Kanzlerin Merkel zu Besuch im Kreml Schwierige Mission in Moskau

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zu Gast in Moskau - ausgerechnet zum Jahrestag des Giftanschlags auf den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der mittlerweile in Russland im Straflager sitzt. Doch nicht nur dieses Thema überschattet Merkels Treffen mit Präsident Putin.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wladimir Putin, Präsident von Russland, während eines gemeinsamen Treffens im Kreml. Foto: Uncredited/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wladimir Putin, Präsident von Russland, während eines gemeinsamen Treffens im Kreml. Foto: Uncredited/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa.

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Es gibt Blumen zur Begrüßung für die Kanzlerin. Russlands Präsident Wladimir Putin übergib diese höchstpersönlich, als er mit Angela Merkel im Kreml in Moskau zusammen trifft. Es folgt ein gemeinsames Foto, dann schließen sich die Türen zu einem Gespräch im kleinen Kreis.

Merkels Missionen in Moskau sind immer schwierig, der russische Präsident ist kein einfacher Gesprächspartner. Doch diesmal ist die Liste der strittigen Themen besonders lang: Der Konflikt um die Ostukraine, Nordstream 2 und die Frage der Gaslieferungen an die Ukraine, die Situation in Belarus und in Afghanistan und natürlich auch der Streit um den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. Merkel kommt ausgerechnet am ersten  Jahrestag des ungeklärten Giftanschlags auf den Oppositionspolitiker in die russische Hauptstadt.

Das Thema Nawalny nimmt dann auch bei der anschließenden Pressekonferenz den größten Raum ein. Merkel macht deutlich, dass sie vom russischen Präsidenten erneut die Freilassung Nawalnys verlangt hat. „Aus unserer Perspektive ist die Verurteilung zum Aufenthalt in einer Strafkolonie auf der Grundlage eines früheren Urteils, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ja für offenkundig unverhältnismäßig klassifiziert hat, nicht akzeptabel“, sagt die Kanzlerin. Sie habe gegenüber Putin „noch einmal die Freilassung von Alexej Nawalny gefordert und auch deutlich gemacht, dass wir hier an der Sache dranbleiben werden“.

Der 45 Jahre alte Nawalny ist der schärfste Gegner des russischen Präsidenten. Er war vor genau einem Jahr am 20. August 2020 auf einem Flug von der sibirischen Stadt Tomsk nach Moskau ins Koma gefallen. Der Oppositionelle wurde zwei Tage später zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité geflogen. Merkel besuchte ihn dort. Nawalny sitzt seit Monaten in einem Straflager in Haft. Die russische Justiz hat seine Organisationen mittlerweile verboten.

Putin reagiert gereizt auf das Thema: Nawalny sitze wegen einer „Straftat“ im Gefängnis und nicht wegen seiner politischen Aktivitäten, sagt er spitz - das wäre in anderen Ländern ebenfalls der Fall. Auch bei den anderen Punkten gab es keine wirkliche Einigkeit. Die Gespräche seien der Versuch gewesen, „Ansätze für Lösungen“ zu finden, sagt Merkel und beklagt Stagnation, etwa in den Gesprächen um die Ostukraine.

Mit Blick auf Afghanistan bittet Merkel Putin dennoch, in Gesprächen mit den Taliban darauf hinzuweisen, dass eine Zusammenarbeit in humanitären Fragen mit den Taliban besser möglich sei, wenn diese Menschen das Land verlassen könnten. Die Kanzlerin bekräftigt, dass es dem Westen mit seinem Einsatz gelungen sei, die von Afghanistan ausgehende akute Terrorgefahr zu bannen. „Aber sie ist nicht dauerhaft gebannt.“ Alle weitergehenden Ziele seien jedoch nicht erreicht worden. Putin wirft dem Westen während der Pressekonferenz  vor, er habe versucht, Afghanistan von außen „Werte aufzuzwingen“ und warnt, nach der Machtübernahme der Taliban vor einem „Zusammenbruch“ Afghanistans Die internationale Gemeinschaft dürfe dies nicht zulassen. Russland hatte die ersten Zusicherungen der Islamisten, die eine gemäßigte Herrschaft in Aussicht gestellt haben, als „hoffnungsvolle Signale“ gewertet. Die Rolle von Moskau in diesem Konflikt bleibt undurchsichtig  - auch der Kanzlerin gelingt es am Freitag nicht, Putin mehr  Klarheit abzuringen.

Voraussichtlich war es Merkels letzter Besuch bei Putin. Die beiden verband stets eine kühle Arbeitsbeziehung.  Merkel ist und war für Putin oft der einzige westliche Ansprechpartner auf Augenhöhe – was er auch am Freitag nochmal betont.

Merkel wiederum konnte Putin immer „lesen“ – sie warnte den Westen schon früh, dass man Putins Gekränkt-, ja, Verwundetsein über den Verlust des Sowjetreiches nicht unterschätzen dürfe. Sie sollte Recht behalten, die Annexion der Krim und die Kämpfe in der Ukraine waren ein deutlicher Beleg dieser Vermutung. Die Kanzlerin hat die Machtdemonstrationen Putins immer ruhig über sich ergehen lassen. Im Januar 2007 nahm Putin etwa seine Labradorhündin Koni mit zum offiziellen Bildtermin in Sotschi, diese streifte den beiden Politikern um die Beine. Merkel mag keine Hunde, blickte starr vor sich hin. Sie ist bis heute überzeugt, dass es ein Machtspielchen des russischen Präsidenten war.

Die Blumen des russischen Präsidenten gibt sie am Freitag schnell an eine Helferin in der Delegation. Herzlich ist das Verhältnis zwischen den beiden auch beim Abschiedsbesuch keine einzige Minute.

(mün)
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