wird die Handlung immer wieder gut nachvollziehbar versinnbildlicht – ein gut durchdachter Einfall.

„Ein 16-jähriges Mädchen mit einer Isolden-Stimme“, so hatte sich Richard Strauss die Salome gewünscht. Dieser Vorstellung kam die Sängerin Dorothea Herbert verblüffend nahe. Wenn auch kein Teenager mehr, so ist diese Sopranistin wirklich noch jung, sie konnte das wohlstandsverwahrloste, trotzige, gelangweilte Geschöpf, das vor allem einsam ist, glaubhaft auf die Bühne bringen. Das Spiel mit der Erotik gelang ihr überzeugend, ebenso  - mittels sehr viel Stoff und Federboas – der berühmte Tanz.

Aber vor allem war es diese außergewöhnlich sinnliche, in allen Lagen vor Glut bebende Stimme, die weder Höhen- noch Tiefenbegrenzungen zu kennen scheint und im Forte ebenso begeisterte wie im zartesten Piano. Bewundernswert auch, wie Dorothea Herbert sich seit der Mönchengladbacher Serie vor drei Jahren stimmlich und darstellerisch weiterentwickelt hat – eine überragende Leistung.

Johannes Schwärsky gab dem unbeugsamen, für seinen Glauben unbeirrt einstehenden Jochanaan mit raumgreifendem Bass-Bariton und großem, auch körperlichem Einsatz die angemessene Würde. Andreas Hermann mit mal stählernem, dann wieder verführerisch lockendem, ausdrucksstarkem Tenor als seine Stieftochter begehrender Herodes überzeugte rückhaltlos.

Roswitha Christina Müller war die bis in die höchsten Sopranregionen giftende Herodias. Mit edlem Tenorglanz stattete Woongyi Lee den unglücklich liebenden Narraboth aus. Die kleinen Rollen waren allesamt zuverlässig besetzt – vor allem die der fünf Juden, die ihre schwierigen Ensembles überlegen meisterten.

 Salome ist ein Luxusgeschöpf der 20er Jahre. Zu ihren Füßen  liegen Narraboth (Woongyi Lee) und ein Page (Susanne Seefing).

Salome ist ein Luxusgeschöpf der 20er Jahre. Zu ihren Füßen  liegen Narraboth (Woongyi Lee) und ein Page (Susanne Seefing).

Foto: Matthias Stutte
 Herodes (Andreas Hermann) und Herodias (Roswitha Christina Müller)

Herodes (Andreas Hermann) und Herodias (Roswitha Christina Müller)

Foto: Matthias Stutte

Mihkel Kütson am Pult hatte mit seinen groß besetzten Niederrheinischen Sinfonikern die Klangpracht und die Besonderheiten der Strauss‘schen Musik, die die Schwelle von der Spätromantik zum Impressionismus markiert, sorgfältig herausgearbeitet – Bühne und Orchester waren sich stets einig. Nur hätte der GMD zuweilen die Klangmassen etwas zurücknehmen müssen, da etwa die volumenreiche Stimme Schwärskys phasenweise nicht zu hören war. Insgesamt erlebte das spürbar gebannte Publikum einen umjubelten Premierenabend, der auch einer großen Bühne zur Ehre gereicht hätte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort