NRW-Kommunen läuft die Zeit davon Unzufriedenheit mit dem Bund in Flüchtlingskrise wächst

Düsseldorf · Die Flüchtlingsunterbringung ist zum größten Problem der Kommunen geworden. Hendrik Wüst wirft der Ampel in Berlin vor, nur 20 Prozent der Kosten übernehmen zu wollen. Die Anstrengungen müssten verdoppelt werden. Zugleich warnt er, ein Ignorieren der Probleme stärke den rechten Rand.

 Flüchtlinge sind in einer Sporthalle untergebracht. Laut Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetags NRW, sind aber auch in den großen Notunterkünften der Städte die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft.

Flüchtlinge sind in einer Sporthalle untergebracht. Laut Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetags NRW, sind aber auch in den großen Notunterkünften der Städte die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft.

Foto: dpa/Felix Kästle

Die NRW-Kommunen pochen auf schnelle Hilfen für die Unterbringung der Geflüchteten. Der Geschäftsführer des Städtetags NRW, Helmut Dedy, verlangte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir brauchen bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 16. März endlich klare finanzielle Zusagen für 2023 und müssen wissen, wie es 2024 weitergeht. Wir erwarten – genau wie das Land – dass der Bund dann noch eine Schippe drauflegt.“

Im November hätten Bund und Länder verabredet, die Situation jetzt im Frühjahr neu zu bewerten. „Das muss gelten“, sagte Dedy und forderte zudem, das Land müsse die Bundesmittel weitergeben und die Vorhaltekosten für nicht belegte Plätze in Flüchtlingsunterkünften übernehmen. „Und wir brauchen eine Lösung für die Kosten der Integration sowie Investitionen in Schulen und Kitas.“ Man werde in den Städten den geflüchteten Menschen weiter Schutz bieten, aber auch in Messehallen und Containerdörfern seien nur noch wenige Plätze frei. Das Land müsse seine Unterbringungskapazitäten auf 70.000 Plätze erhöhen. „Aber auch der Bund muss zentrale Aufnahmekapazitäten aufbauen und sich dafür mit den Ländern abstimmen.“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warnte den Bund vor kurzfristigem Denken: „Machen wir uns ehrlich: Die allermeisten Menschen, die zu uns kommen, werden länger, viele von ihnen dauerhaft in Deutschland bleiben. Wir müssen diesen Menschen gerecht werden. Unterbringung, Kita- und Schulbesuch für die Kinder, Integration – das sind kostenintensive Langzeitaufgaben. Länder und Kommunen können das nicht alleine stemmen.“ Doch die Realität ist Wüst zufolge anders: „Obwohl die Zugangszahlen heute viel höher sind als 2016, kommt vom Bund viel weniger finanzielle Unterstützung. 2016 hatten wir in Deutschland rund 750.000 Flüchtlinge – der Bund hat sich in dem Jahr mit 40 Prozent an den Flüchtlingsausgaben der Länder beteiligt. 2022 waren es in Deutschland fast 1,3 Millionen Flüchtlinge – und der Bund plant in diesem Jahr eine Beteiligung von nicht einmal 20 Prozent.“ Dieses krasse Missverhältnis müsse ein Ende haben, forderte er.

Die FDP im Landtag erinnerte den NRW-Regierungschef an seine eigene Verantwortung. Fraktionschef Henning Höne sagte: „Die Reifen sind durch die angespannte Situation bei der Unterbringung und Integration der Geflüchteten vielerorts schon runtergefahren. Jetzt tatenlos bis Ostern zu warten, wäre ein fatales Signal.“ Wenn die Landesregierung ihre eigenen Anstrengungen nicht maßgeblich erhöhe, liefen die Städte und Gemeinden bald auf der Felge, so Höne. „Stattdessen erleben wir eine NRW-Integrationsministerin, die unzufrieden ist mit dem Flüchtlingsgipfel, aber selbst fortwährend nur Probleme beschreibt, anstatt eigene Lösungen zu entwickeln. Und wir sehen einen mit Karnevalsorden behangenen Ministerpräsidenten, der in der angespannten Situation auch nur mit den Schultern zuckt.“

Wüst selbst verwies auf die Ausweitung der Plätze in den landeseigenen Einrichtungen: Dort habe man die Zahl der Plätze von 15.000 auf fast 30.000 verdoppelt und im vergangenen Jahr mit 3,5 Milliarden Euro die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen aus dem Landeshaushalt finanziert.

 Höne hält die vom Land geschaffenen Kapazitäten für nicht ausreichend. „Das landeseigene Platzangebot muss mittelfristig auf 60.000 Plätze erweitert werden. 2016 hat das Land NRW rund 80.000 eigene Plätze zur Verfügung gestellt.“ Die Bundesliegenschaften könnten zudem mit Bundesmitteln ertüchtigt werden, verlangte der FDP-Politiker. „Außerdem müssen die Geflüchteten noch passgenauer an die Kommunen verteilt werden. Und wir müssen parallel die Anstrengungen bei den Rückführungen erhöhen, damit Ressourcen für die Menschen freiwerden, die hier bei uns bleiben.“ Die schwarz-grüne Landesregierung solle nicht permanent fragen, was der Bund für die Kommunen in NRW tun könne. „Das Kabinett von Hendrik Wüst ist jetzt gefordert, sich selbst noch viel stärker für unsere Städte und Gemeinden zu engagieren. Krise ist Chefsache!“

Wüst wiederum bezeichnete das Spitzengespräch mit der Bundesinnenministerin als völlig unzureichend. Er warnte, Probleme zu ignorieren, stärke am Ende nur die politischen Ränder. „Der Kanzler muss das Thema zur Chefsache machen.“ Wüst forderte einen zeitnahen Gipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz, um so schnell wie möglich für Entlastung vor Ort zu sorgen.

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