Prozess wegen Kindesmissbrauchs Gefängnisstrafe für Pädagogen – Gericht sieht Wiederholungsgefahr

Kleve/Kevelaer · Drei Jahre und neun Monate Gefängnis – so urteilte das Landgericht Kleve im Prozess gegen einen Pädagogen aus Kevelaer wegen Kindesmissbrauchs. Der Richter sagte, der 50-Jährige hätte schon vor Jahren Konsequenzen ziehen müssen.

Der Angeklagte am ersten Prozesstag im Landgericht Kleve.

Der Angeklagte am ersten Prozesstag im Landgericht Kleve.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Drei Jahre und neun Monate muss ein Pädagoge aus Kevelaer wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 33 Fällen ins Gefängnis. Das hat am Freitag die 7. große Strafkammer des Landgerichts Kleve entschieden. Als der Vorsitzende Richter Christian Henckel die Urteilsbegründung vorliest, sitzt der 50-Jährige zu ihm gewendet auf der Anklagebank, hört regungslos zu. „Die Taten stehen für die Kammer sicher fest, daran besteht überhaupt kein Zweifel“, sagt der Richter. Der Mann aus Kevelaer hat zwischen 1998 und 2002 seinen Neffen mehrfach sexuell missbraucht, teils schwer. Zwischen 2013 und 2019 ist es zudem bei Ferienfreizeiten und Schulprojekten, die der Pädagoge leitete, zu zehn weiteren Taten gekommen.

„Sie haben eine massive pädophile Neigung“, sagt der Richter zu dem 50-Jährigen. Dass der Pädagoge sich die Arbeit mit Kindern ausgesucht habe, um dieser Neigung nachzugehen, glaube die Kammer aber nicht. Doch nach dem ersten Übergriff auf einer Ferienfreizeit im Jahr 2013, so der Richter, hätte der Pädagoge eine Konsequenz ziehen müssen. „Sie hätten eine Therapie machen oder mit den Fahrten aufhören müssen. Aber das wollten Sie offensichtlich nicht. Sie wollten es nicht beenden, um nicht auf solche Gelegenheiten verzichten zu müssen.“

Der Kevelaerer hatte bei den Fahrten über mehrere Jahre acht Jungen im Schlaf angefasst, teilweise sich selbst befriedigt. „Dass das strafbar ist, wussten Sie“, sagt Richter Henckel. Mit seinen Taten habe der Pädagoge das Vertrauen und das Selbstwertgefühl der Kinder geschädigt. Der Richter spricht von einer „Erschütterung des Urvertrauens“, weil die Berührungen im Schlaf passierten. „Es mag sein, dass Sie sich gewünscht haben, dass die Kinder schlafen. Aber letztlich war Ihnen das Aufwachen der Kinder egal.“

Die Staatsanwaltschaft hatte eine vierjährige Freiheitsstrafe gefordert, die Nebenklage sogar eine Haftstrafe nicht unter fünf Jahren. Eine Strafminderung erließ die Kammer wegen des Geständnisses, das den jüngsten Opfern die Aussage vor Gericht ersparte. Zudem sei das Geständnis von Einsicht und Reue geprägt gewesen. Dem gegenüber stünden die Taten an sich, die Umstände, die Folgen für die Opfer. Der Missbrauch der Jungen habe sich über einen langen Zeitraum gezogen, die Intensität immer weiter zugenommen. Anders als der psychologische Gutachter sieht die Kammer durchaus eine Wiederholungsgefahr. „Dass Gelegenheiten wegfallen bedeutet nicht, dass keine Wiederholungsgefahr mehr besteht“, so Richter Henckel.

Kostenpflichtiger Inhalt Das Umfeld des Pädagogen war offenbar ahnungslos, wie sich in dem Prozess zeigte. Freunde und Kollegen beteuerten vor Gericht, nichts von der sexuellen Neigung des 50-Jährigen gewusst zu haben. Die Fälle sind im Juni 2019 bekannt geworden, nachdem sich ein Opfer anderen Betreuern anvertraut hatte. Daraufhin offenbarte sich auch der mittlerweile 29 Jahre alte Neffe des Kevelaerers und drängte ihn zu einer Selbstanzeige. Der Sozialpädagoge sitzt seit Juli in Untersuchungshaft.

Die Strafkammer schränkte das Verfahren am letzten Verhandlungstag ein. So hatte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten sexuellen Missbrauch von Kindern in 52 Fällen vorgeworfen. Wegen unterschiedlicher Angaben zur Anzahl der Delikte reduzierte die Kammer diese Zahl und ging am Ende  von 33 Fällen aus, davon sechs Mal schwerer sexueller Missbrauch.

Der Verteidiger des Angeklagten sagte zum Schluss der Beweisaufnahme, dass er allen betroffenen Familien Briefe geschickt habe. Darin bittet der Angeklagte um Entschuldigung und bietet als Zeichen der Reue ein Schmerzensgeld von jeweils 1000 Euro an.

Das Verfahren wegen des Besitzes von kinderpornografischen Bildern wurde eingestellt. Bei einer Hausdurchsuchung hatten Ermittler auf einem Laptop, einer Festplatte und zwei USB-Sticks insgesamt 27 Bilder von Kindern in geschlechtsbetonter Körperhaltung gefunden. Der Angeklagte dementierte, kinderpornografisches Material selbst hergestellt oder verkauft zu haben, er habe lediglich entsprechende Stichworte in Suchmaschinen eingegeben. Die Bilder seien dann in einem Mini-Format automatisch in einem Speicher gelandet. Ob das strafrechtlich relevant ist, sei umstritten, so der Richter. Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.

(veke)
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