Hückeswagen in der Corona-Krise Schwarzfahren wider Willen

Hückeswagen · SPD-Ratsfrau Regine Gembler schildert den Fall einer älteren Wiehagenerin, die keine Möglichkeit hatte, in den vergangenen Wochen eine Fahrkarte zu kaufen. Wegen des Virus konnte diese nicht beim Fahrer erworben werden.

 In Hückeswagen war es in den vergangenen Wochen ein Problem, eine Fahrkarte zu bekommen.

In Hückeswagen war es in den vergangenen Wochen ein Problem, eine Fahrkarte zu bekommen.

Foto: dpa/Lukas Schulze

Schnell kann als Angeklagter vor dem Amtsgericht landen, wer als (notorischer) Schwarzfahrer auffällt und angezeigt wird. Die Anklage lautet in solchen Fällen auf „Erschleichen von Leistungen“. Das ist laut Strafgesetzbuch eine Straftat, die sogar mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, im Regelfall aber mit einer Geldstrafe geahndet werden kann. Nach dem Buchstaben des Gesetzes spielt es dabei zunächst einmal keine Rolle, wie schwierig es tatsächlich gewesen wäre, ordnungsgemäß ein reguläres Ticket zu erwerben. Und genau das war sogar ausgesprochen schwierig, als die Corona-Pandemie im Frühjahr ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte. Regine Gembler (SPD) sprach das Thema jetzt in der letzten Ratssitzung vor den Sommerferien an.

Kern des Problems: Wochenlang gab es auch in den Bussen der OVAG, anders als sonst, keine Tickets mehr beim Busfahrer zu kaufen. Wer keinen Dauer-Fahrausweis hatte, dennoch aber den öffentlichen Nahverkehr nutzen wollte, stand auf dem Schlauch: In Hückeswagen gibt es keine Verkaufsstelle für Einzeltickets – die nächsten sind in Radevormwald oder Marienheide. Aber wie soll dorthin kommen, wer auf den Bus angewiesen ist aber (noch) kein Ticket hat?

Regine Gembler schilderte den Fall einer älteren Frau, die wöchentlich mit dem Bus von Wiehagen aus zum Einkauf in die Innenstadt und wieder zurück fährt – mit Einzelticket oder Vierer-Karte. Beides bekam sie in den zurückliegenden Monaten nicht mehr, wie gewohnt, beim Busfahrer. Sonst aber auch nirgendwo in Hückeswagen. Und ein Handy, um es sich darüber zu besorgen, hat sie nicht. Gembler: „Die Frau hat in ihrer Not Blut und Wasser geschwitzt wegen der Angst, als Schwarzfahrerin erwischt zu werden.“ Der OVAG warf die Kommunalpolitikerin „mangelhafte Kommunikation“ und wenig Flexibilität beim Ticket-Verkauf in besonderen Zeiten vor.

Bürgermeister Dietmar Persian sagte zu, die Problematik in den Gremien der Verkehrsgesellschaft anzusprechen. Eine allgemeine Änderung des Ticket-Systems werde es aber nicht zur Folge haben, denn jenseits von Corona habe sich der Verkauf direkt im Bus bewährt. Deshalb werde es auch in Zukunft kein erweitertes Netz von Verkaufsstellen geben, also auch keinen Ticket-Verkauf irgendwo in einem Hückeswagener Laden.

In den Wochen, als der Ticket-Kauf beim Busfahrer wegen der Pandemie nicht möglich war, gab‘s übrigens keine Schwarzfahrer-Kontrollen in den Bussen der OVAG. Die alte Dame aus Wiehagen und mit ihr viele andere „Corona-Schwarzfahrer“ wider Willen werden sich also vor keinem Richter wegen des „Erschleichens von Leistungen“ verantworten müssen. Kommuniziert worden war auch das nicht, was Gembler bemängelte, irgendwie aber auch nachvollziehbar ist: Verkehrsbetriebe, die in normalen Zeiten finanziell durchaus schwer unter den Schwarzfahrern leiden, werden auch unter kurzfristig geänderten Rahmenbedingungen kaum öffentlich grünes Licht für schwarze Schafe geben.

Der Kauf von Fahrkarten bei den Busfahrern soll jetzt nach und nach wider möglich sein, teilte die OVAG mit. Denn zurzeit werden alle Busse mit einem Spritzschutz im Bereich des Fahrers versehen (die BM berichtete).

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