Schulen und Thema Krieg Der Krieg ist Thema in den Klassenzimmern

Kleverland · Die Geschehnisse in der Ukraine beschäftigen die ganze Nation, auch für Schüler sind sie an der Tagesordnung. Die Schulen wollen sie mit ihren Fragen und Sorgen nicht allein lassen. Wir haben uns in Kleve und Goch umgehört, wie mit dem Thema umgegangen wird.

 Das Thema dieser Tage lässt niemanden kalt, auch die coolsten Jugendlichen stellen nun Fragen, die jahrzehntelang fast vergessen waren. Nicht auf alles können Lehrer beruhigende Antworten geben.

Das Thema dieser Tage lässt niemanden kalt, auch die coolsten Jugendlichen stellen nun Fragen, die jahrzehntelang fast vergessen waren. Nicht auf alles können Lehrer beruhigende Antworten geben.

Foto: dpa/Marijan Murat

Der Krieg in der Ukraine belastet alle Menschen, gerade Kinder und Jugendliche machen sich oft erhebliche Sorgen. Manche haben vermehrten Gesprächsbedarf, andere informieren sich lieber über Medien – und zwar nicht immer über seriöse. Als wäre die tatsächliche Lage nicht schon schlimm genug, werden auf manchen Kanälen die Ängste erst richtig geschürt. Die Rheinische Post wollte wissen, wie die Schulen in Kleve und Goch mit der Situation umgehen und sprach mit einigen Vertretern.

Im Regel- und Idealfall sind die Eltern die ersten, die mitbekommen, wenn ihr Kind psychisch belastet ist. Und in der Tat geht es seit einer Woche am Küchentisch um Themen, die für den Nachwuchs bisher ganz weit weg oder völlig unbekannt waren. Krieg in Europa, atomare Bedrohung, vielleicht bald wieder eine Wehrpflicht? Am Internatsgymnsium Gaesdonck in Goch leben Heranwachsende, die ihre Eltern nur an den Heimfahrtswochenenden sehen. Da müssen neben den Lehrern, die die Lage im Unterricht besprechen, die Erzieher einspringen. Direktor Markus Oberdörster ist der Ansicht, das Wichtigste sei für Kinder und Jugendliche derzeit ein verlässlicher Alltag; „die Coronazeit hat uns doch gezeigt, wie wesentlich feste, gewohnte Strukturen sind beziehungsweise wie sehr sie fehlen, wenn zum Beispiel der Schulbesuch ausgesetzt ist.“

Die Bezirksregierung hatte den Schulen eine Sammlung von Links zugeschickt mit Tipps zum Umgang mit der Situation und mit Adressen, wo sich auch Lehrer informieren können – etwa über die Bundeszentrale für politische Bildung. „Es wird aber niemand verpflichtet, dies zu nutzen, und wir sagen erfahrenen Lehrern auch nicht, wie sie das Thema in den Unterricht einbeziehen sollen. Natürlich gibt es Fächer, in denen sich Diskussionen besonders anbiete“, sagt Oberdörster. In der Tat berichten Schüler in diesen Tagen von intensiven Debatten etwa im Politik- oder Geschichtsunterricht. Kinder, die sichtlich Sorgen hätten, würden von Lehrern oder Erziehern angesprochen, aber dabei müsse man sensibel vorgehen. Die Gefühlslagen seien – auch bei Erwachsenen – sehr unterschiedlich, und Panikmache helfe niemandem weiter. „Wir versuchen, so weit wie möglich die Normalität zu wahren. Ein Problem ist  allerdings, dass anders als im Mathematikunterricht, wo der Lehrer die Lösung weiß und auch den Weg dorthin, dies im Falle des Kriegs anders ist. Wir können nur versuchen, je nach Alter der Schüler mit ihnen zusammen die Lage einzuordnen.“

Michael Janßen ist stellvertretender Leiter des städtischen Gymnasiums Goch und sagt, „das Thema fasst die ganze Schulgemeinde an, wir beziehen es nicht nur in den Unterricht in Politk oder Wirtschaft ein, auch die Klassenleitungen sprechen mit den Schülern. Ich weiß, dass die SV etwas plant, es ist die Rede davon, Plakate zu gestalten und vielleicht Friedenssymbole in die Fenster zu hängen.“ Jüngere Kinder zu informieren sei besonders schwierig; wenn sie etwas über die Wirkung von Atomwaffen erfahren wollen – was kann man ihnen da zumuten? Dem Internet die entsprechende Aufklärung zu überlassen, sei aber sicherlich nicht die richtige Lösung. Wobei es natürlich kindgerechte mediale Angebote gibt, aber die finden Kinder eher nicht von selbst, dabei müssen ihnen Erwachsene helfen.

Pascal Schaufenberg unterrichtet Geschichte an der Gesamtschule Mittelkreis in Goch. Er hat den Unterricht in der Oberstufe der Aktualität angepasst, erklärt den Jugendlichen jetzt die Blockbildung nach dem Zweiten Weltkrieg und wie sich der Kalte Krieg entwickelt hat – mit welchem Geschichtsbild  Putin (Jahrgang 1952) also aufgewachsen ist. Ohne einen gewissen historischen Hintergrund, findet Schaufenberg, kann man nicht auf vernünftigem Niveau debattieren. Eine Kollegin hat ihm erzählt, dass ein Fünftklässler „Putin ist ein Arschloch“ an die Tafel geschrieben hat. Das ist vielleicht nicht falsch, reicht aber als Analyse eher nicht aus.

Das Thema „Ukrainekrieg“ ist auch an Klever Schulen gerade vorherrschend. „Die Kinder sind verunsichert und brauchen Unterstützung und Informationen“, sagt Kristian Best, Schulleiter der Karl Kisters Realschule in Kellen.  Beim Öffnen der Homepage der Schule wird aktuell unmittelbar ein Info-Fenster angezeigt mit der Überschrift „Kriegerische Auseinandersetzungen in der Ukraine“. Dann werden Eltern und Schüler darauf hingewiesen, dass die Geschehnisse in der Schulgemeinschaft zu Fragen und Ängsten führen würden. Die Problematik würde man im Unterricht aufgreifen.  Schulleiter Best berichtet, dass nicht nur die Klassenlehrer, sondern auch Geschichts- und Politiklehrer über die Ukraine informieren, Religionslehrer würden dazu Gesprächsangebote für die Schüler anbieten. Außerdem plane die Realschule mit anderen Schulen ein gemeinsames Spendenprojekt.

An der Joseph-Beuys-Gesamtschule hat man bereits ordentlich Hand angelegt. Wir erreichen Schulleiter Christoph Riedl per Telefon im Auto auf dem Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze, mit einer Hilfslieferung voller Übernachtungsutensilien und Hygieneartikeln. Erst kurz zuvor hatte man zum Spenden aufgerufen, „innerhalb eines Tages haben die Eltern und Kinder unglaublich viele Sachen gesammelt“, freut sich Riedl. Am Freitagmorgen habe es an der Schule eine Schweigeminute im Gedenken an die Opfer gegeben und natürlich werde das Thema allgemein sehr ausführlich behandelt, so Riedl, der in seiner Sozialwissenschaften-Klasse über die Kriegsgeschehnisse informiert hat. Auch werden die Schüler darin unterstützt, seriöse und verlässliche Nachrichten zu finden und mit diesen richtig umzugehen. „Medienkompetenz ist schon seit Beginn der Corona-Pandemie zentral geworden, wir haben jetzt noch mal aufgesattelt“, sagt Riedl. Von direkt betroffenen Kindern an seiner Schule, die Eltern oder enge Verwandte in der Ukraine haben, wüsste er nicht. Doch es gebe Betroffene im Kollegium und Schüler, die Verbindungen zu ukrainischen Nachbarländern haben, ganz viele seien also „irgendwie damit verknüpft“. Insgesamt empfinde er die Atmosphäre an der Schule aber als sehr gut, die Kinder seien gut informiert und könnten kritisch nachfragen.

Timo Bleisteiner, Direktor des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums, ist es wichtig, für die Schüler da zu sein: „Sie erleben, dass sie mit ihren Ängsten nicht alleine dastehen, sie können sich äußern und Stellung beziehen“. Auch als Erwachsener haben man sicher viele Fragen, doch man sei bemüht, Unsicherheiten bei Schülern nicht zu verstärken, Beratungslehrer und Sozialarbeiter würden Unterstützung anbieten. Die Schule habe bereits Friedensaktionen im Zeichen der Solidarität gestartet, beispielsweise habe man Friedenstauben gebastelt und im Foyer aufgehängt, die Schülervertretung sammle Spenden ein.

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