VEHLINGEN 100 Bauern protestieren gegen Politik

VEHLINGEN · Mit 50 Traktoren fuhren sie im Korso über die Autobahnbrücke zwischen Millingen und Vehlingen, bevor sie dort mehrere Traktoren parkten, sodass die Auto- und Lkw-Fahrer auf der A3 die Demonstration gut sehen konnten.

 Fast 50 Traktoren brachten die Autobahnbrücke zum Beben. Das Bild zeigt den Korso von Vehlingen kommend in Richtung Millingen.

Fast 50 Traktoren brachten die Autobahnbrücke zum Beben. Das Bild zeigt den Korso von Vehlingen kommend in Richtung Millingen.

Foto: Michael Scholten

Fast 100 Landwirte aus der Grenzregion beteiligten sich am Montagabend mit 50 Traktoren an einer PS-starken Protestaktion: Zunächst fuhren sie im Korso zweimal über die Autobahnbrücke zwischen Millingen und Vehlingen, bevor sie im Anschluss mehrere Traktoren auf dem Radweg der Brücke parkten, sodass die Auto- und Lkw-Fahrer auf der A3 die Demonstration gut sehen konnten.

Seit circa einer Woche kommt es im Bundesgebiet vermehrt zu vergleichbaren Aktionen auf Autobahnbrücken. Bereits in der letzten Woche hatten sich 13 Trecker und deren Besitzer auf der Brücke bei Vehlingen eingefunden, um gegen die ihrer Meinung nach immer schärfer werdenden Auflagen und Gesetze der Landes- und Bundesregierung zu Ungunsten der deutschen Landwirte zu protestieren.

Die Betroffenen aus den Kreisen Kleve, Borken und Wesel, aber auch Landwirte aus den Niederlanden nutzten jetzt den Montagabend, um nach getaner Erntearbeit erneut in Vehlingen zusammenzukommen.

Die Landwirte Peter Hackforth aus Vehlingen und Andreas Bushuven aus Heelden hatten in den sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, sich in Vehlingen zu versammeln. Viele der passierenden Fahrer auf der Autobahn unterstrichen mit Hupe und Lichthupe ihre Solidarität. Weder auf der Autobahnbrücke noch darunter wurde der Verkehrsfluss beeinträchtigt. Ein Polizist und eine Polizistin begleiteten die circa einstündige Aktion.

„Wir wollen wachrütteln“, sagt Andreas Bushuven. „Wir produzieren die Lebensmittel, aber wenn wir irgendwann abgeschafft werden, kommt alles aus Südamerika und anderen Ländern. Dort gibt es keinen Umweltschutz und keine Rechte für Tiere oder Menschen.“

Gerade in Krisenzeiten, wie Deutschland sie aktuell erlebt, müsse die Politik eine Ernährungssicherheit im eigenen Land schaffen, meint Christoph Markett, Landwirt aus Esserden. Er vermisst verlässliche Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene. „Jeden Tag rennen die Politiker einem anderen Mainstream hinterher, ein Betrieb, der Millionensummen investieren muss, kann aber nicht täglich neu ausgerichtet werden. „Wir alle haben die Betriebe von unseren Vätern geerbt“, sagt Christoph Markett, „weshalb wir nicht kampflos aufgeben wollen.“ Doch immer mehr Höfe stünden vor dem Aus. „Ein Landwirt hört nur einmal auf, der fängt niemals wieder an“, warnt Christoph Markett. In der Kritik steht auch der grüne Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: „Wir haben gehofft, dass er der Anwalt der Landwirte sein möchte, aber er glänzt durch absolute Unwissenheit und Inkompetenz“, meint Christoph Markett. „Sein Ziel, 30 Prozent Öko-Landwirtschaft zu etablieren, erreicht er allenfalls durch die Vernichtung konventioneller Betriebe, aber nicht, indem 30 Prozent der Landwirte auf ökologischen Anbau umsteigen.“

Zudem zeige die aktuelle Krise, dass der Absatz von Öko-Produkten wegen der Inflation stark eingebrochen sei, sagt Andreas Bushuven. „Teure Bio-Sachen werden nicht gekauft, wenn der Kunde überall auch Schnäppchen aus Osteuropa findet.“ Bushuven und seine Kollegen wollen es schaffen, „mit einer vernünftigen Tierhaltung und vernünftigem Ackerbau die Bevölkerung zu ernähren, dafür muss aber die Politik nachvollziehbare und verlässliche Rahmenbedingungen für unsere Arbeit schaffen.“

In einer Pressemitteilung wies die Initiative „Land sichert Versorgung – Eure Bauern aus NRW“ am Montag darauf hin, dass „die Versorgungssicherheit mit Grundnahrungsmitteln in naher Zukunft in Deutschland gefährdet“ sei, „und zwar mit Vorsatz“. Ständig neue Auflagen, Gesetze, Verordnungen und Einschränkungen führten dazu, dass weniger und schlechtere Agrarprodukte und Nahrungsmittel in Deutschland produziert werden können. „Der aktuelle Selbstversorgungsgrad liege in Deutschland derzeit bei circa 88 Prozent, doch es bestehe die Gefahr, „dass dieser auf ein Maß fällt, das unkalkulierbare negative Auswirkungen für die Bürger mit sich bringt“.

 Eigens aus Till-Moyland war Anja Krings gekommen.

Eigens aus Till-Moyland war Anja Krings gekommen.

Foto: Michael Scholten

Die lokalen Landwirte schließen nicht aus, dass sie eine dritte Protestaktion mit ihren Traktoren ins Leben rufen. „Es kann sein, dass wir auch mal nach Holland fahren“, sagt Andreas Bushuven. „Denn die Situation dort ist noch viel, viel schlechter als bei uns. Dort werden die Landwirte quasi zwangsenteignet, damit ihre Felder zu Bau- oder Industrieland umgewandelt werden können.“

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