Impfungen bei Hausärzten Spahn fordert Geduld in Impfkampagne

Berlin · Die Hausärzte scharren mit den Hufen und pochen auf eine möglichst frühe Einbindung in die Corona-Impfungen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will jedoch zuerst die Versorgung mit ausreichend Impfstoffdosen sicherstellen – und kritisiert andere Länder für das vorübergehende Aussetzen der Astrazeneca-Impfungen.

 Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler (links), und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin.

Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler (links), und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin.

Foto: AP/Michael Sohn

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht so sehr unter Druck wie seit Beginn der Pandemie nicht. Sein vorschnelles Versprechen, Anfang März überall Schnelltests verfügbar zu haben, holte ihn ein, die Kritik am Ablauf der Impfungen reißt nicht ab und die Infektionszahlen deuten auf eine dritte Corona-Welle hin. An diesem Freitag war der Druck auf den Minister spürbar, als Spahn mit dem Chef des Robert-Koch-Instituts und Anke Richter-Scheer vom Hausärzteverband Westfalen-Lippe die Infektionslage in Deutschland analysierte. Seine Botschaft: Geduld.

Denn obwohl insbesondere die Hausärzte Druck machen für einen raschen Start der Impfungen in den Praxen und teils sogar dafür plädieren, die von den Ländern errichteten Impfzentren wieder zu schließen, dürfte das Impftempo wegen eines Mangels an Impfstoffen erst in einigen Wochen an Fahrt aufnehmen. Die Bundesregierung habe mangels Prognosen einiger Hersteller noch keine Sicherheit über die genauen Impfstoff-Lieferungen im April, teilte Spahn am Freitag mit. Am kommenden Mittwoch wollen nun Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder über den Zeitpunkt des Impfstarts in den Arztpraxen entscheiden. Hausärztin Richter-Scheer warb dafür,  die Praxen so schnell wie möglich bei den Impfungen einzubeziehen. Zugleich hält sie die Impfzentren für sinnvoll, um dort zum Beispiel Angehörige bestimmter Berufsgruppen wie Lehrkräfte und Kita-Personal zu impfen. „Die können wir in den Hausarztpraxen alleine nicht schaffen“, sagte sie

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern peilen dies spätestens für die Woche vom 19. April an – oder früher, sollten dies die Liefermengen zulassen. Spahn sagte, für einen flächendeckenden Start in Praxen müsse genug Impfstoff da sein. Unterdessen preschte Bayern vor. Der Freistaat werde bereits am 1. April mit Impfungen in den Praxen beginnen, sagte der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU), der „Passauer Neuen Presse“.

Der Aufwärtstrend bei den Corona-Fallzahlen in Deutschland hält nach Daten vom Freitag an. So meldeten Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 12 834 Corona-Neuinfektionen – 2254 mehr als vor genau einer Woche. Die Zahlen stiegen bei den Menschen unter 60 Jahren; bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren sogar „sehr rasant“ seit Mitte Februar, sagte RKI-Chef Wieler. „Wir sehen vermehrt Ausbrüche in Kitas.“ Pro Kita-Ausbruch gebe es auch mehr Infizierte. Wie eine RKI-Sprecherin erläuterte, geht es um je 87 Ausbrüche pro Woche in den letzten beiden Februarwochen. Wieler sprach von einem möglichen Zusammenhang mit der ansteckenderen britischen Variante B.1.1.7.

Aus Sicht des Infektionsschutzes sei eine Schließung von Schulen und Kitas „ein guter Weg“, sagte Wieler. Es werde aber eine nachvollziehbare, gut begründete Abwägung getroffen. Kluge, klare Konzepte etwa zu Tests, Masken, Hygiene und Gruppenbildung müssten in den Einrichtungen umgesetzt werden. „Es wird nicht 100 Prozent schützen“ - aber die Infektionsverbreitung könne damit zu einem großen Teil verhindert werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ergänzte: Infektionsschutz sei wichtig, aber nicht absolut. Es gebe richtigerweise eine Debatte über die Auswirkungen monatelanger Schulschließungen für das Wohlbefinden von Kindern.

Für Spahn gibt es in diesen Tagen ein weiteres Kommunikationsproblem. Denn mehrere Staaten wie Dänemark haben die Impfungen mit dem Impfstoff Astrazeneca vorübergehend gestoppt, Deutschland hält daran fest. Die Dänen begründeten den Schritt mit Berichten über schwere Fälle von Blutgerinnseln, nachdem Menschen mit dem Präparat geimpft worden seien, darunter auch ein Todesfall in Dänemark. Zugleich machten die Dänen klar, dass man noch nicht feststellen könne, ob ein Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und den Blutgerinnseln bestehe. Für einen solchen Zusammenhang gebe es keinerlei Anhaltspunkte, betonten Spahn und Wieler am Freitag gleichermaßen. „Ich bedaure es, dass auf dieser Grundlage - Wissensstand jetzt Freitagvormittag - einige Länder in der Europäischen Union das Impfen mit Astrazeneca ausgesetzt haben“, sagte Spahn. Astrazeneca wies Sorgen vor schweren Nebenwirkungen seines Präparats am Freitag zurück. Rückendeckung bekam der Hersteller von der europäischen Zulassungsbehörde EMA. Diese kam zu dem Schluss, dass der Anteil der Thrombosekranken nach einer Impfung mit dem Präparat dem spontanen Auftreten dieser Erkrankung in der Normalbevölkerung entspricht. Die zweite Botschaft von Spahn an diesem Freitag: Aufmerksam sein aber nicht Alarm machen.

(jd/dpa)
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