Olympia-Aus wäre nur der Anfang Russland droht der Totalschaden

Montreal/Köln · Russland steht dicht vor dem Aus für die Olympischen Sommerspiele in Tokio, die russischen Leichtathleten sind weiter denn je von der Wiederaufnahme in die Weltfamilie entfernt: Für das skandalumwitterte Riesenreich sieht es ganz düster aus.

 Ein Assitent sortiert in einem Dopinglabor Blutproben. (Symbolfoto)

Ein Assitent sortiert in einem Dopinglabor Blutproben. (Symbolfoto)

Foto: dpa/epa Keystone Dominic Favre

Die Geduld des Weltsports mit dem in Sachen Doping offenbar unbelehrbaren Russland ist am Ende: Die skandalumwitterte Nation steht vor dem Aus für die Olympischen Sommerspiele in Tokio. Die drohende Suspendierung der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA könnte noch weiterreichende Auswirkungen haben - der Entzug internationaler Wettbewerbe steht im Raum.

Die entscheidende Rolle in der Causa Russland spielt die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Deren zuständiges Gremium, das Compliance Review Committee (CRC), empfahl am Freitag die bereits von 2015 bis 2018 suspendierte RUSADA erneut auszuschließen und sprach von "ernsthaften Konsequenzen". Die Entscheidung des Strafmaßes fällt das WADA-Exekutivkomitee am 9. Dezember - mit Milde oder Verständnis im Weltsport kann die Skandalnation nicht rechnen.

"Eine Sperre von weniger als vier Jahren für diesen schwerwiegenden Verstoß mit erschwerenden Umständen nach Jahren der Verweigerung und Täuschung wäre eine weitere Ungerechtigkeit für saubere Athleten", sagte Travis Tygart, Chef der mächtigen amerikanischen Anti-Doping-Behörde USADA, der Nachrichtenagentur AFP.

RUSADA-Chef Juri Ganus sagte am Samstag, dass die Empfehlung des CRC "im Einklang mit rechtlicher Logik" stehe. Zwei Bedingungen haben die RUSADA erfüllen müssen, diese seien "formal, aber nicht ordnungsgemäß erfüllt worden." Die drohende Suspendierung richte sich aber "nicht gegen die Qualität der Arbeit der RUSADA".

Der von Tygart angeführte schwerwiegende Verstoß hat seinen Hintergrund in der Affäre um mutmaßlich manipulierte Daten aus dem Moskauer Kontrolllabor. Mit diesen sollen das genaue Ausmaß des systematischen Dopings in Russland belegt und individuelle Strafen für Athleten möglich werden - das wollte Russland wohl gezielt verhindern. Es ist das beste Beispiel dafür, dass der geforderte Mentalitätswandel im russischen Sport in keiner Hinsicht stattgefunden hat. Und das könnte fatal für Russland werden, das freilich jede Missetat bestreitet.

Im Vergleich zu vergangenen Strafmaßnahmen wie im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio und der Winterspiele 2018 in Pyeongchang besitzt die WADA inzwischen deutlich mehr Sanktionsmöglichkeiten. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), hatte bereits erklärt, dass die Entscheidung über eine Teilnahme russischer Sportler in Tokio bei der WADA beziehungsweise beim Internationalen Sportgerichtshof CAS liege.

Nicht nur der Ausschluss von Olympia und den Paralympics - wo russische Sportler dann möglicherweise als Einzelathleten unter neutraler Flagge antreten könnten - droht. Der "International Standard for Code Compliance by Signatories (ISCCS)" der WADA sieht auch ausdrücklich vor, das Russland die Ausrichtung internationaler Meisterschaften verweigert werden kann. Dies betrifft sowohl die Neuvergabe wie auch bereits an Russland vergebene Wettbewerbe.

Richtig schlecht sind die Aussichten für Russlands Leichtathleten, die bereits seit 2015 aus dem Weltverband World Athletics ausgeschlossen sind. Jener teilte am Freitag mit, dass der Prozess der Wiedereingliederung des russischen Verbandes RUSAF ausgesetzt worden sei. Selbst die Sonderregelung, das einzelne Athleten nach eingehender Prüfung neutral starten dürfen, stehe auf der Kippe.

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, ist eine neuerliche Dopingaffäre. Im undurchsichtigen Fall des Weltklasse-Hochspringers Danil Lysenko, in dessen Zuge es zu Fälschungen und Mauscheleien gekommen sein soll, erhob die unabhängige Integritätskommission AIU des Weltverbandes schwere Vorwürfe, sieben Personen wurden gesperrt - darunter RUSAF-Präsident Dimitri Schljachtin. Schljachtin zeigte sich zumindest einsichtig: Er trat am Samstag zurück.

(ako/sid)
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