Borussia Mönchengladbach Eberls Farbenlehre und ein Plädoyer für Ecken

Mönchengladbach · Mehr als 90 Prozent aller Fußball-Fans wollen nicht auf Borussia Mönchengladbach verzichten. Fragt man die drei Rückrunden-Gegner des VfL, sind es sogar 100 Prozent. Mit welcher Wahrscheinlichkeit Gladbach mal wieder in Bremen gewinnt oder gar ein Eckballtor erzielt? Das weiß selbst die "Zehn vom Niederrhein" nicht.

Bundesliga 13/14, Gladbach - Bayer: Einzelkritik
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1.) Silberhochzeit Es gibt, gemessen an heutigen Verhältnissen, gar nicht so viele Zeugen. Etwa 13.000 Zuschauer sahen Borussia Mönchengladbachs letzten Bundesliga-Heimsieg gegen Bayer Leverkusen. So langsam reift in einem das Gefühl, dass mit dem "letzten" Bundesliga-Heimsieg wortwörtlich der "letzte" gemeint ist. 15 der 28 am vergangenen Freitag eingesetzten Spieler waren am 25. Februar 1989 noch nicht geboren.

2.) Klub der Hunderter 25 Jahre bewegen sich beinahe außerhalb der Vorstellungskraft, wenn 100 Bundesligaspiele unter Lucien Favre schon immens wirken. Seit Bernd Krauss 1995 feierte kein Borussia-Trainer mehr dieses Jubiläum. Nur Udo Lattek (136), eben jener Krauss (143), Jupp Heynckes (272) und Hennes Weisweiler (340) liegen noch vor Favre, der sich auf Platz drei schieben könnte, wenn er seinen bis 2015 laufenden Vertrag mindestens erfüllt.

3.) Neuland Bis zum vergangenen Freitag hatte Favre fünf Doppel-Pleiten auf seinem Konto. Zum ersten Mal musste Gladbach unter ihm jetzt gar drei in Folge hinnehmen. Das hatte es seit der Fünf-Niederlagen-Serie Ende 2010 nicht gegeben.

Bundesliga 13/14, 20. Spieltag: Pressestimmen
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4.) Kaum nicht gemocht Eine Umfrage der "Sport Bild" kürte Borussia Mönchengladbach jüngst zum "Lieblingsverein der Liga". 18.209 von etwa 20.000 befragten Fans wollen nicht auf den VfL verzichten, womit sich das Prädikat "Lieblingsverein" auch umdichten ließe in "am wenigsten nicht gemochter Verein". Am kommenden Wochenende steht das Topspiel gegen den Vierten aus Bremen an.

5.) Plakat-Wahlkampf Über mangelnde Sympathiebekundungen kann sich auch Juan Arango nicht beschweren. "Arango muss bleiben!", forderten die Gladbacher Ultras beim Warmmachen gegen Leverkusen auf einem großen Transparent. Auf einem Foto ist verbürgt, dass der Venezolaner davon mit gewohnt verträumtem Blick Kenntnis genommen hat. Zumindest beim Schreien der Mannschaftsaufstellung war der 33-Jährige, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, für große Teile der Nordkurve wie gewohnt der "Fußballgott".

6.) U21-Duell Bayers Keepers Bernd Leno war einen Monat alt, Marc-André ter Stegen ließ noch gut drei Wochen auf sich warten, als Leverkusen und Gladbach sich eines ihrer legendärsten Duelle lieferten. Acht Elfmeter flogen im DFB-Pokalhalbfinale 1992 auf die Tore ihrer Vorgänger Rüdiger Vollborn und Uwe Kamps, nur zwei waren drin. Das dreijährige Bundesliga-Privatduell der alten U-Nationalmannschafts-Rivalen Leno und ter Stegen hat Erstgenannter nun für sich entschieden: Zwei Siege, drei Unentschieden und eine Niederlage aus Sicht des Leverkuseners stehen zu Buche, bei 12:10 Toren.

7.) Ecken-Plädoyer Noch vor genau einem Jahr bewies die Borussia beim 3:3 gegen Bayer, welch eine geradezu banale Wirkung Eckbälle haben können. In der ersten Hälfte war dem VfL so gut wie gar nichts gelungen, der Gegner hätte längst führen müssen. Die ersten Zuschauer verschwanden in der 44. Minute bereits in Richtung Verkaufsbuden und Toiletten, als Leverkusens Philipp Wollscheid den Ball aus 40 Metern in Richtung Eckfahne köpfte. Unter johlendem Beifall trudelte der Ball über die Torlinie. Havard Nordtveit brachte die Ecke hoch in die Mitte, wo Martin Stranzl hochstieg und mit dem ersten Torschuss die Führung für Gladbach erzielte. Das Video von damals muss verschollen sein.

8.) Am Rande Patrick Herrmanns Saarlandsmann Wollscheid war diesmal anderweitig im Kuriositäten-Kabinett unterwegs. In der ersten Hälfte sah er Gelb, weil er sich ungefragt als Balljunge betätigte und so einen Gladbacher Angriff unterband. Sein Teamkollege Giulio Donati machte es Wollscheid gleich, als er sich in der Schlussphase ein kleines Tête-à-tête mit Max Kruse lieferte. Der Fußball hatte an diesem Abend jedoch keine Lust, die Sache weiter auszureizen. Es blieb bei den Vorkommnissen am Rande.

9.) Newcastle, alte Sorgen Wie geht es eigentlich Luuk de Jong auf der Insel? In zwei Spielen hat er 135 Minuten gespielt, das entspricht anderthalb Hinrunden in Mönchengladbach. Sechsmal hat de Jong aufs Tor geschossen, 39-mal abgespielt und dabei 30-mal einen Mitspieler gefunden. Ach ja, und Newcastle hat beide Spiele 0:3 verloren.

10.) Spieltagsmaler Als Gladbach im vergangenen August nur so halbgut in die Saison startete, lag die Mannschaft nach drei Spieltagen mit drei Punkten auf dem zehnten Tabellenplatz. Dortmund, Leverkusen, Bayern und Mainz hatten bis dahin alles gewonnen. Bremen hatte sechs Punkte und erst ein Gegentor kassiert. Augsburg holte vermeintlich die ersten Zähler gegen den Abstieg. Stuttgart entließ Trainer Bruno Labbadia. Hamburg war eine Schießbude, Schalke noch ohne Sieg. Für einiges, was seitdem passiert ist, hat es Anhaltspunkte gegeben. Mindestens so viel hat überrascht. Die Bundesliga bleibt durchschaubar und rätselhaft zugleich. Nach Borussias 1:3 in Hannover bat Sportdirektor Max Eberl darum, man solle "nicht alles grau malen". Doch getreu der Farbenlehre läuft es genau darauf hinaus, solange Schwarz und Weiß ständig denkbar sind — schon wieder am kommenden Samstag beim Auswärtsspiel in Bremen.

(sgo)
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