Kultur in Kamp-Lintfort Ein kleines Publikum für „Lola Blau“

KAMP-LINTFORT · Das Westfälische Landestheater gastiert mit dem Musical von Georg Kreisler in der Europaschule.

 Das Westfälische Landestheater brachte ein Musical von Georg Kreisler auf die kleine Bühne in der Aula der Europaschule in Kamp-Lintfort.

Das Westfälische Landestheater brachte ein Musical von Georg Kreisler auf die kleine Bühne in der Aula der Europaschule in Kamp-Lintfort.

Foto: Arnulf Stoffel/Arnulf Stoffel (ast)

Mit den „Blues Brothers“, „Liebesperlen“ sowie der „Rolling Stones Show“ hatte das Westfälische Landestheater die Stadthalle gefüllt. Das war am Dienstagabend anders. Nur 40 Zuschauer wollten das Musical „Heute Abend: Lola Blau“ sehen, die aktuelle Musikproduktion des Westfälischen Landestheaters. Das war vor allem dem Raum geschuldet: der Aula der Europaschule im Gestfeld. Sie ist zu klein, um allen Abonnenten Platz anzubieten. Die Stadthalle wird zurzeit renoviert. Dabei hätte das Musical, das 1971 von Georg Kreisler (1922 bis 2011) für seine dritte Frau Topsy Küppers geschrieben wurde, mehr Zuschauer verdient gehabt.

Der österreichische Komponist, Sänger und Dichter greift dabei auf das Leben von Friedrich Hollaender (1896 bis 1976), dem Vater seiner ersten Frau Philine Hollaender, zurück, den er verehrte. Hollaender war der Haus- und Hofkomponist von Marlene Dietrich gewesen, der zum Beispiel 1930 für sie und den Film „Der Blaue Engel“ die Lieder „Ich bin die fesche Lola“ oder „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ schrieb. Er musste drei Jahre später vor den Nationalsozilisten fliehen, ging nach Hollywood, wo er nicht Fuß fassen konnte, um dann nach Deutschland zurückzukehren, wo ihm ein Neuanfang missglückte.

Im Musical „Heute Abend: Lola Blau“ überträgt Georg Kreisler Versatzstücke dieser Lebensgeschichte, die Parallelen zu seiner eigenen aufweist, auf eine jüdische Schauspielerin, die in Linz von der großen Karriere träumt. Dieser Traum endet, als die Nationalsozialisten im Mai 1938 Österreich besetzen und sie zur Flucht zwingen. Sie, die Naive, die unpolitisch sein wollte, wird in den USA eine Nacht-Club-Berühmtheit. Mit durchsichtigen Kostümen und schlüpfrigen Liedern, zum Beispiel „Sex Is A Wonderful Habit“ wächst ihr Erfolg, wie ihre Einsamkeit. Diese spült sie in ihrem Zimmer und ihrer Garderobe mit Alkohol herunter. Nachdem der Weltkrieg 1945 vorüber ist, kehrt sie nach Wien zurück, um festzustellen, wie wenig sich die Stadt gewandelt hat und wie sehr sie sich selbst – von einem naiven Mädchen zu einer desillusionierten Frau.

Schauspielerin Samira Hempel verkörpert Lola Blau, so als sei sie sie selbst, zum Beispiel wenn sie „Ich hab‘ die Liebe in der Tasche“ singt. Ihre Freude ist zu spüren, diesen Song als Unterhaltungsstück zu interpretieren, wie die anderen. Begleitet wird sie von Tankred Schleinschock am Klavier, der das Musical auch inszeniert hat und darin mehrfach als Bauchladenhändler zu sehen ist. Immer wieder taucht Mike Kühne auf, sei es als nationalsozialistischer Zimmerwirt oder als hintersinniger Garderobiere. Die Drei erzählen zusammen mit viel Gefühl eine melancholische und traurige Musikgeschichte. Diese kam am Dienstagabend an, wie der Applaus zeigte.

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