Vortrag in Kaarst Peter Sloterdijk enttäuscht das Publikum

Kaarst · Der Philosoph Peter Sloterdijk hielt am Dienstagabend einen Vortrag in Kaarst. Viele Besucher verließen die Veranstaltung in der Rathaus-Galerie jedoch vorzeitig.

Mit knapp 250 Besuchern ist eine Veranstaltung der Reihe „Dialog Zukunft – wie wollen wir leben“ selten so gut besucht gewesen wie der Abend mit dem Philosophen und Buchautor Professor Peter Sloterdijk in der Rathaus-Galerie. „Politik in Masken – Über das Demokratie-Dilemma“, lautete das Thema. Der 72-Jährige fühlte sich allerdings nicht verpflichtet, sich ausschließlich an diese Themenvorgabe zu halten. Er breitete stattdessen sein Wissen vor dem Publikum aus, vermied es aber weitestgehend, Bezüge zur Gegenwart herzustellen. Das enttäuschte etliche Besucher – sie verließen die Veranstaltung vorzeitig. Ein junger Zuhörer äußerte sich kritisch: „Ich hätte mir eine einfachere Sprache gewünscht.“ Und dass der Philosoph exakter auf Fragen des Publikums geantwortet hätte. Dafür gab es Applaus.

„Wir sind alle sehr gespannt auf unseren prominenten Gast“, sagte Moderatorin Birgit Wilms einleitend. Der kündigte eine Exkursion in die Antike an, diagnostizierte am Beispiel der Vergewaltigung der Lucretia, was das Virus der gemeinsamen Empörung für Folgen haben kann. Demokratie ist für Sloterdijk so etwas wie eine Spielwiese für männliche Ambitionen, für Männer-Größenwahn. Sloterdijk erlaubte sich hier und da einen Schlenker und dann blitzte auch sein Humor auf. Eine Kostprobe: „Bürgermeisterinnen gab es in der Antike keine einzige – da muss irgendwas passiert sein.“ Die Zuhörer lernten den Verfassungskreislauf von Polybios kennen, erfuhren, dass auf gute Zeiten schlechte Zeiten folgen. Dem Staatsterrorismus schiebe das deutsche Grundgesetz einen Riegel vor: „Die Souveränität des Einzelnen bedingt, dass der Staat ihm kein Unrecht zufügt, obwohl er das könnte.“ Demokratie definierte Sloterdijk so: „Sie ist eine Verabredung zwischen Menschen, sich ihre Intelligenz gegenseitig zur Verfügung zu stellen, um die bestmögliche Lebensform für Viele bieten zu können.“ Dass sich nicht alle Menschen vertreten fühlen, sei „das Dilemma jeder repräsentativen Demokratie“.

Für ihn steht auch fest, dass ein Parlament nie ein Spiegelbild der Gesellschaft sein kann. Die Zuhörer erfuhren vom Wagnerschen Gesetz, wonach der Staat seine Ausgaben überproportional zum Bruttosozialprodukt ausweitet. Der Begriff hierfür lautet Fiskokratie. „Ist Demokratie ein Luxussystem in Zeiten, wo schnelle Antworten erwartet werden?“, wollte ein Zuhörer wissen. Sloterdijk blieb eine ernsthafte Antwort schuldig. Eine griffig-bissige Definition von Parteien aus dem Munde eine Philosophen: „Sie sind in der Regel eine Plattform, die die Urteilsfähigkeit von Menschen so stark deformieren, dass sie ständig wider besseren Wissens etwas tun.“ 

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