Buchkritik zu Jean-Pierre Wils Darf Suizid zur Normalität im Alltag gehören?

Kranenburg · Der in Kranenburg lebende Philosoph Jean-Pierre Wils hat ein neues Buch über den Umgang mit dem selbstbestimmten Sterben geschrieben.

 Jean-Pierre Wils in seinem Haus in Kranenburg.

Jean-Pierre Wils in seinem Haus in Kranenburg.

Foto: Markus van Offern (mvo)

(mgr) Der Titel provoziert: „Sich den Tod geben“ ist schwarz auf weißem Grund mit geschwungener Schreibschrift fast schon fröhlich auf das Buch-Cover gesetzt. Der Untertitel könnte noch eins „draufsetzen“: „Suizid als letzte Emanzipation?“ Selbstmord also als letzter Schritt, ganz autonomer Mensch zu sein und selbstbestimmt über sein Leben verfügen zu können. Doch so einfach macht es uns Jean-Pierre Wils, Philosoph und Professor an der Radboud-Universität in Nimwegen in seinem neuen Buch, das jetzt bei Hirzel erschienen ist, nicht.

Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung nimmt in seinem Vorwort und im Klappentext für das 190 Seiten starke Bändchen die eigentliche Fragestellung vorweg: Es dürfe keinen gesellschaftlichen Druck geben, sich selbst zu töten und es gelte nicht nur das Recht zum selbstbestimmten Sterben zu sichern, sondern auch das zum selbstbestimmten Leben. Wils diskutiert, wie man mit der Möglichkeit umgeht, einen selbstbestimmten Tod herbeiführen zu dürfen oder herbeiführen dürfen zu lassen – beim assistierten Suizid. So, wie es das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom vergangenen Jahr möglich macht. Es gibt eine Abwägung zwischen Leben und Tod, zwischen absoluter Autonomie oder ob man nicht doch ein fetteres Fragezeichen hinter dem Suizid als letzte Emanzipation setzen muss. Ohne dabei die Möglichkeit eines selbstbestimmten Sterben verwerfen zu wollen. Ein wichtiger Hebel in Wils Argumentation: Darf der Griff zur Tod bringenden Ampulle zur Normalität werden, zum Alltag?

 Jean-Pierre Wild, Sich den Tod geben. Hirzel Verlag, 190 Seiten, 24 Euro,  ISBN 978-3-7776-2940-7

Jean-Pierre Wild, Sich den Tod geben. Hirzel Verlag, 190 Seiten, 24 Euro,  ISBN 978-3-7776-2940-7

Foto: Matthias Grass

Es ist ein spannender Diskurs über das Für und Wider eines selbstbestimmten Sterbens nach einem selbstbestimmten Leben und auch über den Umgang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) vom Februar 2020, den Wils da mit seinem Leser führt. Ein Blick zurück über die Diskussion zum selbstbestimmten Suizid über Kant bis zu antiken Philosophen ebenso wie der kritische Blick über den aktuellen Umgang mit der Möglichkeit des selbstbestimmten Sterbens und einem Blick nach vorn. Ein Buch, das zu lesen lohnt und das nicht loslässt.

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