Aktivisten blockierten Gleise bei Neurath Kohlebahn kann nach zehn Stunden wieder rollen

Update | Grevenbroich · Der Klima-Aktivismus hat Grevenbroich erreicht. Wegen einer Sitzblockade nahe Neurath wurde die Kohlebahn gestoppt. Über Stunden war die Strecke dicht. Polizisten trugen die Teilnehmer weg und erteilten Platzverweise.

Grevenbroich: Fotos - 100 Aktivisten blockieren Kohlebahn
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Rund 100 Klima-Aktivisten blockieren Gleise der Kohlebahn bei Neurath

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Foto: Kandzorra, Christian

Im Morgengrauen sind Klimaschutz-Aktivisten am Dienstag auf die Gleise der Nord-Süd-Kohlebahn gedrungen und haben rund 500 Meter vor dem Kraftwerk Neurath eine Sitzblockade eingerichtet. Mehrere Stunden lang konnte in dem betroffenen Abschnitt kein Zug mit Braunkohle rollen. Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot an: Zwischen Kraftwerk und dem Dorf Vanikum parkten rund 40 Mannschaftswagen, zudem kreiste zeitweise ein Hubschrauber über der Einsatzstelle. Der Aufforderung der Polizei, die Versammlung zu beenden und die Gleise zu verlassen, leisteten die Aktivisten zunächst jedoch nicht Folge. Die Polizisten begannen damit, die Teilnehmer der Reihe nach wegzutragen. RWE erstattete Strafanzeige.

Die ersten Männer und Frauen, dabei waren vereinzelt auch Kinder, waren um kurz vor 8 Uhr auf die Gleisanlage geströmt. Das Bündnis „Ende Gelände“ machte wenig später mit einem Beitrag bei Twitter auf die Blockade aufmerksam. In einer Mitteilung zur Schienen-Besetzung hieß es in Anspielung auf die jüngst abgeschlossene Räumung des Umsiedlungsdorfs Lützerath: „Ab jetzt ist Lützerath überall.“ Sprecher des Aktionsbündnisses begründeten die Blockade bei Neurath unter anderem damit, dass RWE die Klimakatastrophe weiter anfache.

Aktionen wegen Räumung Lützeraths: Klimaaktivisten in Rollstuhl seilen sich von A44-Brücke ab​
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Protest gegen Lützerath-Räumung — Klimaaktivisten in Rollstuhl seilen sich von A44-Brücke ab

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Foto: dpa/Roberto Pfeil

Einzelne Aktivisten stimmten während der Sitzblockade Sprechgesänge an. „Aufruhr, Widerstand – es gibt kein ruhiges Hinterland“ beispielsweise. Oder: „Eins, zwei, drei, vier – für das Klima kämpfen wir!“ Deutlich zu erkennen waren die nach Polizeiangaben etwa 130 Teilnehmer an den weißen Overalls, die sie trugen. Viele hatten ihr Gesicht bemalt oder sich mit Masken vermummt. Um sich angesichts der Temperaturen um den Gefrierpunkt wärmen zu können, bedeckten sich viele mit silber-goldenen Schutzfolien.

Mehrmals kündigte ein Polizist mit Hilfe eines Megafons die Maßnahmen der Polizei an, die gegen 10.45 Uhr schließlich griffen: Da rollte eine Diesellok der RWE-Werksbahn mitsamt eines Pausenwaggons an und hielt unmittelbar vor der ersten von insgesamt zwei Aktivistengruppen, die sich auf den Gleisen verteilt hatten. Polizisten trugen erste Teilnehmer zum Pausenwaggon, mit dem sie zu einer „Bearbeitungsstraße“ gefahren werden sollten. Die Teilnehmer machten sich absichtlich schwer, legten sich auf den Boden. Zunächst ging kaum jemand freiwillig mit. Nach und nach wurden die Aktivisten zur Identitätsfeststellung gefahren, nach der sie einen Platzverweis erhielten.

Die Teilnehmer blieben friedlich, bis zum Mittag kam es nach Polizeiangaben nicht zu Ausschreitungen. Allerdings war der Einsatz kräftezehrend. So machte sich auch Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, ein Bild vor Ort. Die Einsätze im Rheinischen Braunkohlerevier seien auf zwei Weisen für die Kräfte der Polizei belastend: „Zum einen körperlich durch die kurzen Ruhezeiten. Zum anderen mental.“ Die Einsätze, auch die in Lützerath direkt, gingen nicht ohne Spuren an den Polizisten vorbei. Tatsächlich brachten sich alle Beteiligten an der Kohlebahn in Gefahr. Zunächst waren die Oberleitungen nicht stromlos geschaltet, auch waren die Holzschwellen der Gleise wegen des Frosts spiegelglatt. Mehrere Aktivisten und Polizisten rutschten aus, ernsthaft verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen aber niemand.

Ihr erklärtes Ziel, die Nachschub-Versorgung für das Kraftwerk Neurath zu unterbrechen, erreichten die Aktivisten nach RWE-Angaben nicht. „Die Stromerzeugung war zu jeder Zeit gewährleistet“, sagte ein Sprecher. Das Unternehmen habe sich auf solche Aktionen einstellen können und den Kohlebunker gut gefüllt. Gegen 17.45 Uhr konnte die erste Bahn mit Braunkohle wieder rollen. Ob – und wenn ja, wie viele – Teilnehmer nach der Blockade in polizeiliches Gewahrsam mussten, blieb bis zum Abend offen. Der Polizei-Pressestelle in Aachen lagen wegen der Vielzahl der Kohlegegner-Einsätze im Revier bis dahin keine detaillierten Infos vor.

Auch anderenorts gab es für die Polizei viel zu tun: So soll ein Mann bei Alt-Immerath einen Hang im Tagebau Garzweiler hinuntergerutscht und in einer Böschung etwa 30 Meter über der ersten Sohle steckengeblieben sein. Am Abend soll ein Kriseninterventionsteam der Polizei dorthin ausgerückt sein. Darüber hinaus sollen sich nach RWE-Angaben einzelne Aktivisten an einer Zufahrt festgeklebt haben.

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