Ständehaus-Treff mit Evonik-Chef Kullmann „Schwarz-Grün wird eine Koalition der Vernunft“

Düsseldorf · Evonik-Chef Christian Kullmann sagte beim Ständehaus Treff in Düsseldorf, was er vom BVB erwartet, warum er als junger Mensch Marxist war – und warum er ein Papier von Werner Müller immer bei sich trägt.

Fotos vom Ständehaus-Treff mit Evonik-Chef Christian Kullmann in Düsseldorf
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Ständehaus-Treff mit Evonik-Chef Christian Kullmann

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Kein Manager ist so verbunden mit der NRW-Geschichte wie Christian Kullmann. „Wir sind auf Kohle gebaut“, sagt der Evonik-Chef, wenn er die Herkunft des Chemiekonzerns beschreibt. Evonik ging 2006 aus dem Zechenkonzern RAG hervor. Ein politisches Meisterstück: Der Meister war RAG-Chef Werner Müller, der Zauberlehrling Christian Kullmann. Seit 2017 ist er selbst Evonik-Chef. Am Montag sprach er mit Moritz Döbler, dem Chefredakteur der Rheinischen Post, beim Ständehaus Treff in Düsseldorf.

Der Wirtschaftshistoriker ist ein Freund klarer Worte. Das Parteiprogramm der Grünen nannte er 2021 „eine Eistonne für Wachstum und Wohlstand“. Doch nun sieht er die Anbahnung einer schwarz-grünen Koalition im Land mit Wohlgefallen: „Das wird eine gute Koalition, eine Koalition der Vernunft und der Transformation.“ Das Verhandlungs-Papier sei klar und pragmatisch. Kullmann kam in Birkenstock-Schuhen zum Ständehaus Treff. Das sei keine Verbeugung vor den Grünen, scherzte er, sondern einem Bänderriss geschuldet, den er sich beim Joggen zugezogen habe.

 Kullmann wurde 1969 in Gelsenkirchen geboren. Als junger Mann war er Marxist, wie er offenbarte, und zitierte dazu Churchill: Wer als 17-Jähriger kein Marxist sei, habe kein Herz, wer es mit 27 noch immer sei, habe keinen Verstand. Den Anruf, der sein Leben verändert, bekam er im Sommer 2003. Werner Müller machte ihn zum Kommunikationschef. Gemeinsam setzten sie gegen viele Widerstände die Aufspaltung des Zechenkonzerns in einen weißen (Evonik) und einen schwarzen Bereich (Bergbau) durch und erfanden die RAG-Stiftung. Pflichtbewusst, fordernd, strategisch sei Müller gewesen – und den anderen immer einen Schritt voraus. Müller zeichnete Kullmann vor elf Jahren in Gelsenkirchen auf einem gelben Papier auf, wie dessen Karriere weitergehen werde – bis nach ganz oben. Dieses Papier hütet der Evonik-Chef bis heute.

Als Präsident des Verbands der Chemischen Industrie warnte Kullmann erneut vor einem Gas-Embargo seitens des Westens: „Die Verluste an Wohlstand, Wertschöpfung und Arbeitsplätzen wären dramatisch.“ Scharf kritisierte er die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die ein Embargo für machbar hält: „Das sind Grimms Märchen. Frau Grimm blendet die Sekundär- und Tertiäreffekte eines Embargos aus. Dabei steckt die Chemie am Beginn von 90 Prozent aller Wertschöpfungsketten.“ Aus Sicht der Chemie gilt: „Ein Gas-Embargo ist Mitte 2024 verkraftbar“, so Kullmann.

Er lobte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) für ihre Energiepolitik und wundert sich über CDU-Politiker Norbert Röttgen. Dass dieser sich für ein Embargo ausgesprochen habe, sei „außenpolitisch und wirtschaftlich falsch und sehr irritierend“. Gut, dass CDU-Fraktionschef Friedrich Merz dies später wieder eingefangen habe. Kullmann betont, dass die Chemie natürlich das Primat der Politiker respektiere, aber: „Sanktionen haben noch nie ein System ins Wanken gebracht.“ Das habe sich in Syrien ebenso gezeigt wie in Venezuela. „Die russische Bevölkerung ist nicht unser Feind, das ist Putin“, betonte er. Daher hat Evonik seine Geschäfte in Russland nicht abrupt beendet.

Eine Herausforderung für die Chemie ist auch die Klimapolitik: „Ich wurde vom Saulus zum Paulus“, sagte Kullmann. Nun will Evonik seine Treibhausgase bis 2030 um mindestens 25 Prozent reduzieren, im Vergleich zu 2008 würden es dann 70 Prozent sein. „Das kann ich verbindlich zusagen“, so Kullmann. Sein Vertrag läuft bis 2027. Bis dahin solle Evonik der „beste Spezialchemie-Konzern der Welt“ werden.

 Christian Kullmann im Gespräch mit Chefredakteur Moritz Döbler.

Christian Kullmann im Gespräch mit Chefredakteur Moritz Döbler.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Weltklasse erwartet Kullmann auch beim Fußball. Sein Onkel Heinrich habe einst Schalke 04 mitgegründet, dieser sei Schatzmeister gewesen, erzählt Kullmann launig. Kullmann selbst ist seit Jahren Aufsichtsrats-Chef bei Borussia Dortmund. „Jede Familie hat das Recht, sich weiterzuentwickeln“, scherzte er. Doch mit der Leistung der BVB-Kicker ist Evonik, seit vielen Jahren Trikotsponsor, nicht zufrieden. „Der Auftritt des BVB in den internationalen Wettbewerben ist ausgesprochen dürftig, das war nichts“, sagte Kullmann. Und das sei noch diplomatisch formuliert. Er erwarte, dass der BVB nicht wieder nach der nächsten Gruppenphase ausscheide. Eben ein Mann klarer Worte.

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