Rund 1000 Brücken im Rheinland marode Firmen im Rheinland fürchten „zweites Rahmede“

Düsseldorf · Rund 1000 Brücken im Rheinland sind in bedenklichem Zustand. Die Wirtschaft hat die Daten dazu analysiert und warnt vor einer „Katastrophe“ durch neue Sperrungen von Verkehrsadern.

In Duisburg entsteht zur alten A40-Brücke eine neue Querung über den Rhein.

In Duisburg entsteht zur alten A40-Brücke eine neue Querung über den Rhein.

Foto: dpa/Christoph Reichwein

Werner Schaurte-Küppers, Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK), malte den Teufel an die Wand bei der Präsentation der Zahlen am Mittwoch. „Ein Totalausfall oder eine Sperrung einer Brücke hier im Rheinland wäre eine Katastrophe“, sagte er. „Das Risiko für ein zweites Rahmede bei uns im Rheinland steigt mit jedem Tag. Und wir nehmen es hin, sehenden Auges.“ Eine unheilvolle Anspielung auf die inzwischen gesprengte Rahmede-Talbrücke bei Lüdenscheid, deren Wegfall die Region seit 2021 in Chaos versetzt.

Rahmede-Talbrücke: So lief die Sprengung - Fotos
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So lief die Sprengung der Rahmede-Talbrücke in Lüdenscheid

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Die Industrie- und Handelskammern des Rheinlands haben gemeinsam mit der Technischen Hochschule Aachen Daten über den Zustand der Brücken ihrer Region ausgewertet. Dabei ging es um Bauwerke, für deren Erhalt entweder der Bund oder das Land zuständig ist. Rund 6500 Stück wurden betrachtet. Mehr als 340 bekamen die schlechtestmögliche Bewertung, rund 660 die zweitschlechteste. Es sei zu befürchten, „dass trotz einer Priorisierung der Projekte für die Instandhaltung zahlreiche Brücken abgelastet oder für den Verkehr gesperrt werden müssen“, heißt es in einem zusammenfassenden Papier.

„Der Zustand unserer Brücken im Rheinland entscheidet mit über die Zukunft unseres Industriestandortes“, sagte Werner Schaurte-Küppers. „Wir sind die Logistikdrehscheibe Westeuropas.“ Hunderttausende Arbeitsplätze hingen davon ab, internationale Konzerne würden einen Bogen um das Rheinland machen, wenn die Infrastruktur gefährdet sei.

Die Handelskammern fordern ein Sondervermögen für Rheinbrücken in Höhe von – „für den Anfang“, wie es hieß – zehn Milliarden Euro. Da sei man schnell dabei, da eine Brücke im Schnitt zwischen 600 und 700 Millionen Euro koste. Sie wollen außerdem auf einem „Brückengipfel“ mit Landesverkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sprechen. Sie pochen auf schnellere Planungen und Genehmigungen. Man brauche Verfahren mit weniger „Abstimmungszirkus“, sagte Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Nicht zuletzt müssten die vorhandenen Brücken durch Reparaturen, aber auch Entlastung – etwa durch intelligente Verkehrslenkung – länger erhalten werden. Denn alle rasch zu erneuern, das ist aus Sicht der Wirtschaft nicht möglich: „Wenn wir alles Geld der Welt hätten, hätten wir nicht genügend Planungskapazitäten und letztlich auch nicht genügen Materialien“, sagte Berghausen.

Einen Problemschwerpunkt sehen die IHK in Duisburg mit dem besonders dichten Autobahn- und Brückennetz und den bedeutenden Verkehrsadern A40 und A59. Allerdings gebe es überall in der Region Bauten, die „unbeobachtet vor sich hinmodern“, so Berghausen: „Da kann eine kleine Brücke auch am Ende der neuralgische Punkt sein, um zum guten Schluss den Verkehr zum Erliegen zu bringen.“

Die Reaktionen aus der Politik auf die Forderungen waren geteilt. Von einem „Brücken-Notstand“ sprach die SPD-Landtagsfraktion und forderte einen Masterplan. Ein Gipfel sei längst überfällig. Die Regierungsfraktion CDU wies das zurück: „Welche Brücken vorrangig instandgesetzt werden müssen, entscheidet sich nicht auf einem ,Brückengipfel‘ oder anhand von ,Masterplänen’“, hieß es. So etwas hätten Fachleute festzulegen.

Den Vorstoß der Unternehmen am Rhein beobachten auch Vertreter der Wirtschaft in der vom Rahmede-Drama betroffenen Region. Er hoffe, dass die Politik dazulerne, sagte Frank Hoffmeister, Chef des Arbeitgeberverbands Lüdenscheid, unserer Redaktion. In zwei bis drei Jahren soll die neue Brücke befahrbar sein. Die wirtschaftlichen Schäden, die bis dahin entstehen, seien kaum abschätzbar: „Wer kann berechnen, wie viele Arbeitsplätze dann verschwunden sind oder wie viele Unternehmen auf Investitionen hier verzichtet haben?“

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