Deutschland - Niederlande 2:2 DFB-Team überzeugt lange - und verspielt am Ende fast alles

Gelsenkirchen · Die deutsche Nationalmannschaft beendet das enttäuschende Jahr 2018 mit Licht und Schatten. Mit einer unkonzentrierten Schlussphase bringt sich das DFB-Team um den Lohn einer starken ersten Hälfte.

Nations League: Die Stimmen zum 2:2 zwischen Deutschland und den Niederlanden
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Die Stimmen zum 2:2 zwischen Deutschland und den Niederlanden

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Foto: dpa/Marius Becker

Es kommt vor, dass bei Schalker Bundesligaspielen das Arenadach geschlossen werden muss, damit die gesunde Nachtruhe der Anwohner nicht gestört wird. Am Montagabend blieb es geschlossen, damit zumindest die gröbsten Einflüsse des nasskalten Novemberwetters das Publikum beim Fußballgenuss nicht störte. Der Geräuschpegel blieb jedenfalls in eher gedeckten Bereichen, obwohl sich auf dem Rasen die alten Rivalen Deutschland und die Niederlande in einem Länderspiel gegenüberstanden. Da ging es in der Vergangenheit auch schon mal lauter zu. Zum Abschluss des Länderspieljahres spielte die DFB-Auswahl in ihrem letzten Nations-League-Spiel 2:2 gegen die Niederlande. Einfluss auf die Tabelle hatte das für das DFB-Team nicht, die Deutschen hatten die Möglichkeit auf eine bessere Platzierung bei ihren Niederlagen in Frankreich (1:2) und Holland (0:3) bereits verpasst. Sie steigen als Gruppenletzter in die B-Liga ab, während die Niederlande den Gruppensieg feiern.

Bundestrainer Joachim Löw empfindet das nicht als Drama. Das sagte er bereits nach dem 3:0-Erfolg über Russland im Leipziger Testspiel. "Dann steigen wir eben wieder auf. Wichtiger ist die Qualifikation für die Europameisterschaft. Und die werden wir schaffen."

Die Vorbereitung auf die Qualifikationsspiele im kommenden Jahr hat spätestens mit dem Russlandspiel begonnen. Am Montagabend setzte sich das fort. Diesmal hatte Löw seine Routiniers Toni Kroos (28) und Mats Hummels (29) zurück in die Startelf geholt. Trotzdem blieb es beim gegen die Russen bewährten taktischen Konzept, bei Ballgewinn mit Höchstgeschwindigkeit in den Angriff zu kommen. Dort durften sich wieder Serge Gnabry (23), Timo Werner (22) und Leroy Sané (22) tummeln. Deren Fähigkeiten zum Tempospiel haben sich ja inzwischen herumgesprochen.

Sicher auch bei den Holländern. Trotzdem ließen sie sich früh zweimal überraschen. Werner sorgte mit einem trockenen Schuss von der Strafraumgrenze für die 1:0-Führung, Sané baute sie locker aus, als er mit links flach ins Eck traf. Als Vorbereiter hatte Kroos zweimal die Füße mit im Spiel. Dass die Deutschen der holländischen Abwehr Probleme bereiten konnten, lag allerdings nicht nur an den Spitzen, die mit ihren Läufen in die Tiefe den Passgebern aus dem Mittelfeld entsprechende Räume anboten. Es lag auch an Nico Schulz, der als Linksaußen in einem Vierermittelfeld ordentlich Drang nach vorn entwickelte. Auch seine Vorstöße brachten Unordnung in die holländischen Reihen.

Darüber hinaus war den Gästen anzumerken, dass sie offenbar viel jener mentalen Kraft, die seit den Tagen des großen Boris Becker auch ihre Bedeutung in der Nachbehandlung von sportlichen Ereignissen hat, in der Nations League gelassen haben. In diesem Wettbewerb schnitten die ebenfalls im Neuaufbau befindlichen Holländer denkbar besser ab als Löws Team. Gegen die Deutschen leisteten sie sich Konzentrationsmängel, die man beim 2:0-Sieg über Frankreich nicht gesehen hat.

Die DFB-Auswahl ließ dagegen anders als gegen die Russen diesmal nach der Pause zunächst nicht dramatisch nach, auch wenn sie entschieden vorsichtiger wirkte und den Niederländern das Spiel überließ. Deshalb gab es gegen aufgerückte Holländer natürlich Kontergelegenheiten. Eine davon vergab Werner, der auf Zuspiel von Gnabry den Ball am Tor vorbeischob. Das war allerdings nicht der Grund dafür, dass er unmittelbar darauf gegen Marco Reus ausgewechselt wurde. Werner hatte ein überzeugendes Spiel geliefert.

Inzwischen war ohnehin die Wechselzeit angebrochen. Auch Thomas Müller (29) durfte das Durchschnittsalter der Mannschaft noch ein bisschen heben. Er löste Serge Gnabry ab. Müller machte sein 100. Länderspiel. Zuletzt sah es nicht so aus, als sollten noch unheimlich viele folgen. Aber vielleicht wird er als guter Geist der Truppe noch ähnlich wertvoll wie der späte Lukas Podolski. An einem Mangel an Einsatz wird es bei Müller sicher nicht scheitern. Er rannte und rackerte nach seiner Einwechslung wie ein ganz Junger. Und sein elegantes Zuspiel auf Reus brachte beinahe das dritte Tor. Aber Sané verschluderte den Querpass von Reus.

Dennoch war alles bereitet für einen versöhnlichen Jahresabschluss. Quincy Promes' Anschlusstreffer für die Niederlande (85.) wirkte aber wie eine selbsterfüllende Prophezeihung. Die Niederlande witterten nun wieder ihre Chance auf den möglichen Gruppensieg, den Virgil van Dijk mit seinem Treffer zum 2:2 in der Nachspielzeit schließlich perfekt machte. Deutschland brachte sich indes in wenigen Minuten um den Lohn lange Zeit guter Arbeit und einen harmonischen Jahresabschluss.

Statistik

Deutschland: Neuer/Bayern München (32 Jahre/84 Länderspiele) - Süle/Bayern München (23/16), Hummels/Bayern München (29/70), Rüdiger/FC Chelsea (25/29) - Kehrer/Paris St. Germain (22/4), Kimmich/Bayern München (23/38), Kroos/Real Madrid (28/91), Schulz/TSG Hoffenheim (25/4) - Werner/RB Leipzig (22/23) ab 63. Reus/Borussia Dortmund (29/37), Gnabry/Bayern München (23/5) ab 67. Müller/Bayern München (29/100), Sane/Manchester City (22/17) ab 80. Goretzka/Bayern München (23/19). - Trainer: Löw

Niederlande: Cillessen/Ajax Amsterdam (29 Jahre/46 Länderspiele) - Tete/Olympique Lyon (23/12), de Ligt/Ajax Amsterdam (19/13), van Dijk/FC Liverpool (27/24), Blind/Ajax Amsterdam (28/60) - de Roon/Atalanta Bergamo (27/8), Frenkie de Jong/Ajax Amsterdam (21/5), Wijnaldum/FC Liverpool (28/53) ab 60. Vilhena/Feyenoord Rotterdam (23/15) - Promes/FC Sevilla (26/34), Depay/Olympique Lyon (24/44), Babel/Besiktas Istanbul (31/54) ab 45.+1 Dilrosun/Hertha BSC (20/1) ab 66. Luuk de Jong/PSV Eindhoven (28/17). - Trainer: Ronald Koeman

Schiedsrichter: Ovidiu Hategan (Rumänien)

Tore: 1:0 Werner (9.), 2:0 Sane (19.), 2:1 Promes (85.), 2:2 van Dijk (90.+1)

Zuschauer: 42.186

Gelbe Karten: Kimmich, Hummels (2), Kroos - Wijnaldum (2)

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