Wiederentdecktes Oratorium „Saul“ Deutsche Romantik pur

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Musikverein tourt mit dem unbekannten Oratorium „Saul“ von Ferdinand Hiller durch NRW. Es gibt auch eine Aufführung in der Tonhalle.

 Probe zu "Saul" mit den Solisten, der Kölner Akademie und dem Düsseldorfer Musikverein in der Tonhalle.

Probe zu "Saul" mit den Solisten, der Kölner Akademie und dem Düsseldorfer Musikverein in der Tonhalle.

Foto: Susanne Diesner/Tonhalle

Die Musikstadt Düsseldorf ehrt Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy mit Fug und Recht. Beide großen Komponisten waren Musikdirektoren der Stadt und des hiesigen Musikvereins. Ein Name geht unter: der von Ferdinand Hiller. Hiller kam 1811 im selben Jahr wie Franz Liszt als Sohn jüdischer Eltern in Frankfurt am Main zur Welt. Von 1847 bis 1850 amtierte er in Düsseldorf und wechselte daraufhin nach Köln. Auf seine Empfehlung fiel die Nachfolgewahl auf Schumann.

Während der nationalsozialistischen Diktatur erging es Hillers Kompositionen wie denen Mendelssohns: Sie wurden verboten. Erholte sich die Mendelssohn-Pflege in der Nachkriegszeit sehr schnell, blieb es um Hiller ziemlich ruhig. Wenige Werke befinden sich im Repertoire einiger Chöre und Orchester, darunter das Oratorium „Die Zerstörung Jerusalems“.

In Vergessenheit geraten ist „Saul“. In den 1920er Jahren soll es zuletzt aufgeführt worden sein. Jetzt wird es durch den Düsseldorfer Musikverein und das Orchester Kölner Akademie unter der Leitung von Michael Alexander Willens wieder wach geküsst. Für das heutige Publikum gleicht das einer Uraufführung.

Anlass der Wiederentdeckung ist das bundesweite Projekt „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Dirigent Michael Willens hatte die Initiative ergriffen und tourt mit seiner Kölner Akademie und dem Musikverein Düsseldorf gegenwärtig durch Nordrhein-Westfalen mit „Saul“-Aufführungen in Essen, Duisburg, Köln und zuletzt Düsseldorf. Noch gibt es keine einzige Einspielung des „Saul“ auf Tonträger. Doch auch das soll sich ändern: Die Ausführenden planen gerade die Erst-Aufnahme des Oratoriums.

Für Düsseldorf gibt es eine zusätzliche Wiedersehens- und hörensfreude: die mit dem Chor des Städtischen Musikvereins. Die Amtseinführung des neuen Chordirektors Dennis Hansel-Dinar ging im September 2020 sang- und klanglos vonstatten. Die Corona-Pandemie hatte ja vor allem Chören das Leben schwergemacht. Wegen der Abstandregeln waren für die „Saul“-Proben kreative Lösunge erforderlich. Anfangs wurde in kleinen Gruppen online geprobt, berichtet Dennis Hansel-Dinar. „Danach konnten wir mit jeweils 25 Personen in drei Teilchören proben.“

Erst im September dieses Jahres fanden die ersten Proben im großen Kreis statt und erst eine Woche vor der ersten Aufführung Proben in Vollbesetzung – also mit Soli, Chor und Orchester. „Alle Chorsänger haben sich total in die Arbeit reingehängt“, betont Hansel-Dinar. Nur durch dieses starke Engagement jedes Einzelnen habe die Einstudierung überhaupt gelingen können. Die lange Corona-Pause sei für keinen Chor gut gewesen. „Die Stimme braucht ständiges Training.“ Umso erfreulicher sei es, dass sich alle Stimmen der Chorsänger wieder in guter Form befänden.

Unterdessen sei der Chor-Part äußerst anspruchsvoll, sagt der Musikvereinsleiter. Die dynamische Dramaturgie des Oratoriums führe dazu, dass der Chor sehr viele Einsätze habe, zudem habe Hiller viele schwierige Tonsprünge komponiert. Musikalisch erinnere das Werk an Musik von Schumann und Mendelssohn. „Das ist durch und durch deutsche Romantik“, sagt Hansel-Dinar. Hin und wieder klinge auch Richard Wagner an, mit dem Hiller ebenfalls persönlichen Kontakt unterhalten habe. „Das ist wirklich eine tolle Musik“. Es gebe weite Bögen, aber auch rasche Tempi und sehr schöne und spannende Szenen.

Besonders viel Dramatik entstehe am Schluss. „König Saul zieht mit seinen Kriegern in die Schlacht bei Endor, während die Frauen zurückbleiben und das Geschehen schildern, wie ihre Männer kämpfen und sterben.

Textlich sei „Saul“ sehr bemerkenswert, vor allem da der Autor Moritz Hartmann eine besondere Sicht auf König Saul habe. Hartmann gehörte der Paulskirchen-Versammlung an und hatte damit ein Augenmerk auf verkrustete Herrschaftsstrukturen. „König Saul kann die Macht nicht abgeben“, erklärt Hansel-Dinar. Saul beargwöhne den jungen, beim Volk beliebten David und fühle sich von ihm verfolgt. Erst nach Sauls Tod in der verlorenen Schlacht komme es zur feierlichen Proklamation König Davids.

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