Landtagswahl in NRW Kämpfen ohne Aussicht auf Sieg – warum?

Krefeld · Die Kandidaten der „Kleinen“ wie FDP und Grüne haben kaum Aussicht auf den Einzug in den Landtag. Warum treten sie  an?  Und warum machen die Kandidaten von SPD und CDU so oft das Rennen? Grund ist ein harter Ausleseprozess.

 „Ich sehe den Wahlkampf um das Direktmandat nicht als aussichtslos“: Benjamin Zander (Grüne, Wahlkreis 49).

„Ich sehe den Wahlkampf um das Direktmandat nicht als aussichtslos“: Benjamin Zander (Grüne, Wahlkreis 49).

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

In Krefeld gibt es nach Lage der Dinge nur einen einzigen Landtagskandidaten, der sicher in  den Landtag einziehen wird: Martin Vincentz von der AFD. Er ist  auf der Liste an Platz zwei gesetzt – wenn die AFD den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde in den Landtag schafft, ist er sicher drin, auch deshalb, weil die AFD in NRW kein einziges Direktmandat holen dürfte. So zieht die Liste komplett – anders als etwa bei der CDU, die viele Direktmandate holt, sodass die Liste weniger gut zieht. Auch für die beiden Krefelder Wahlkreise 48 und 49 wird erwartet, dass ein CDU- oder SPD-Kandidat jeweils das Rennen macht. In Krefeld ist es jedenfalls nicht so, dass ein Kandidat der „Kleinen“ – Grüne und FDP – so sensationell bei den Wählern ankommt, dass sie gegen den Trend ein Direkt-Mandat holen könnten. Warum treten sie dann überhaupt an in einem Kampf, den sie absehbar nicht gewinnen können – jedenfalls, wenn man Sieg als Einzug in den Landtag versteht?

Benjamin Zander, Direktkandidat  der Grünen im Wahlkreis 49, antwortet fast trotzig: „Ich sehe den Wahlkampf um das Direktmandat nicht als aussichtslos.“ Auch die FDP-Kandidatin für den Wahlkreis 48, Laura Stelzhammer,  sieht den Sinn ihrer Kandidatur nicht ausschließlich daran geknüpft, ob sie nun in den Landtag einzieht. „Ich würde mit einer Gegenfrage antworten“, sagt sie, „was heißt in diesem Fall eigentlich gewinnen? Wenn der einzige Gewinn wirklich nur der Sitz im Landtag wäre, dann müsste ich mich vielleicht tatsächlich hinterfragen. Aber aus meiner Sicht ist der Gewinn eben nicht so eng gefasst, im Gegenteil: Ich bin fest davon überzeugt, dass ich etwas gewinne, wenn ich mich bei freien, fairen und geheimen Wahlen den Bürgerinnen und Bürgern zur Wahl stelle.“

Zunächst ist es weder überraschend noch problematisch, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die großen Parteien das Rennen unter sich ausmachen. Wer als Wähler einer Partei zuneigt, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die Person, die diese Partei vertritt, zu wählen geneigt sein. Dahinter steht auch ein hartes Ausleseverfahren der Parteien.  Zum Kandidaten gewählt wird, wer Erfolg hat: In Krefeld haben sich die beiden CDU-Kandidaten  Marc Blondin (Wahlkreis 49)  und Britta Oellers (WK 48) bewährt, weil sie ihre Wahlkreise direkt gewonnen haben. Zu zeigen, dass man gewinnen kann, ist in der Politik nun mal die Hälfte der Miete. Auch die SPD-Politikerin Ina Spanier-Oppermann (WK 48) empfiehlt sich ihrer Partei als erfahrene Kommunal- und Landespolitikerin, der ein Direktsieg zugetraut wird. Ihre Parteifreundin Katharina Nowak (Kandidatin in  WK 49) ist ein neues Gesicht auf dem Spielfeld, das eben deshalb interessant ist: weil es neu ist und das Narrativ von einem zukunftszugewandten Generationswechsel glaubwürdig vertreten kann. Nicht umsonst hat die NRW-SPD einen Slogan wie  aus einem Nena-Song: „Für euch gewinnen wir das Morgen“. Man hört es förmlich: Irgendwo fängt irgendwann mit der SPD die Zukunft an . . .

 „Also ja, ich gewinne, weil wir gewinnen und am 15. Mai ohne Angst zu freien Wahlen gehen werden“: Laura Stelzhammer (FDP, Wahlkreis 48).

„Also ja, ich gewinne, weil wir gewinnen und am 15. Mai ohne Angst zu freien Wahlen gehen werden“: Laura Stelzhammer (FDP, Wahlkreis 48).

Foto: Samla Fotoagentur/samla.de

Wenn Kandidaten nicht funktionieren, werden sie von der Partei aussortiert. Insofern sind die Kandidaten immer auch das Ende eines politischen Ausleseprozesses.  Dass die Rechnung oft aufgeht, zeigt, dass der Publikumsjoker – die Partei, die den Kandidaten bestimmt – gut funktioniert. Denn natürlich können Parteien mit einer gut verwurzelten  Basis Stimmungen wittern und die richtigen Leute, die den Nerv treffen, nach vorne schieben. Das ist nicht schlecht oder anrüchig. Kandidaten reflektieren im besten Fall Wünsche und Vorlieben der  Wähler. Jagt einmal ein „Kleiner“ den Großen einen Wahlkreis ab, ist es auch deshalb schlagartig interessant, weil der sonst recht gut funktionierende Auswahlprozess einmal nicht funktioniert hat.

Hier liegt auch ein Grund, warum es für die „Kleineren“ FDP oder Grüne wichtig ist, Gesicht zu zeigen. Stelzhammer und Zander antworten übereinstimmend, dass es auch um die Zweitstimmen geht, darum, dass eine Partei über ihren Kandidaten das Zutrauen stiftet, das Wähler am Ende auch für die Vergabe ihrer Zweitstimme brauchen. Gleichwohl hoffen beide in einer hinteren Ecke ihrer politischen Seele, dass sich das Wahlverhalten vielleicht doch verschiebt und die Erststimme, mit der man den Kandidaten wählt,  nicht automatisch als „verloren“ gilt.

„Es ist eine Menge Überzeugungskraft, die ich jeden Tag aufbringe“, sagt Zander, „und auch wenn es am Ende nicht reichen sollte, den Wahlkreis direkt zu holen, so hoffe ich, mit einem guten Wahlkampf auch ein gutes Ergebnis für meine Partei erkämpfen zu können.“ Seinem  Eindruck nach seien die Wähler in den vergangenen Jahren viel offener geworden; sie hinterfragten viele Aussagen der klassischen Volksparteien mehr als früher, sagt er.  „Zudem schlägt in meiner Brust natürlich nicht nur das Herz für meinen  Wahlkampf, sondern auch das des Kreissprechers der Grünen in Krefeld für ein gutes Abschneiden meiner Partei.“ Zander ist erst seit 2020 politisch bei den Grünen aktiv – er ist noch zu neu, um über einen guten Listenplatz abgesichert zu sein. „Dafür kann man mich aber klar an meiner Haltung für Krefeld messen und damit versuche ich zu überzeugen“, sagt er.

Auch Stelzhammer ist tief überzeugt von ihrem Einsatz. Es sei eine Frage der Haltung. „Ich bin aus tiefer Überzeugung Freie Demokratin und mache mich stark für eine Politik, die das Individuum in den Vordergrund stellt und die sensibel ist für allzu wohlmeinende staatliche Einmischung. Das reicht oft nicht für ein Direktmandat – das ist aber kein Grund, davon zu lassen“, erklärt sie weiter.

Es sei ihre erste Landtagskandidatur, betont sie, „ich bin dankbar dafür und es macht mich, nicht zuletzt durch Putins brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine, auch ein Stück weit demütig, dieses Privileg zu haben. Also ja, ich gewinne, weil wir gewinnen und am 15. Mai ohne Angst zu freien Wahlen gehen werden.“ Sie sammle zudem „unheimlich viele neue Eindrücke, Erfahrungen und lerne meine Heimat noch einmal ganz anders kennen. Und auch wir als Gesellschaft gewinnen, wenn wir die Wahl haben. Um es einmal etwas pathetisch zu sagen, ich finde, dass unsere Demokratie gewinnt. Darum beneiden uns weltweit viele Menschen.“

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