Betreuungskrise in NRW Träger warnen vor Kita-Schließungen – Personalkosten nicht mehr zu stemmen

Düsseldorf · Die meisten Kindertagesstätten in NRW sind in der Hand freier Träger. Die kritisieren, die derzeit angedachten Tarifsteigerungen ließen sich nicht finanzieren. Sie erwarten Hilfe von Land und Kommunen. Eltern fürchten Kündigungen.

Familien sind auf Kinderbetreuung angewiesen. (Symbolbild) Jetzt warnen freie Träger: Wenn es keine Hilfen bei der Finanzierung gibt, könnte es sein, dass sie Einrichtungen aufgeben müssen.

Familien sind auf Kinderbetreuung angewiesen. (Symbolbild) Jetzt warnen freie Träger: Wenn es keine Hilfen bei der Finanzierung gibt, könnte es sein, dass sie Einrichtungen aufgeben müssen.

Foto: dpa-tmn/Monika Skolimowska

Kita-Träger in Nordrhein-Westfalen fürchten, dass sie die Personalkosten nach der jüngst erzielten Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst nicht mehr stemmen können. In einem Brief an das Landesfamilienministerium beschreiben Vertreter der freien Wohlfahrtspflege eine „herausfordernde bis bestandsgefährdende Situation für alle Träger von Kindertageseinrichtungen“. Insbesondere die Sonderzahlungen, die ab Juni fällig werden sollen, würden viele Akteure in Liquiditätsprobleme bringen.

„Wir wären gezwungen, Kitas zu schließen, wenn die Kostensteigerungen nicht refinanziert werden“, warnte Stephan Jentgens von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW im Gespräch mit unserer Redaktion. Auch der Ausbau weiterer Einrichtungen könnte dann nicht vorangetrieben, der Rechtsanspruch der Eltern auf einen Betreuungsplatz nicht erfüllt werden. Finanzielle Polster, um Aufwendungen aufzufangen, gebe es kaum: „Kitas erwirtschaften ja keine großen Überschüsse. Sie haben kaum Rücklagen, und wenn es welche gibt, dann sind sie für Investitionen gedacht wie Ausbau oder Sanierungen.“

Für Beschäftigte in Sozial- und Erziehungsberufen im öffentlichen Dienst bedeuten die geplanten Tarifsteigerungen deutlich mehr Geld: insgesamt 3000 Euro Inflationsausgleich und ab März 2024 ein Gehaltsplus von 5,5 Prozent. Allein für den Inflationsausgleich rechnen die Kita-Träger des Landes nach eigenen Angaben mit Mehrkosten von bis zu 500 Millionen Euro.

Zwar falle das Personal der freien Träger eigentlich nicht unter diese Einigung, räumte Stephan Jentgens ein, sie habe aber direkte Auswirkungen: „Der Tarif für den öffentlichen Dienst ist der Leittarif für die Träger, der in den Kitas praktisch durchgängig zur Anwendung gebracht wird.“ Die Träger verlangen daher finanzielle Hilfe des Landes ab Juni und mittelfristig eine gesetzliche Regelung zur Erstattung der erhöhten Personalkosten. „Wir sind in intensiven Gesprächen mit dem Land“, betonte Jentgens.

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag fordert die Landesregierung auf, ein Rettungspaket zu schnüren. „Wenn es nicht schnell zu einer Zwischenfinanzierung kommt, stehen Tausende von Kitas in NRW vor dem Aus“, warnte der familienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Maelzer. „Ohne sofortiges Eingreifen wird das System kollabieren.“ Die nächste Anpassung der pauschalen Pro-Kind-Zahlungen sei für das kommende Kindergartenjahr mit unter 3,5 Prozent vorgesehen. „Das dürfte noch nicht mal ausreichen, um die Mehrkosten aufzufangen, die durch Inflation, Energiekosten und vorherige Tarifabschlüsse entstanden sind.“ Das Land müsse rasch eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung stellen.

Elternvertreter sehen die Gefahr, dass es zur Tarifflucht kommt, und danach zu Verwerfungen in der Betreuungslandschaft. „Es sind in der Vergangenheit schon Träger aus Tarifverträgen ausgestiegen, weil es ihnen zu teuer war – was dann zu Kündigungen geführt hat“, erinnerte Daniela Heimann vom Landeselternbeirat der Kitas. Zugleich warnte Heimann alle Verantwortlichen davor, die Ängste der Familien vor neuen Betreuungsnotständen als Druckmittel zu benutzen. „Wir würden uns wünschen, dass man sehr konstruktiv darüber berät, wie man Finanzierungslücken schließen kann.“

Das Land hat auf den Hilferuf der Träger mit einer Antwort reagiert, in der es Gesprächsbereitschaft signalisiert. Allerdings sei auch die eigene Haushaltslage „äußerst angespannt“, heißt es in dem Papier. Es sei erst einmal abzuwarten, inwieweit die freien Träger die erwarteten Tarifvereinbarungen tatsächlich umsetzten. Auf Anfrage sagte ein Sprecher des Familienministeriums, man sei „sowohl mit den Trägern als auch innerhalb der Landesregierung in intensiven Gesprächen“, um den Herausforderungen zu begegnen. Grundlegende Veränderungen stehen mit einer geplanten Novelle des Kinderbildungsgesetzes ins Haus. Diese ist in Arbeit, wird aber nicht kurzfristig umgesetzt.

Über die Forderung, dass die Kommunen die Träger-Anteile der Kita-Finanzierung übernehmen sollen, sprechen Träger, Städte und Gemeinden am Dienstag in einer gemeinsamen Landesarbeitsgemeinschaft. „Dort werden alle Beteiligten die Lage bewerten und versuchen, mögliche Antworten zu finden“, hieß es vom Städte- und Gemeindebund.

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